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Fellers Bildungsrevolution: Künftig entscheiden die Bürokraten des Ministeriums, welches Unterrichtsmaterial geeignet ist

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DÜSSELDORF. NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat in der vergangenen Woche en passant eine Revolution angekündigt – ohne, dass dies auf besonders viel Resonanz gestoßen wäre: Die Juristin will Lehrkräften verbindlich vorschreiben, mit welchen Materialien sie zu arbeiten haben. Das ist nichts Geringeres als der Einstieg in ein staatliches Lehrmittel-Monopol. Die Konsequenz (sollte sich das Prinzip durchsetzen): Bildungsverlage werden damit genauso obsolet wie freie Open Educational Ressources. Bürokraten in Ministerien entscheiden dann, wie und womit unterrichtet wird.

Der freie Bildungsmarkt hat in NRW-Grundschulen ausgedient – künftig entscheidet das Ministerium, womit (und damit wohl auch wie) unterrichtet wird. Foto: Shutterstock

„Es gehört zum Beruf der Lehrerinnen und Lehrer, in eigener Verantwortung und pädagogischer Freiheit die Schülerinnen und Schüler zu erziehen, zu unterrichten, zu beraten, zu beurteilen, zu beaufsichtigen und zu betreuen“ – so heißt es in der Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Die „pädagogische Freiheit“ von Lehrkräften hat sich offenbar nun erledigt – an den Grundschulen im Land jedenfalls. Anlass sind die düsteren Ergebnisse der jüngsten Iglu-Studie.

„Es sind Zahlen, die alarmierend sind und die wir keinesfalls einfach so hinnehmen dürfen und werden“ – sagte Dorothee Feller (CDU) in dieser Woche vor dem Schulausschuss. In Nordrhein-Westfalen erfüllt danach gut ein Viertel der Viertklässlerinnen und Viertklässler die Mindestvoraussetzungen im Lesen, Schreiben, Rechnen, Zuhören und in der emotional-sozialen Entwicklung nicht; etwa die nur Hälfte der Schülerinnen und Schüler erreichen in Lesen, Zuhören, Mathematik de Regelstandards.

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„Unsere Schulen wurden mit der Frage, wie neue Konzepte und geänderte Lerninhalte im schulischen Alltag umgesetzt werden können, zu wenig unterstützt“

Feller zieht die Konsequenz, Grundschullehrkräften künftig vorschreiben zu wollen, mit welchen Materialien sie unterrichten. „Zwar existiert bereits eine Vielzahl an analogen und digitalen Materialien, die den Schulen zur Verfügung stehen und von denen nicht wenige auch gut geeignet sind für die praktische Umsetzung. Jedoch wurden unsere Schulen mit der Frage, wie neue Konzepte und geänderte Lerninhalte im schulischen Alltag umgesetzt werden können, zu wenig unterstützt“, sagte sie.

Die Schulministerin betonte: „Diese fehlende Unterstützung ist zugleich auf ein Schulsystem gestoßen, in dem wir – ebenfalls seit Jahren – einen erheblichen Mangel an Lehrkräften verzeichnen. Das hatte zur Folge, dass die verbliebenen Lehrkräfte nochmal mehr Zeit investieren mussten, um sich mit der großen Anzahl an Aufträgen, Konzepten, Materialien usw. zurechtzufinden und die jeweils maßgebliche Essenz auf ihre Schulen zu übertragen – eine wertvolle Zeit, die ihnen für ihre eigentliche Aufgabe fehlt: Für das Unterrichten der Kinder!“

Ihre Schlussfolgerung: „Wir setzen (…) auf Verbindlichkeit, indem wir für die Schulen Schwerpunktsetzungen und Materialien verbindlich vorgeben, sodass nicht jede Schule und jede Lehrkraft ihre eigenen Konzepte und Materialien erstellen muss. Wir werden den Lehrkräften wissenschaftliches fundiertes und vor allem wirksames Material zur Verfügung stellen und mit ihnen im ständigen Austausch bleiben, um Hinweise und Verbesserungsvorschläge aus der Praxis berücksichtigen zu können.“

Und was ist das für Material? In einer Unterlage für den Schulausschuss, die News4teachers vorliegt, heißt es: „In Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund im Fach Mathematik und der Technischen Universität Chemnitz sowie der Leibniz Universität Hannover im Fach Deutsch entstehen leicht handhabbare Materialien und Unterstützungsangebote, die niederschwellig im Unterricht eingesetzt werden können und allen Schulen mit Primarstufe zur Verfügung gestellt werden.“

„Wichtig sind Mittler zwischen Wissenschaft und Schulpraxis, die Fragen und Anliegen der Lehrkräfte aufgreifen können“

Im Klartext: Die Materialien existieren zum Großteil noch gar nicht, sind also in der Praxis überhaupt nicht erprobt. Woher weiß das Ministerium, ob sie „leicht handhabbar“ sein werden – und ob sie dann überhaupt qualitativ für jede Unterrichtssituation im Land, das vom multikulturellen Ruhrgebiet bis hin zum platten Niederrhein reicht, geeignet sind? Und was passiert, wenn das nicht der Fall ist? Wer sorgt für eine sinnvolle – bedarfsgerechte – Weiterentwicklung, wenn es keinen Markt mehr gibt, auf dem sich ein Bedarf durch eine entsprechende Nachfrage zeigen könnte? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Klar ist dem Ministerium hingegen, dass es nicht reicht, den Lehrkräften die Materialien anzubieten. Es ist auch Druck nötig: „Damit die Materialien und Angebote von den Lehrenden genutzt werden und somit im Unterricht bei den Schülerinnen und Schülern ankommen können, bedarf es jedoch mehr als deren Bereitstellung“, so heißt es in dem internen Papier. „Wichtig für die Unterrichtsentwicklung auch zur Stärkung der Basiskompetenzen sind Mittler zwischen Wissenschaft und Schulpraxis, die Fragen und Anliegen der Lehrkräfte aufgreifen können. Daher wurden in zwei Tranchen insgesamt 106 Stellen für Fachberaterinnen und Fachberater geschaffen. Sie stellen das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Unterrichtspraxis dar und unterstützen die Fachaufsicht und die Schulen.“

Für den Fall, dass jemand Rechenschaft verlangt, ob das neue Staatsmonopol denn auch tatsächlich die Schülerleistungen verbessert, hat sich das Ministerium bereits argumenativ gewappnet. „Die Schulen benötigen Zeit und Unterstützung, damit die Maßnahmen ihre Wirkung im Sinne der Kinder entfalten können”, so heißt es in dem Papier. Wie viel Zeit? Keine Angabe. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert.

Feller will Grundschulen „wissenschaftlich fundierte“ Materialien vorschreiben

 

 

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