BERLIN. Am morgigen Dienstag treffen sich die Lehrerverbände mit den Bildungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die im Auftrag der Kultusministerkonferenz ein Gutachten gegen den Lehrkräftemangel geschrieben haben – und darin Maßnahmen vorschlagen, die für viel Empörung in den Kollegien gesorgt haben. Der Philologenverband stellt seine Position in dem Gespräch schon mal vorab klar.
Den Schulen in Deutschland steht nach Einschätzung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz beim Personal noch eine sehr lange Durststrecke bevor. «Das Problem des Lehrkräftemangels wird aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben», heißt es in der von den Bildungswissenschaftlern im Januar vorgestellten Stellungnahme.
Der Mangel bedrohe die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung und beeinträchtige auch die Qualität des Unterrichts. Vorgeschlagen wird eine ganze Liste von Maßnahmen, von denen jede einzelne in der Lehrerschaft für Empörung gesorgt hat: von der Mehrarbeit für Lehrkräfte über Hybridunterricht bis hin zu größeren Klassen. Die Experten sprechen sich zudem für eine Begrenzung der Möglichkeiten für Teilzeitarbeit aus – was bereits etliche Bundesländer umgesetzt haben.
„Angesichts des drängenden Arbeitskräftemangels ist es umso bedeutsamer, endlich die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte zu verbessern“
Jetzt (erst), knapp vier Monate nach Veröffentlichung des Gutachtens, gibt es ein Gespräch zwischen der SWK und den Lehrerverbänden. Im Vorfeld des morgigen Treffens hat der Deutsche Philologenverband schon mal seine Positionen untermauert – die den Ideen der KMK-Sachverständigen diametral entgegenlaufen.
Statt Lehrkräfte noch weiter zu belasten, müsse es darum gehen, die „Bestandslehrkräfte“ im System zu halten und den Lehrkräftemangel „multiperspektivisch“ zu bekämpfen. Dafür sei es unabdingbar, die derzeit aktiven Lehrkräfte an den Schulen spürbar zu entlasten, sie endlich regulär zu befördern und so ihrem möglichen frühzeitigen Ausscheiden entgegenzuwirken. Angesichts des drängenden Arbeitskräftemangels sei es umso bedeutsamer, endlich die Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte zu verbessern – auch um den Beruf attraktiv für den Nachwuchs zu halten. Sinnvolle Maßnahmen wären aus Sicht der Philologen:
- „ländereinheitliche Besoldung, die verfassungsgemäß und amtsangemessen ist,
- Beförderungen, um langjährigen Verbleib im Beruf zu sichern,
- Beförderungsgerechtigkeit für Lehrkräfte in den östlichen Bundesländern,
- Strukturell neue Perspektive für die Zukunft: Ziel von 130 % Abdeckung des Lehrkräftebedarfs, um 100 % Unterricht für die Schülerinnen und Schüler gewährleisten zu können,
- Einstellung professioneller Unterstützer für Aufgaben jenseits des Unterrichts (zum Beispiel IT- und Labor-Assistenten),
- Reduzierung der außerunterrichtlichen Aufgaben und Konzentration auf den Fachunterricht,
- attraktivere Gestaltung des Arbeitsplatzes Schule“.
Eine Erhöhung der Regelstundenzahl würde angesichts der seit Jahren bestehenden Überbelastung einen gegenteiligen Effekt haben. „Wir würden Lehrkräfte dadurch eher früher verlieren“, meint die Philologen-Bundesvorsitzende Prof. Susanne Lin-Klitzing. Sie wies darauf hin, dass zudem die Schülerzahlen in den Klassen der Gymnasien durchschnittlich am höchsten seien, hier könne nicht mehr draufgesattelt werden. Insbesondere die Gewinnung von MINT-Lehrkräften sei – nicht zuletzt angesichts der gesamtgesellschaftlich-technischen Entwicklung Deutschlands – eine stärker in Angriff zu nehmende Herausforderung durch die KMK.
„Der Unterricht an einem Gymnasium muss wissenschaftlich fundiert, gymnasial qualifiziert und wissenschaftspropädeutisch sein“
Auch setzt sich der Philologenverband dagegen zur Wehr, die Einstiegshürden für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in den Lehrkräfteberuf immer weiter zu senken. Lin-Klitzing: „Der Unterricht an einem Gymnasium muss wissenschaftlich fundiert, gymnasial qualifiziert und wissenschaftspropädeutisch sein. Dafür ist der Abschluss eines Lehramtsstudiums mit Staatsexamen oder einem vergleichbaren Masterabschluss inklusive eines Referendariats unabdingbar.“
Ein Bachelorabschluss reiche nicht – zumal es nicht zumutbar sei, so meint die Philologen-Chefin, den ohnehin über Gebühr belasteten Lehrkräften an allen Schularten auch noch die Aufgabe für die Ausbildungsbegleitung von Bachelorabsolventen an den Schulen zu übertragen. Hintergrund: Das Land Brandenburg sucht „Bildungsamtfrauen/-männer“ für Schulen, die lediglich einen Bachelor in nur einem Fach mitbringen müssen. Sachsen-Anhalt will sogar Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ohne Abitur und Studium für den Schuldienst einstellen (News4teachers berichtete). News4teachers
