«Kinder und Lehrer fast nie da!» – behauptet die «Bild»-Zeitung. Sie schreibt: «Diese Schule sehen Kinder und Lehrer außergewöhnlich selten von innen! Das Schulministerium Schleswig-Holstein hat die ‘Freie Dorfschule Lübeck’ dichtgemacht, weil bei Kontrollen kaum jemand da war.»
Fakt ist: Wegen einer Häufung von angeblichen Ungereimtheiten hat das Bildungsministerium die Freie Dorfschule Lübeck, in der rund 50 Kinder und Jugendliche angemeldet sind, geschlossen. Die sogenannte Ersatzschulgenehmigung sei mit Schreiben vom 19. Mai widerrufen worden, teilte das Ministerium am Montag mit. Dass einer Privatschule die Genehmigung entzogen wird, ist nach Angaben eines Ministeriumssprechers sehr selten. An einen solchen Fall könne er sich derzeit nicht erinnern. Die Freie Dorfschule Lübeck will eigenen Angaben zufolge gerichtlich gegen die Schließung vorgehen.
Auch wenn der Widerruf der Genehmigung mit sofortiger Wirkung gilt und die Schule damit geschlossen ist, gibt es nach Angaben des Ministeriumssprechers eine Wochenfrist, bis der Schulbetrieb komplett eingestellt sein muss. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Schülerinnen und Schüler vor verschlossener Tür stehen.
«Hier drängt sich der Verdacht auf, dass Eltern ihre Kinder an dieser Schule angemeldet haben, um die Schulpflicht zu umgehen»
Das Ministerium hat eigenen Angaben zufolge seit Beginn des Schuljahres 2022/23 immer mehr Hinweise erhalten, dass bei der Schule gravierende Defizite im Schulbetrieb bestehen könnten. Daraufhin habe es von Schul- und Rechtsaufsicht sowie dem zuständigen Schulamt im Februar und März 2023 mehrere unangekündigte örtliche Schulprüfungen gegeben. Dabei wurde demnach festgestellt, dass vor Ort regelmäßig weniger als die Hälfte der angemeldeten Schülerinnen und Schüler anwesend waren. Zudem seien regelmäßig lediglich zwei Lehrkräfte da gewesen, obwohl laut Plan mehr Pädagoginnen und Pädagogen im Dienst gewesen sein müssten.
«Diese Häufung von Ungereimtheiten hat unser Ministerium dazu veranlasst, die Genehmigung der Schule zu widerrufen», sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU). «Unser Schulgesetz erlaubt Privatschulen, aber wir schauen sehr genau hin. Wenn wir Hinweise bekommen, dass es nicht ordentlich läuft, schließen wir eine solche Schule.» Prien sagte, guter Präsenzunterricht sei wichtig für Kinder und Jugendliche. «Hier drängt sich der Verdacht auf, dass Eltern ihre Kinder an dieser Schule angemeldet haben, um die Schulpflicht zu umgehen.»
Die Schule weist die Vorwürfe zurück. Gegen die Schließung werden gerichtliche Schritte vorbereitet, wie Schulleiterin Andrea Buchholz in einer Stellungnahme mitteilte. «Den Widerruf stützt das Ministerium auf falsche Angaben.» Dafür, dass bei den Kontrollterminen nur die Hälfte der Schüler anwesend war, gibt es danach eine einfache Erklärung: Die Freie Dorfschule Lübeck beschule aktuell 48 Kinder in zwei Klassen. «Eine davon am Vormittag, eine am Nachmittag. Das hat das Ministerium 2018 schriftlich genehmigt.»
Die Schule habe zudem digitales Lernen in ihrem genehmigten Konzept seit der Gründung 2015 verankert, erfolgreich in der Pandemie umgesetzt und tue dies bis heute, sagte Buchholz. Nach Angaben der Schulleiterin gebe es viele Anfragen von Familien. «Die Anfragen sind nach der Pandemie noch in die Höhe geschnellt. Wir sind bereits über Jahre ausgebucht.»
«Schon die Besuche der Behörde bei uns zeugten von wenig pädagogischem Feingefühl»
Buchholz kritisierte die kurzfristige Schließung «mitten in der heißen Prüfungsphase» als pädagogisch unverantwortlich. «Schon die Besuche der Behörde bei uns zeugten von wenig pädagogischem Feingefühl.» Bereits im März wurden nach Angaben Buchholz’ die Zuschüsse für die Schule gestrichen. Dagegen werde in einem gerichtlichen Eilverfahren vorgegangen. Buchholz sagte, alle Kinder erzielten seit Jahren sehr gute Prüfungsergebnisse. Auch dieses Jahr wollten Kinder den Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) und den Mittleren Schulabschluss (MSA) ablegen.
Zur Schließung der Schule beantragte die FDP-Landtagsfraktion für die nächste Sitzung des Bildungsausschusses einen Regierungsbericht. «Eine solche Schulschließung durch das Ministerium ist eine sehr harte und äußerst seltene Maßnahme», kommentierte der Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt. «Dieser Vorgang wirft auch durch seine ungewöhnliche Verkündigung via Boulevardpresse einige Fragen auf, die das Ministerium in der nächsten Sitzung des Bildungsausschusses am 8. Juni beantworten muss.»
Sollten die Vorwürfe des Ministeriums zutreffend sein, stelle sich auch die Frage, warum das Ministerium erst so spät tätig geworden sei, sagte Vogt. «Da die Schulleitung den heftigen Vorwürfen des Ministeriums öffentlich sehr deutlich widerspricht, wollen wir auch ihre Sichtweise im Ausschuss hören.»
Landesweit gibt es nach Angaben des Ministeriums etwa 87 private allgemein bildende Schulen. Sie werden von rund 16.400 Schülerinnen und Schülern besucht. Zu den Privatschulen gehören beispielsweise auch Waldorfschulen, Schulen in kirchlicher Trägerschaft sowie die Schulen der dänischen Minderheit. News4teachers / mit Material der dpa
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