Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen in Brandenburg hat sich im Schuljahr 2022/2023 deutlich erhöht. Die vier staatlichen Schulämter meldeten bis Anfang Juni 70 solcher Äußerungen oder Vorfälle, während 30 im gesamten Schuljahr 2021/2022 gezählt wurden, wie das Bildungsministerium mitteilte.
Nach der Auflistung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wurden bis Juni im Bereich des Schulamts Cottbus mit 27 die meisten rechtsextremistischen Fälle gemeldet, im gesamten Schuljahr 2021/2022 waren es dort 3. Das Ministerium verwies darauf, dass das Schuljahr 2021/2022 noch unter dem Zeichen der Corona-Krise stand.
In Brandenburg wurden im Schuljahr 2021/2022 auch 15 antisemitische und 14 fremdenfeindliche sowie 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle gezählt. Im Schuljahr 2022/2023 meldeten die Schulämter 6 antisemitische, 15 fremdenfeindliche und ebenfalls 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle.
An Thüringens Schulen stieg die Zahl der Verwendung verbotener verfassungswidriger Symbole und von Volksverhetzung laut Bildungsministerium auf 91 Fälle im Jahr 2022 nach 55 im Corona-Jahr 2021. Nach Ansicht des Ministeriums ist der Zuwachs Ausdruck des gesellschaftlichen Klimas, das sich teilweise zuspitze, extremistische Vorfälle prägten aber nicht das schulische Leben.
«Hakenkreuz-Schmierereien, NS-Parolen und Verharmlosungen von NS-Symboliken sind keine Bagatellen»
Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel aus Burg im Spreewald in Brandenburg hatten im April in einem Brandbrief tägliche rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht. Danach waren sie zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. Der Staatsschutz ermittelt. Beide Lehrer kündigten am Mittwoch an, die Schule wechseln zu wollen. Seit Bekanntwerden des Briefes nahmen die Meldungen solcher Vorfälle an Schulen zu.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält ein konsequentes Vorgehen für erforderlich. «Die Vorgänge an der Brandenburger Schule sind ein Alarmzeichen», sagte sie der «Welt am Sonntag». Freiheit, Demokratie, Toleranz und Pluralität müssten wenn nötig von allen verteidigt werden. Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller sagte der Zeitung, die Entwicklung in Burg müsse mit großer Sorge betrachtet werden. Er gehe aber davon aus, dass es sich dabei nicht um eine Brandenburger Besonderheit handle.
Müller hatte bereits vor zwei Wochen bei einem Fachgespräch zum Thema Extremismus in Cottbus, an dem auch Lehrkräfte teilnahmen, vor einer Verharmlosung des Rechtsextremismus gewarnt. Das sei aus Sicht seiner Behörde derzeit eine der größten Gefahren für die Demokratie. «Hakenkreuz-Schmierereien, NS-Parolen und Verharmlosungen von NS-Symboliken sind keine Bagatellen. Wenn im schulischen Umfeld so etwas auffällt, müssen wir als Gesellschaft reagieren», sagte Müller.
«Rechtssein ist heute bei einigen wieder „in“, das muss uns allen eine Warnung sein»
Schulen geraten nach Worten des Verfassungsschützers immer wieder ins Visier von Rechtsextremisten. «Sie versuchen, auch bei jungen Menschen an Schulen anschlussfähig zu sein», stellte Müller fest. Er nannte als Beispiel die rechtsextremistische Kleinstpartei Der Dritte Weg, deren Mitglieder Anfang Mai vor der Schule in Burg Flyer verteilt hatten. Die Polizei sprach einen Platzverweis auf, eine Kundgebung vor der Schule wurde verboten. Auch die Junge Alternative als Jugendorganisation der AfD – die der Brandenburger Verfassungsschutz seit dieser Woche offiziell als «gesichert rechtsextremistische Bestrebung» einstuft -, sei im Umfeld von Schulen sehr aktiv, verteile Sticker und Flyer und sei auch bei öffentlichen Sportveranstaltungen präsent.
«Es braucht nicht nur politische Bildung in Geschichte, sondern auch Medienkompetenz und Demokratiebildung», betonte Müller. «Rechtssein ist heute bei einigen wieder „in“, das muss uns allen eine Warnung sein.» Rechtsextreme nutzten bewusst Entgrenzung, um rechtsextremistische Argumente als vermeintlich legitime Positionen im öffentlichen Raum zu etablieren. «Sie vereinfachen komplexe Probleme, erklären Fakten als Lügen oder umgekehrt und verschieben in der Sprache die Grenzen», so der Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes. Bei jungen Menschen wirke dies leider noch stärker.
Müller warnte allerdings auch: «Dies sollte und darf nicht auf Probleme in der Schule verengt werden.» Es gehe um das Geflecht von Rechtsextremismus.
«Es ist in unserem Interesse, dass wir weltoffen auftreten, um wirtschaftlich eine Zukunft zu haben»
Unterdessen wachsen die Befürchtungen, das die Übergriffe Konsequenzen auch für die örtliche Wirtschaft haben. Der Rechtsextremismus ist nach Ansicht der Entwicklungsgesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz eine der größten Gefahren für die ökonomische Entfaltung der aufstrebenden Region. «Wir sind jetzt schon nicht mehr in der Lage, die offenen Stellen zu besetzen», sagte Geschäftsführer Heiko Jahn, «Es ist in unserem Interesse, dass wir weltoffen auftreten, um wirtschaftlich eine Zukunft zu haben.» Jahn warnte: «Ohne ausländische Fachkräfte werden wir unseren Lebensstandard gar nicht halten können.»
Nicht nur an Schulen kommt es zu rechten Vorfällen. In einer Ferienanlage in Heidesee (Landkreis Dahme-Spreewald) meldete die Polizei im Mai mutmaßlich rassistische Anfeindungen gegen Schüler aus Berlin. Erst vergangene Woche wurden Kinder aus einer deutsch-spanischen Schülergruppe dort rassistisch beleidigt. Unbekannte Täter warfen in Spremberg (Landkreis Spree-Neiße) im Juni einen Brandsatz auf eine Regenbogenfahne – ein Zeichen für Vielfalt -, die am Glockenstuhl einer Kirche hing.
In Brandenburg wird im nächsten Jahr ein neuer Landtag gewählt. Laut einer Umfrage von Anfang Juli ist die AfD dort mit 28 Prozent stärkste Partei. News4teachers / mit Material der dpa

