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Nie wieder Burnout! Der Lehrerberuf muss zurück zu seinen Wurzeln: dem Unterrichten – ein News4teachers-Leser kommentiert

DÜSSELDORF. Die Arbeitsbedingungen im Lehrerberuf stehen immer wieder im Fokus von News4teachers. Kein Wunder angesichts der Lage: Der Lehrkräftemangel nimmt zu, weil einerseits immer weniger junge Menschen in den Schuldienst streben, andererseits eine (Früh-)Pensionierungswelle durch die Kollegien rollt. Dadurch steigen die Belastungen im Beruf – mit der Folge, dass die Krankmeldungen zunehmen, was die verbliebenden Kräfte noch stärker belastet. Ein Teufelskreis. Ohne Ausweg? News4teachers-Leser Papo, Lehrer aus Nordrhein-Westfalen, beschreibt im folgenden Beitrag – der zunächst im Leserforum veröffentlicht wurde -, was unternommen werden müsste.

Zurück zu den Kernaufgaben des Lehrerberufs – fordert unser Gastautor. Illustration: Shutterstock

Papo, 28.11.2022 um 17:29 Uhr

Als jemand, der bereits einen (schwereren) Burnout hatte (vor meinem Lehrerdasein), schreibe ich: Nie wieder! Meine Work-Life-Balance werde ich nie wieder derart erodieren (lassen), wenngleich dies negative Effekte auf die Qualität meines Unterrichts zeitigt. Aber diesen Schuh muss ich mir nicht anziehen (lassen):

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Natürlich kenne ich Kollegen, die leben – wie es scheint – ausschließlich für ihren Beruf, planen auch nach Jahren jede einzelne Stunde bis ins letzte Detail, konzipieren auch in den Sommerferien 2/3 der Ferienzeit über Unterrichtsreihe um Unterrichtsreihe, haben keinerlei Probleme mit unzähligen Konferenzen, die sie bisweilen auch selbst bis in den späten Abend überziehen etc. Ich kenne auch Kollegen, die unangebrachte Schuldgefühle haben, wenn sie sich nicht derart aufopfern (zum Wohle der Kinder/Jugendlichen, die ja für die verkorksten Rahmenbedingungen – siehe im Folgenden – nichts können). Aber das ist aber nicht meine Auffassung der Lehrerprofession und ich lasse mich auch nicht in entsprechende Geiselhaft nehmen.

“Die miserablen Rahmenbedingungen, die Torpedierung der Hauptaufgaben der Lehrerprofession frustieren mich”

Ja, meiner Meinung nach ist es wichtig, dass sich Lehrer endlich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können: Das Unterrichten bzw. Qualifikation, Selektion und Allokation. Das möchte ich auch. Ich ziehe den Wert meiner Profession aus der Relevanz der gesellschaftlichen Aufgabe, die ich eigentlich erfülle, nicht weil ich „all mein Fühlen, Denken und Handeln im Beruf auf das Wohl der mir anvertrauten Kinder hin“ (Klaus Zierer) ausrichten würde, das ist nicht meine Aufgabe (siehe hier). Aber die Bildungspolitik erschwert mir die Wahrnehmung dieser Aufgabe massiv, macht sie zum Teil unmöglich.

Und das ist es, was mich frustriert. Das ist es, was auch viele Kollegen psychisch zermürbt: Die miserablen Rahmenbedingungen, die Torpedierung der Hauptaufgaben der Lehrerprofession. Was alles schief läuft, lässt sich anhand der folgenden Desiderata erahnen. Denn wir brauchen all das Folgende – in a nutshell (vergleiche hier):

Und weil all das nicht gegeben ist, geht es i. S. e. Abwärtsspirale… ja, abwärts halt, mit anhaltender Beschleunigung. Und da sind wir beim Ausgangspunkt: Die Desiderata zeigen uns, woran es fehlt und womit die Kernaufgabe der Lehrerprofession sukzessive unterminiert wird.

“Das Resultat ist dann am Ende auch das, was wohl ohnehin zunimmt: Nur noch Dienst nach Vorschrift”

Die allerortens (auch politisch protegierte) Anpassung nach unten hin ist eines der Symptome. Man merkt es ja vielleicht auch selbst, zum Beispiel in einem Jahr wie diesem, das deutlich verkürzt wird, ohne dass die Rahmenbedingungen angepasst werden:
Da mussten (hier in NRW beispielsweise) in der Unter-/Mittelstufe trotzdem noch drei Klassenarbeiten bis zu den Weihnachtsferien geschrieben werden, egal wie viele Klassen/Kurse man in den Stufen hat, egal wie viele Oberstufenkurse inklusive Klausuren man betreuen muss, egal wie hoch der Krankenstand ist, egal wieviele Stunden zusätzlich ausfallen, egal wie viele (redundante) Konferenzen einem gleichzeitig oktroyiert werden, egal ob noch Tage der offenen Türen, Qualitätsanalysen und Co. ins Haus stehen… und wenn man dann nicht selbst krank wird, dann werden zumindest oftmals die Leistungsüberprüfungen angepasst, vulgo simplifiziert, einfach damit man die schiere Menge an Klassenarbeiten/Klausuren überhaupt noch vor Notenschluss korrigiert bekommt (bspw. lieber multiple-choice-Aufgaben zum Abhaken, statt Freitextformate) – ich kann mich davon nicht freimachen, aber es ist nicht das, was ich eigtlich im Sinn habe, was der Bedeutung meiner Aufgabe angemessen wäre.

Und gegen Ende des Schuljahres werden unzählige Defizite plötzlich wieder gerade noch so keine Defizite mehr sein… damit man nicht auch in den Sommerferien Bestehensprüfungen für Schüler konzipieren muss, die ja in der Regel im Gros nicht ohne Grund nicht versetzt werden und bei denen regelmäßig auch eindeutig ist, dass sie die Bestehensprüfung nicht schaffen werden. So erlebe ich das regelmäßig: Von den circa zwei Dutzend 9-ern, die eigentlich nicht versetzt wären, bleibt nach den Zeugniskonferenzen dann, wie durch ein Wunder, noch ein halbes Dutzend (die Hälfte davon dann wieder bei mir), weil man sich nicht mit Widersprüchen auseinandersetzen, weil man seine Freizeit nicht opfern will. Und ich kann es den Kollegen nicht verübeln, denn es ist eines der vielen systemischen Probleme, die zur massiven Erosion unseres Bildungssystems beitragen.

Und all das frustriert… und jemand mit weniger Resilienz oder mit höheren (vulgo: illusorischen) Ansprüchen an seinen Unterricht und vielmehr die heutige Schülerschaft, mit mehr Mitgefühl für seine Schüler (und der Attitüde alle ‚retten‘ zu wollen) mag da in den Burnout getrieben werden. Es ist ja auch zum Verzweifeln.

Das Resultat ist dann am Ende auch das, was wohl ohnehin zunimmt: Nur noch Dienst nach Vorschrift (oder moderner: quiet quitting). Nicht falsch verstehen: Das ist nicht, was ich will… aber das ist ein Selbstschutzmechanismus, der wohl vielen der Ausweg sein wird, wenn das System nicht eine 180°-Drehung zu seinen Wurzeln vornimmt. News4teachers

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