BERLIN. Der VBE und der dbb beamtenbund und tarifunion hatten die Bundesländer zum heutigen Auftakt der Tarifverhandlungen aufgefordert, nicht zu taktieren – und sofort einen verhandlungsfähigen Vorschlag zu machen. Offenbar vergeblich. Nach Gewerkschaftsangaben wurde kein Angebot vorgelegt. „Leider zelebriert die Arbeitgeberseite das übliche Prozedere und opfert die Wertschätzung für Lehrkräfte und alle an Schule Beteiligten auf dem Altar der Rituale”, erklärte die stellvertretende VBE-Bundesvorsitzende Rita Mölders nach Ende der ersten Gesprächsrunde am Nachmittag.
„Anstatt ein Zeichen zu setzen, Wertschätzung zu vermitteln und die Attraktivität des öffentlichen Dienstes und des Lehrberufs zu steigern, geht nun unnötig Zeit ins Land, bis die überfällige und notwendige Anpassung der Gehälter in die Wege geleitet werden kann. Auch wenn es nicht anders zu erwarten war, ist hier eine große Chance vertan worden. Die Verantwortlichen kommen über Lippenbekenntnisse nicht hinaus“, so Mölders, die den Arbeitsbereich Tarifpolitik des VBE verantwortet. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro mehr Gehalt. Der Tarifabschluss soll eine Laufzeit von einem Jahr haben.
„Jede Verzögerung muss vermieden werden“, so hatte Mölders zuvor erklärt. Denn: „Die Not in den Schulen ist aufgrund des Personalmangels an manchen Schulen bereits erdrückend.“ Weiter erklärt sie: „Was motiviert junge Menschen, die sich in der Berufswahl befinden noch, nicht für mehr Geld in die Wirtschaft zu gehen? Um dies zu verhindern, brauchen wir dringend eine Erhöhung der Tabellenentgelte und mehr Sicherheiten beim Übergang zwischen Ausbildung und Beruf. Jeder verschenkte Monat ist jetzt einer zu viel. Wir haben an den Ergebnissen der TVöD-Runden zu Beginn des Jahres, aber auch in konkreten Projekten wie dem Digitalpakt oder den Unterstützungen nach Corona gesehen, was geht, wenn die Verantwortlichen wollen. Diesen Einsatz und Willen brauchen wir auch in den anstehenden Verhandlungen.“
VBE-Bundesvorsitzender Gerhard Brand sagte nach der Verhandlungsrunde: „Es ist enttäuschend, dass nach all den Bekenntnissen für bessere Arbeitsbedingungen in den Schulen eine derart konkrete Chance vertan wird, unmittelbare Verbesserungen möglichst schnell durchzusetzen. Wer es ernst meint mit Aufwertungen im Bildungssystem und wer mehr Menschen für diesen großartigen Beruf begeistern möchte, muss auch liefern.“
“Warum sollten junge Leute denn zum Land gehen, wenn sie bei Bund, Kommunen oder gar der Privatwirtschaft im gleichen Job mehr verdienen können?”
Die GEW schlug in die gleiche Kerbe. „In Runde zwei in der nächsten Woche müssen sich die Arbeitgeber bewegen. Die Beschäftigten spüren die Inflation weiterhin im Geldbeutel, sie erwarten in dieser Situation ein deutliches Signal und kräftige Gehaltserhöhungen. Die Gewerkschaften haben sich klar und deutlich positioniert“, befand die Gewerkschaftsvorsitzende Maike Finnern.
„Die Inflation hat den Beschäftigten in den vergangenen zwei Jahren seit dem bisher letzten Tarifabschluss einen Rucksack gepackt, für den die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt Entlastung brauchen. Die Preise steigen aktuell zwar etwas langsamer, aber die Inflation macht keine Pause. Die Lebenshaltungskosten nagen kräftig am Einkommen: Essen, Trinken, Miete“, betonte Finnern. „Der Abschluss für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen vom Frühling hat einen Maßstab gesetzt, an dem sich die Länderarbeitgeber orientieren müssen.“
Die GEW-Vorsitzende unterstrich, dass die Länderbeschäftigten hoch motiviert und engagiert seien. Sie hätten in den jüngsten Krisen gezeigt, welche gesellschaftliche Bedeutung ihre Arbeit in Schulen, Kitas und Hochschulen hat. Gerade der dramatische Lehr- und Fachkräftemangel an den Schulen bringe viele Pädagoginnen und Pädagogen ans Limit. „Da muss dann zumindest das Gehalt stimmen – auch und gerade um wieder viel mehr junge Menschen bei der Berufswahl für den eigentlich wunderbaren Lehrberuf zu gewinnen“, hob Finnern hervor. „Wir fordern die TdL auf, die Eingruppierungsregelungen für die angestellten Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte endlich weiter zu entwickeln. Seit einem halben Jahrzehnt sitzen die Arbeitgeber dieses Thema aus. Im Schulbereich brennt die Hütte.“
Auch dbb Chef Ulrich Silberbach hatte vor Beginn der Gespräche eine zügige und konsensorientierte Verhandlungsführung von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gefordert. „Wenn schon nicht aus Respekt und Gerechtigkeit für die eigenen Beschäftigten, müssten die Länder uns aus schierem Eigeninteresse sofort ein konsensfähiges Angebot vorlegen. Denn sie drohen auf dem Arbeitsmarkt bei Bezahlung und Wettbewerbsfähigkeit in einen ruinösen Rückstand zu geraten“, meinte er.
Die gewerkschaftliche Forderungen seien zeitgemäß, verhältnismäßig und finanzierbar, so der dbb Chef: „Wir müssen in den nächsten zehn Jahren altersbedingt im öffentlichen Dienst über ein Viertel der Beschäftigten ersetzen. Warum sollten junge Leute denn zum Land gehen, wenn sie bei Bund, Kommunen oder gar der Privatwirtschaft im gleichen Job mehr verdienen können? Wir fordern einen Gleichklang in der Bezahlung über alle Gebietskörperschaften hinweg.“
Der Verhandlungsführer der Bundesländer, Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel, ließ hingegen erkennen, dass mit einer schnellen Einigung nicht zu rechnen ist. Er bezifferte die Höhe der Gewerkschaftsforderungen auf insgesamt 20,7 Milliarden Euro. „Das können die Länder nicht leisten”, sagte der SPD-Politiker. Er hoffe, dass sich am Verhandlungstisch bis Weihnachten eine Lösung finden lasse. News4teachers
Hintergrund: Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen – darunter rund 800.000 Lehrkräfte: Direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Es sind drei Verhandlungsrunden für den 26. Oktober, den 2. bis 3. November sowie den 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart. News4teachers / mit Material der dpa