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Söder nennt Pisa-Schock “Schlag ins Gesicht Deutschlands” – und kündigt Genderverbot an Bayerns Schulen an

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MÜNCHEN. Die aktuellen Pisa-Ergebnisse für Deutschland sind so schlecht wie noch nie. Das sorgt auch in Bayern für Unruhe. Erste Ankündigung von Ministerpräsident Söder nach Veröffentlichung der Studie: Das Gendern wird an den Schulen im Freistaat verboten. Die Lehrerverbände zeigen sich irritiert. Die Kultusministerin wusste von nichts.

«Haben wir keine anderen Probleme in Deutschland?» Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) setzt auf Kulturkampf. Foto: photocosmos1 / Shutterstock

Der starke Leistungsabfall deutscher Schülerinnen und Schüler bei der internationalen Vergleichsstudie Pisa wühlt auch in Bayern die Gemüter auf. Die aktuellen Ergebnisse seien «schon ein Schlag ins Gesicht Deutschlands», sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag im bayerischen Landtag. «Wir müssen die Grundtechniken in den Schulen verbessern, um eine bessere Bildung zu erreichen.»

Unmittelbar danach kündige Söder an, das Gendern in Schulen und in Behörden des Freistaats zu verbieten. «Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen», sagte der CSU-Chef in seiner ersten Regierungserklärung in der neuen Legislaturperiode. Zugleich warf er der Ampel-Regierung im Bund vor, mit Vorhaben wie der Cannabis-Legalisierung, dem Gendern und dem Selbstbestimmungsrecht zu überziehen: «Haben wir keine anderen Probleme in Deutschland?»

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Neben der Opposition forderten auch Lehrerverbände im Freistaat Konsequenzen aus den schlechtesten Werten, die je im Rahmen von Pisa für Deutschland gemessen wurden. «Die Pisa-Ergebnisse spiegeln schonungslos unser veraltetes, verkrustetes bayerisches Schulsystem wider. Hätte die Söder-Regierung früher gegengesteuert, würde es unseren Schülerinnen und Schülern heute besser ergehen», betonte die bildungspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Gabriele Triebel. «Wir brauchen mehr Lehrkräfte und modernen Unterricht, eine gute Ganztagsbildung und multiprofessionelle Teams – auch, um jedem Kind einen gleichberechtigten Start zu ermöglichen.»

«Studien nur zur Kenntnis zu nehmen, reicht nicht – genaues Hinschauen und Handeln sind das Gebot der Stunde»

Die neue Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) versprach auf Anfrage, dem Leistungsabfall auch an Bayerns Schulen mit aller Kraft entgegenzuwirken – auch wenn sich die Pisa-Ergebnisse zunächst auf ganz Deutschland und nicht speziell auf Bayern bezögen. «Wir werden hier sämtliche wissenschaftliche Ergebnisse mit einbeziehen, um zukünftig noch gezielter insbesondere die Basiskompetenzen stärken zu können.» Bereits bestehende Maßnahmen würden ausgebaut und auch Neues geschaffen. Gerade Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund solle zudem noch mehr beim Lesenlernen geholfen werden, unterstrich Stolz.

Über das geplante Genderverbot war Stolz von Söder nicht zuvor informiert worden. Entsprechend zurückhaltend äußerte sie sich zu dem Vorstoß des Regierungschefs: «Wir haben an den Schulen bereits einen klaren Leitfaden zur sprachlichen Repräsentanz der Geschlechter. Wir werden jetzt prüfen, ob es Änderungsbedarf gibt. Eines ist mir ganz wichtig: Wir wollen und werden gute und verlässliche Regelungen für alle Beteiligten finden.»

«Studien nur zur Kenntnis zu nehmen, reicht nicht – genaues Hinschauen und Handeln sind das Gebot der Stunde», mahnte der Vorsitzende des bayerischen Philologenverbandes, Michael Schwägerl. Gerade die weitere Abnahme der Lesekompetenz sei alarmierend, weil gutes Lesenkönnen die Grundlage für eine erfolgreiche Schullaufbahn, das spätere Berufsleben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben seien. Auch die Vorsitzende des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands BLLV, Simone Fleischmann, forderte mit Blick auf eine individuelle Förderung des Nachwuchses und bessere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte: ««Es reicht jetzt mit den Analysen. Wir brauchen endlich Taten!»

Das angekündigte Gender-Verbot an Bayerns Schulen stößt bei den Bildungsverbänden auf viel Kritik und Ablehnung. Der bayerische Elternverband betonte, ihn lasse «diese Stichelei gegen die Ampelregierung unbeeindruckt». Söder stelle nur «in populistischer Art die geltende Rechtslage dar, wonach Deutsch die Amtssprache in bayerischen Schulen und Behörden ist». Der Vorsitzende des Realschullehrerverbandes (brlv), Ulrich Babl, erklärte: «An den bayerischen Realschulen ist Gendern kein nennenswertes Thema, eine Genderpflicht lehnen wir jedoch klar ab.» Die hat aber auch keiner gefordert.

Es sollte selbstverständlich sein, Schülerinnen und Schüler sprachsensibel und gleichberechtigt zu unterrichten, sagte Babl. Ein einfaches Beispiel hierfür sei die Berücksichtigung unterschiedlicher Berufsbezeichnungen wie Feuerwehrmann und Feuerwehrfrau. «Bei der Überwindung tradierter Rollenbilder setzen wir uns jedoch in erster Linie für eine Erweiterung der Entwicklungschancen und beruflichen Perspektiven aller Kinder und Jugendlichen ein.»

«Ein hartes Verbot neuer Schreibweisen halte ich (…) nicht für notwendig und zielführend»

Der Philologenverband setze sich dafür ein, dass in bayerischen Schulen sorgfältig mit der deutschen Sprache umgegangen werde, so Verbandschef Schwägerl. «Das bedeutet, dass man offen für neue Formen ist, die zum Beispiel Frauen und Männer gleich behandeln, aber diese nicht vorschnell einführt, bevor sich die Sprechergemeinschaft dahinter stellt und ein klares Regelwerk entstanden ist.» Wegen der wachsenden Zahl an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sei für den Spracherwerb eine klare Orientierung notwendig. «Wer noch mit den drei grammatischen Geschlechtern und den richtigen Artikeln der deutschen Sprache kämpft, braucht keine zusätzlichen Schwierigkeiten.»

Aber, so Schwägerl: «Ein hartes Verbot neuer Schreibweisen halte ich (…) nicht für notwendig und zielführend. Es bestünde damit eher die Gefahr einer weiteren Spaltung und Polarisierung in der Schulgemeinschaft.»

«Was Deutsch ist, wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung definiert», betonte auch Martin Löwe, Landesvorsitzender des Elternverbands. Dieser habe unlängst klargestellt, dass die Aufnahme von Asterisk (Gender-Stern), Unterstrich (Gender-Gap), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk nicht beabsichtigt sei. «Ministerpräsident Söder verrät uns nicht, welche Sanktionen von ihm bei Zuwiderhandlung intendiert sind. Ein Verbot ohne Sanktionen hat allenfalls symbolischen Charakter.» News4teachers / mit Material der dpa

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