BERLIN. Konkretes gibt es nicht: Der Bund-Länder-Gipfel hat sich zwar gestern grundsätzlich für Beibehaltung eines Basis-Schutzes auch nach dem 19. März – dann sollen laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) alle „tiefgreifenden“ Maßnahmen entfallen – ausgesprochen. Was das allerdings für die Schulen bedeutet, ist offen. Die Lehrerverbände zeigen sich skeptisch, ob die Politik die Situation in den Bildungseinrichtungen tatsächlich im Blick hat. VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann stellt fest: „Das Infektionsgeschehen in den Schulen ist um ein Vielfaches höher als in der übrigen Gesellschaft.“ Wenn jetzt nicht endlich alles darangesetzt werde, die Schulen zu sicheren Lernorten zu machen, drohe Schülern und Lehrkräften im Herbst neues Corona-Chaos.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte nach der Runde in Aussicht, dass bei sinkenden Infektionszahlen mittelfristig auch die Coronamaßnahmen an Schulen deutlich zurückgefahren werden sollten. Auf die Frage, wann etwa die Maskenpflicht im Klassenzimmer fallen könne, sagte Lauterbach am Mittwochabend in einem «ZDF-Spezial», alles hänge davon ab, wie gut die Fallzahlen gesenkt werden könnten. «Wenn es jetzt systematisch weiter runtergeht, dann sind in einigen Wochen auch die Schulen massiv zu entlasten.»
Wenn… Die Lehrerverbände zeigen sich allerdings skeptisch, ob die Politik die Situation in den Schulen tatsächlich im Blick hat. «Es ist richtig, dass auch diese Einrichtungen in die gesellschaftliche Entwicklung miteinbezogen werden – das muss aber mit Augenmaß geschehen, um den bestmöglichen Gesundheitsschutz der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Kinder sowie deren Eltern zu gewährleisten», sagt etwa GEW-Chefin Maike Finnern gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Bisher hätten die Kinder und Jugendlichen die Hauptlast der Corona-Pandemie getragen, Lockerungen dürften nicht auf ihrem Rücken ausgetragen werden, meint Finnern. «Da die Infektionen in den Schulen immer noch deutlich überdurchschnittlich häufig sind, müssen weiterhin Masken getragen und Hygienekonzepte beachtet werden sowie eine verlässliche Teststruktur für alle sichergestellt sein.» Auch der Einbau von Luftfilteranlagen müsse weiter vorangetrieben werden.
„Schulen sind keine Testzentren. Die Verantwortung muss schrittweise in die Hände der Eltern gelegt werden“
Ähnlich äußert sich Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Realschullehrerverbandes (VDR). „Die geplanten Öffnungsschritte, die die Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen hat, dürfen nicht nur für die Gesellschaft allgemein gelten, sondern müssen mit Augenmaß und Verantwortung ebenfalls an den Schulen vollzogen werden“, sagt er. Aber: Bei allen Lockerungen müsse man stets in Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler denken und handeln. „Überstürzte Abschaffungen aller Schutzmaßnahmen sind ebenso fehl am Platz wie deren unnötiges Verlängern oder Verschärfen“, so Böhm.
Es müsse darum gehen, bewährte Teststrategien und die Maskenpflicht so lange wie nötig aufrechtzuerhalten. Die Testungen müssten jedoch sukzessive aus den Schulen in den persönlichen Bereich verlegt werden. „Es kann nicht sein, dass wir Präsenzunterricht fordern und gleichzeitig wertvolle Unterrichtszeit opfern, um die Schülerinnen und Schüler zu testen. Schulen sind keine Testzentren. Die Verantwortung muss schrittweise in die Hände der Eltern gelegt werden“, meint Böhm. „Entscheidend muss in der jetzigen Phase sein, dass durch eine Erhöhung der Impfquote in der gesamten Bevölkerung endlich Verantwortung gerade gegenüber der jungen Generation, den Schülerinnen und Schülern, übernommen wird. Dann kann es gelingen, langsam zur Normalität zurückzukehren.”
Der Philologenverband fordert von den Kultusministerinnen und -ministern der Länder „klare und verbindliche Regeln für Lockerungen an den Schulen, die trotzdem sicheren Unterricht für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte gewährleisten“. Die Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing erneuert deshalb ihre Forderung nach einem an Kriterien orientierten Stufenplan, in dem verbindlich festgelegt werden soll, dass und wie häufig auch zukünftig getestet und wie mit der Maskenpflicht in den unterschiedlichen Jahrgangsstufen umgegangen werden soll, „denn kriterienlose Lockerungen unterstützt der Philologenverband nicht“.
„Trotz aller politischen Beteuerungen, die Schulen zu sicheren Orten zu machen, müssen wir feststellen: Sie sind es nach wie vor nicht”
Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann blickt mit Sorge auf das aktuelle Infektionsgeschehen in den Schulen – und auf den kommenden Herbst. „Wenn wir uns die Entscheidungen aus der Bund-Länder-Runde anschauen, ist nicht erkennbar, dass die möglichen Auswirkungen der Lockerungen auf das Infektionsgeschehen in den Schulen und Kitas ausreichend in den Blick genommen wurden“, sagt er. „Trotz aller politischen Beteuerungen, die Schulen zu sicheren Orten zu machen, müssen wir feststellen: Sie sind es nach wie vor nicht. Dies spiegeln auch die Zahlen wider, die zeigen, an wie vielen Schulen Lerngruppen geschlossen sind und wie viele Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sich in Quarantäne befinden.“
Mit Blick darauf, dass die Gefahr besteht, dass wir kommenden Herbst vor der nächsten Welle stehen, mahnt Beckmann an: „Die Politik darf für den dritten Herbst der Pandemie nicht wieder auf das Prinzip Hoffnung setzen. Sie muss bis dahin alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Schulen zu möglichst sicheren Lernorten zu machen. Vor allem muss sie dafür sorgen, dass es keinesfalls mehr Aufgabe von Lehrkräften ist, die Überforderung der Gesundheitsämter und Labore zu kompensieren. Nur so kann verhindert werden, dass die personelle Unterdeckung in den Schulen weiter verschärft und damit die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages noch stärker gefährdet wird.“ News4teachers
