BOCHUM. Eine Online-Schule, die sich um kranke Kinder kümmert, hat vor Gericht einen herben Rückschlag erlitten. Laut einem nun veröffentlichten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster dürfen Schüler der Bochumer Web-Indivualschule nicht an einem einzigen Prüfungsort an der Abschlussprüfung teilnehmen, die durch externe Lehrkräfte durchgeführt wird. So hatte es die Bochumer Schule, die nur eine Fernschule und keine staatlich anerkannte Regelschule ist, seit Langem gehandhabt. Allerdings stieg die Zahl der Prüflinge und der Aufwand wurde größer. Ein Vergleichsangebot lehnte das Schulministerium NRW ab.
Die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte in dem Streit moniert, dass die Bezirksregierung Arnsberg „nicht dauerhaft Abschlussprüfungen für das gesamte Bundesgebiet organisieren“ könne – und angekündigt: Man wolle „im staatlichen Bildungssystem“ künftig ein digitales Alternativangebot zum regulären Schulbesuch schaffen – für jene, denen etwa wegen schwerwiegender gesundheitlicher Gründe kein Schulbesuch möglich sei, hatte die Ministerin erläutert. Ziel sei, Schülern „frei von kommerziellen Interessen perspektivisch eine Rückkehr in den Präsenzunterricht zu ermöglichen oder sie, wo dies nicht möglich ist, erfolgreich zu Abschlüssen zu führen.“
Warum es in Nordrhein-Westfalen ein solches staatliches Angebot mehr als zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie noch nicht gibt, dazu sagte sie allerdings nichts. Auch erklärte sie nicht, warum sie der Schule schlicht das bisherige Verfahren kündigt, statt mit den Kultusministerien anderer Bundesländer einen Ausgleich zu suchen.
“Das ist für uns ein trauriges Urteil und eine sehr schlechte Nachricht für die Familien und Schüler”
Der Bedarf ist unbestritten: In der Webschule werden Kinder und Jugendliche einzeln online unterrichtet, denen wegen psychischer oder körperlicher Erkrankung kein regulärer Schulbesuch möglich ist. Zuletzt waren jedes Jahr bis zu 120 Schüler zum Haupt- oder Realschulabschluss geführt worden, in die nun beginnende Prüfungsphase sollten 70 Jugendliche gehen.
Sie müssen laut Schulleitung auch bei den Prüfungen eng betreut werden und brauchen teilweise ganz besondere Bedingungen am Prüfungsort – die Lehrer der Web-Individualschule, die die Prüflinge aus dem Online-Unterricht gut kennen, sollten bei den Tests weiterhin dabei sein, forderte die Fernschule und verwies auf ein Versprechen gegenüber Schülern und Eltern. Dieses Versprechen könne man aber nur angemessen erfüllen, wenn die Prüfungen aller betreuten Schüler am selben Prüfungsstandort stattfänden.
Dieses Vorhaben scheiterte nun aber vor Gericht. Die Verordnung über die “Externenprüfung” sehe nicht vor, auch Jugendlichen aus anderen Bundesländern den Zugang zu der Externenprüfung in NRW zu ermöglichen, hieß es in dem Beschluss des OVG. Zudem wurde betont, dass das Vorgehen der Bezirksregierung Arnsberg “fehlerfrei” sei.
Die Schulleiterin Sarah Lichtenberger zeigte sich schockiert. “Das ist für uns ein trauriges Urteil und eine sehr schlechte Nachricht für die Familien und Schüler.” Bei den Prüfungen sei eine Begleitung durch den gewohnten Lehrer therapeutisch notwendig, dies könne nun aber nicht mehr gewährleisten werden. Die am Mittwoch startenden Prüfungen müssten an mehr als etwa 15 Schulen in ganz NRW stattfinden. Die etwa 30 Lehrkräfte der Web-Individualschule würden mit Mietwagen querbeet durch das Bundesland geschickt, um vor Ort zu versuchen, den psychisch oder körperlich kranken Kindern Rückhalt zu geben und “beruhigend auf die Kinder einzuwirken, die völlig führungslos sind”.
„Woher wissen Sie das? Sie haben mit niemandem von uns gesprochen, niemanden gefragt”
Zuvor hatte das Schulministerium ein Vergleichsangebot des Gerichts abgelehnt. Der Vergleich sah vor, dass die Arnsberger Bezirksregierung bei der Planung den Hut aufbehalte und fünf Prüfungsorte benenne. Die Web-Individualschule hätte entsprechend fünf Gruppen bilden müssen. Das wäre zwar ein großer Aufwand, aber alle Schüler könnten damit vor Ort begleitet und betreut werden, erläuterte die Leiterin seinerzeit.
Das Schulministerium begründete seine Ablehnung damit, dass „eine Umverteilung […] anhand des Vergleichsvorschlags […] wenige Wochen vor Prüfungsbeginn am 11. Mai […] nicht im Sinne der bereits stark belasteten Prüflinge“ wäre. Die Eltern der betroffenen Schülerinnen und Schüler wehrten sich allerdings in einem Brief: „Woher wissen Sie das? Sie haben mit niemandem von uns gesprochen, niemanden gefragt. Das ist auch logisch, denn wir alle, alle Eltern, Kinder, Lehrkräfte sehen das anders. Wir wollen das unsere Kinder ihre Lehrkräfte in der Nähe wissen. Wir möchten Ihnen diese Sicherheit geben.“
Das ist jetzt vom Tisch. News4teachers / mit Material der dpa
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