Website-Icon News4teachers

Monitor-Studie: Rassismus – ein Alltagsphänomen, das auch die Schule betrifft! Andererseits: Bildung sensibilisiert

Anzeige

BERLIN. Rassistische Vorfälle sind in Deutschland kein Randphänomen. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung (etwa 22 Prozent) gibt an, bereits selbst von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Das geht aus der Auftaktstudie zu einem neuen Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor hervor, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde und in den nächsten Jahren fortgeschrieben werden soll. Schule wird zwar als einer der Lebensbereiche angeführt, in denen Rassismus am häufigsten wahrgenommen wird. Andererseits: Die Sensibilität gegenüber Diskriminierung nimmt mit dem Bildungsgrad zu.

Viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund fühlen sich fremd in Deutschland – das hat Gründe. Foto: Shutterstock

Die Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) zeigt, dass junge Menschen häufiger von direkten Rassismuserfahrungen als Ältere berichten. Das mag mit einem geschärften Problembewusstsein bei den Jüngeren zusammenhängen, womöglich aber auch damit, dass junge Betroffene mehr Kontakt zu Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft haben. Unabhängig vom eigenen Erleben stimmen 90 Prozent der Menschen hierzulande der Aussage «Es gibt Rassismus in Deutschland» zu. Rund 45 Prozent der Bevölkerung haben laut einer repräsentativen Umfrage schon einmal persönlich rassistische Vorfälle beobachtet.

Eine Mehrheit (65 Prozent) ist der Meinung, dass es in deutschen Behörden rassistische Diskriminierung gibt. Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland (49 Prozent) glaubt an die Existenz menschlicher Rassen; den Glauben an ‚Rassen‘ teilen vor allem Ältere: Fast zwei Drittel der über 65-Jährigen (61%) glauben an die Existenz von ‚Rassen‘. Unter den 14- bis 24-Jährigen sind es nur knapp ein Drittel (32%). Daneben stimmen dem fast drei Viertel der Menschen ohne Schulabschluss (72 %) zu, jedoch nur ungefähr ein Drittel der Befragten mit Hochschulreife (37,2%).

Anzeige

Die Forscher hatten neben der repräsentativen Befragung der Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren auch gezielt Angehörige von sechs Minderheiten in den Blick genommen: Schwarze Menschen, Muslime, Asiaten, Sinti und Roma, Juden und osteuropäische Menschen. Die Befragten konnten sich dabei sowohl selbst einer dieser Gruppen zuordnen als auch angeben, ob sie von Außenstehenden einer dieser Gruppen zugeordnet werden.

«Rassistische Benachteiligungen werden besonders häufig in den Lebensbereichen Schule, Arbeit und Wohnen erkannt»

Von den Angehörigen der sechs Minderheiten gaben insgesamt 58 Prozent an, schon einmal selbst Rassismus ausgesetzt gewesen zu sein. In der Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren waren es mit rund 73 Prozent aber deutlich mehr als bei den über 65-Jährigen mit 24,2 Prozent. In Bezug auf die einzelnen Gruppen ist die Studie allerdings nicht repräsentativ. Die Antworten von Befragten mit höherer Bildung zeigten dennoch, dass das Ausmaß von Erfahrungen mit Rassismus nichts mit «gelungener Integration» zu tun habe, betont Dezim-Direktorin Naika Foroutan. Sie sagt: «Rassistische Benachteiligungen werden besonders häufig in den Lebensbereichen Schule, Arbeit und Wohnen erkannt. Das Thema sollte daher von der Politik offensiv und langfristig angegangen werden. Unsere Studie zeigt, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung das unterstützen würde.»

Dafür, dass es strukturellen Rassismus im Bildungssystem gibt, sehen die Studienautoren Anhaltspunkte. So heißt es in der Studie: «So hatte die PISA-Studie von 2000 nicht nur festgestellt, dass Schüler*innen in Deutschland im europäischen Vergleich insgesamt schlechtere Ergebnisse erzielten, sondern auch, dass die soziale Herkunft einen maßgeblichen Einfluss auf deren Leistungen hat: Schüler*innen mit Migrationshintergrund schnitten aufgrund soziostruktureller Nachteile systematisch schlechter ab als ihre Mitschüler*innen ohne Migrationshintergrund.»

«Jahrzehntelang wurde Rassismus in Deutschland verschwiegen oder gar bestritten, das wirkt bis heute nach», sagt die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan. Sie verspricht: «Wir packen Strukturen an, die im Alltag rassistisch diskriminieren – in den Behörden, bei der Polizei, am Arbeits- oder Wohnungsmarkt.» «Rassismus» wird in der Studie definiert als eine Ideologie sowie als eine diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, denen per «Abstammung» verallgemeinerte, unveränderliche
Eigenschaften zugeschrieben werden.

Der Aussage, dass gewisse ethnische Gruppen oder Völker «von Natur aus fleißiger sind als andere», stimmt rund ein Drittel der Befragten zu

Dass bestimmte ethnische Gruppen, beziehungsweise Völker intelligenter als andere sind, glauben dem Monitor zufolge zwar lediglich neun Prozent der Bevölkerung. Der Aussage, dass gewisse ethnische Gruppen oder Völker «von Natur aus fleißiger sind als andere», stimmte allerdings rund ein Drittel der Befragten zu.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, Rassismuskritik werde oft dadurch abgewehrt, dass Betroffenen eine Hypersensitivität unterstellt werde. Den Angaben zufolge ist ein Drittel der Bevölkerung tendenziell der Auffassung, dass Menschen, die sich über Rassismus beschweren, «häufig zu empfindlich» seien. 11,6 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage voll und ganz zu, 21,5 Prozent stimmten ihr eher zu.

Um dieses Phänomen genauer zu beleuchten, haben die Wissenschaftler konkrete Situationen zur Beurteilung vorgestellt. Dabei zeigte sich, dass es beispielsweise knapp zwei Drittel der Bevölkerung voll und ganz (rund 35 Prozent) oder eher (gut 30 Prozent) rassistisch finden, wenn als Angehörige einer bestimmten Minderheit wahrgenommene Menschen bei der Einreise nach Deutschland wesentlich häufiger kontrolliert werden. Dass auch nett gemeinte Komplimente als Rassismus empfunden werden können, ist etwa jedem vierten Menschen in Deutschland voll und ganz bewusst. Der Klassiker ist hier der Satz: «Sie sprechen aber sehr gut Deutsch.»

Insgesamt mehr als die Hälfte der Befragten bewerteten es als rassistisch, wenn ein Comedian klischeehafte Witze über eine bestimmte ethnische oder religiöse Gruppe macht. Allerdings gehen im Alltag die Meinungen darüber auseinander, was denn ein «klischeehafter Witz» ist.

Jeder Zweite (47 Prozent) der Befragten gibt an, in den vergangenen fünf Jahren schon einmal einer rassistischen Aussage im Alltag widersprochen zu haben. Dennoch lässt sich – bezogen auf bestimmte Wahrnehmungen von Rassismus – auch ein gewisses Abwehrverhalten in der Bevölkerung beobachten. Fast die Hälfte aller Befragen (44,8 Prozent) stimmte tendenziell der Aussage zu, dass «Rassismusvorwürfe und politische Korrektheit» die Meinungsfreiheit einschränken.

Andererseits scheint die Sensibilität gegenüber Rassismus mit der Schulbildung zu steigen. So geben 56 Prozent der Befragten mit Abitur an, dass sie schon einmal Rassismus beobachtet haben, während der Anteil derjenigen mit Realschulabschluss nur bei 44 Prozent und mit Hauptschulabschluss bei 32 Prozent liegt. News4teachers / mit Material der dpa

Wie Lehrer Jugendliche gegen Rassismus und Diskriminierung stark machen können

 

Anzeige
Die mobile Version verlassen