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Islamunterricht: Ditib entscheidet wieder mit. Regiert Erdogan in deutsche Schulen hinein?

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DÜSSELDORF. Seit 2012 gibt es für muslimische Schüler in NRW islamischen Religionsunterricht. Nun ist eine Neuordnung eingeleitet. Danach kann die umstrittene Ditib bei Lehrbüchern und Lehrpersonal wieder mitentscheiden.

Reicht der Arm des türkischen Staatspräsidenten Erdogan bald direkt in Schulen in Nordrhein-Westfalen hinein? Foto: Shutterstock

Das Land NRW will den islamischen Religionsunterricht weiter ausbauen und ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit mit den Islamverbänden aufschlagen. Wie Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Montag mitteilte, wird eine Kommission mit Vertretern von sechs Islam-Organisationen dem Land nun in einem bundesweit einmaligen Modell als Ansprechpartner für den bekenntnisorientierten Unterricht zur Verfügung stehen. Das Gremium könne seine Arbeit jetzt analog zur Beteiligung der Kirchen beim katholischen und evangelischen Religionsunterricht aufnehmen.

Derzeit erhalten knapp 22.000 Schüler an 260 Schulen in Nordrhein-Westfalen islamischen Religionsunterricht von 300 Lehrkräften. Der Unterricht liegt in der Verantwortung des Landes. Er werde von in Deutschland ausgebildeten Religionslehrern erteilt, betonte Gebauer. Muslimische Schüler hätten ein Recht darauf. Es würden dabei auch Kenntnisse über andere Religionen vermittelt. «Das schützt vor Vorurteilen und schärft den Blick.» Offenheit, Toleranz und Respekt gegenüber anderen Religionen und Anschauungen sollten gestärkt werden, schilderte die Ministerin.

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Der Ditib-Bundesverband hatte nach anhaltender Kritik um Vertrauen geworben und Reformen angekündigt

Auch die Ditib als größte Islam-Organisation in Deutschland ist bei dem Unterrichtsfach jetzt wieder neu mit im Boot. Das Land hatte vor einigen Jahren jede Kooperation mit der umstrittenen Türkisch Islamischen Union wegen ihrer Nähe zu Ankara auf Eis gelegt – auch im Schulbereich. Gebauer zufolge hatte die Ditib in den vergangenen Monaten «intern, aber auch öffentlich» eine «Staatsferne» dargelegt und auch auf eine Unabhängigkeit des Landesverbands hingewiesen. Der Ditib-Bundesverband hatte nach anhaltender Kritik um Vertrauen geworben und Reformen angekündigt.

Voraussetzung für eine Aufnahme in die Kommission sei, «dass die Organisation in der Zusammenarbeit beim Islamischen Religionsunterricht eigenständig und staatsunabhängig ist und die Verfassungsprinzipien achtet». Die Kommission vertritt laut Ministerium die Interessen und Anliegen der islamischen Organisationen bei dem ordentlichen Unterrichtsfach. Konkret geht es um eine Beteiligung bei der Genehmigung von Lehrbüchern. Außerdem sollen sie «religiöses Einvernehmen» herstellen bei Kernlehrplänen, die in staatlicher Verantwortung erarbeitet würden.

Die Islamverbände entscheiden der Ministerin zufolge zudem über die religiöse Unterrichtserlaubnis – Idschaza – für die Pädagogen. Der Verband der Islamlehrer hatte kritisiert, der zuvor tätige – und nun aufgelöste – Beirat habe nicht unabhängig und neutral agiert, die Idzascha-Vergabe stattdessen den Charakter eines «Gesinnungstests» gehabt.

Die Verfassung schreibt beim Religionsunterricht die Beteiligung einer Religionsgemeinschaft vor

Dass die neue Kommission sich jetzt konstituieren könne, stelle einen wichtigen Schritt für einen weiteren Ausbau des islamischen Religionsunterrichts dar, unterstrich die Politikerin in Düsseldorf. Sie sprach von einem «Meilenstein». Man sei mit mehreren Verbänden im Gespräch gewesen und habe diese eingehend geprüft. Neben der Ditib stellen weitere fünf Organisationen jeweils ein Mitglied und einen Stellvertreter für das Gremium: Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), die Islamische Religionsgemeinschaft NRW, das Bündnis Marokkanische Gemeinde (BMG), die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken (IGBD) und die Union der Islamisch-Albanischen Zentren.

2012 hatte der islamische Religionsunterricht in NRW an 33 Schulen mit 42 Lehrern und 1800 Schülern begonnen. Seitdem wächst der Bedarf. Ein organisatorisches Übergangsmodell war ausgelaufen, eine Neuordnung fällig. Gebauer sagte, die Kommission sei offen für weitere Mitglieder. Die Verfassung schreibe die Beteiligung einer Religionsgemeinschaft vor. Die ihr zugewiesenen Aufgaben nehme nun das neue Gremium wahr. News4teachers / mit Material der dpa

Ditib

Als Reaktion auf die politische Entwicklung in der Türkei wuchs vor fünf Jahren in Deutschland die Skepsis gegenüber dem von Ankara kontrollierten Moscheen-Dachverband Ditib („Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“).

Der damalige Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach sich dafür aus, den Einfluss des größten islamischen Verbandes einzuschränken. „Meines Erachtens sollte man es nicht zulassen, dass ein Verband wie Ditib, der offenbar Sprachrohr von Präsident Erdogan ist, den islamischen Religionsunterricht in Schulen gestaltet“, sagte der CDU-Politiker. Auch Prof. Dr. Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), sah Ditib damals kritisch. Ditib (sie bezog sich dabei auf den hessischen Landesverband) habe sich durch den Einfluss der Türkei stark verändert. Vertreter der Religionsbehörde säßen in allen wichtigen Ditib-Gremien, um die Organisation zu kontrollieren und Einfluss zu nehmen, so wurde die Frankfurter Wissenschaftlerin zitiert.

Ditib räumte 2017 sogar Bespitzelungen für den türkischen Staat ein. Imame hätten Informationen über die Gülen-Bewegung an die Regierung in Ankara weitergegeben, sagte der damalige Generalsekretär Bekir Alboga laut einem Bericht der “Welt”. Die entsprechende schriftliche Anweisung des türkischen Religionspräsidiums Diyanet sei nicht an die Ditib gerichtet gewesen. Trotzdem seien dieser einige wenige Ditib-Imame fälschlicherweise gefolgt.

Der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, äußerte sich seinerzeit nicht überrascht zu dem Eingeständnis. Ditib sei von Ankara instrumentalisiert, sagte Toprak dem Bericht zufolge. Wer mit dem Verband zusammenarbeite, wie es Landesregierungen in Fragen des islamischen Schulunterrichts täten, der lege die Zukunft der deutschen Muslime in die Hände des türkischen Präsidenten Erdogan. News4teachers

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