BERLIN. Die Bildungsministerinnen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben in Berlin einen Katalog an Vorschlägen vorgelegt, wie die Bildung in Deutschland bis 2035 verbessert werden kann. Sie benennen über Partei- und Ländergrenzen hinweg konkrete Ziele für die Verbesserung von Schülerleistungen, die in den nächsten zehn Jahren erreicht werden sollen. „Ein solch abgestimmter Vorschlag ist ein Novum in der Geschichte des deutschen Bildungsföderalismus“, so heißt es bei der Wübben Stiftung Bildung, die den gemeinsamen Vorstoß orchestriert hat.
„Schule muss sich wandeln: Sie muss immer mehr Lebensort werden, um ein guter Lernort zu sein. Wir müssen allen Kindern Bildungschancen eröffnen und technologischen Wandel für das Lehren und Lernen nutzbar machen“, sagt Stefanie Hubig (SPD), Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz. Sie betont: „Mit unserem Impuls zeigen wir: Gute und gerechte Bildung ist möglich, wenn wir frei von Ideologie und Parteipolitik die großen Herausforderungen gemeinsam anpacken. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung für die Bildung. Dazu haben wir Ziele festgelegt, die parteiübergreifend und in allen Bundesländern Akzeptanz finden können und für die wir auch die künftige Bundesregierung gewinnen wollen.“
Die Ziele nehmen folgende Aspekte in den Blick: die frühe Bildung, die Kompetenz- und Leistungsentwicklung der Kinder und Jugendlichen, die Bildungschancen und Schule als Lern- und Lebensort. Die Ziele sind mit messbaren Indikatoren hinterlegt.
Karin Prien (CDU), Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, betont: „Wir müssen die strategischen Bildungsziele in Deutschland in den Blick nehmen. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam in ihren jeweiligen Zuständigkeiten für die Bildung arbeiten. Die wesentlichen Indikatoren müssen im föderalen Wettbewerb klar sein. Es muss zukünftig möglich sein, datenbasiert zu steuern, und nicht nur Ziele zu messen, sondern auch Fortschritte systematisch zu überprüfen und die Weiterentwicklung zu optimieren.“
Als Ziele, die sie bis zum Jahr 2035 leiten sollen, benennen die Bildungsministerinnen konkret:
- „Frühe Bildung: Wir setzen auf eine bessere Verzahnung von Elementarbe reich und Grundschule sowie auf abgestimmte Förderketten mit Evaluationskultur, die die Eltern mit einbeziehen.
- Kompetenz- und Leistungsentwicklung: Alle Kinder und Jugendlichen sollen mit der Unterstützung durch Kitas und Schulen ihr volles Potenzial ausschöpfen können.
- Bildungschancen: Alle Lernenden sollen unabhängig von ihrer Herkunft am Ende ihrer Schulzeit die notwendigen Kompetenzen erreichen, um ein selbstbestimmtes Leben führen und aktiver Teil unserer demokratischen Gesellschaft sein zu können.
- Schule als Lern- und Lebensort für gelingende Persönlichkeitsentwicklung: Wir unterstützen die Auseinandersetzung der Lernenden mit sich selbst im Kontext der unmittelbaren und globalen Umwelt und unterstützen so die Entwicklung zu selbstbe wussten Persönlichkeiten und die Stärkung der seelischen und körperlichen Gesundheit.“
Die drei Ministerinnen haben sich auf folgende konkrete Indikatoren verständigt, wie sich die Ziele operationalisieren lassen:
- Bildungsminimum absichern: 50 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht erreichen (Ziel des Startchancen-Programm)
- Bildungsniveau steigern: 20 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler, die die Regelstandards in Deutsch und Mathematik erreichen oder übertreffen
- Leistungsspitze fördern: 30 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler, die die Optimalstandards in Deutsch und Mathematik erreichen
- Stärkung der Bildungsgerechtigkeit: Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzen, identifiziert über den sozialen Gradienten im IQB-Bildungstrend, sinkt um 20 Prozent.
- Abschlüsse absichern: 50 Prozent weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne ersten Schulabschluss.
Um die Ziele und ihre Indikatoren zu erreichen, kündigen die Politikerinnen an, sich auf folgende Maßnahmen zu konzentrieren: „Wir erhöhen die Qualität des Lernens und Lehrens in unseren Schulen, indem wir einen kognitiv anregenden, konstruktiv unterstützenden und auf die individuellen Bedarfe ausgerichteten Unterricht ermöglichen, der auf innovativen Konzepten der Fachdidaktiken fußt und in einer Schule stattfindet, die eine Kultur des Wohlbefindens und der Zugehörigkeit vermittelt. Wir etablieren eine Kultur der Evaluation und der Verantwortung und wechseln zu einer datengestützten Entwicklungs- und Lernverlaufs-Diagnostik, die den gesamten Bildungsverlauf im Rahmen einer kohärenten Datenstrategie berücksichtigt, und stellen sicher, dass in den Bundesländern die rechtlichen und technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.“
Die Bildungsministerinnen wollen mit den Kommunen und Trägern „aktiv an einem besseren, rechtskreisübergreifenden Zusammenwirken aller Bildungs- und Unterstützungssysteme“ arbeiten. „Wir benötigen an den Schulen einen mehrdimensionalen Blick auf die Kinder und Jugendlichen. Dazu unterstützen wir die bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen in den Schulen und setzen uns für eine kooperative Schulkultur ein.“
„Bisher war die Bildungspolitik zwischen den Ländern in ihrer Zielsetzung unabgestimmt und messbare Ziele über Landesgrenzen hinweg nicht vorhanden“
Last but not least: „Wir stärken die Demokratiebildung. Das kulturelle Erbe, die Geschichte des Landes und die Freiheiten, die das Grundgesetz ermöglicht, wollen wir stärker mit den Lernenden thematisieren und so ihre Kritikfähigkeit, ihr Urteilsvermögen, aber auch ihre Bereitschaft erhöhen, sich aktiv in dieser Gesellschaft einzubringen.“
Zu den Zielen und Indikatoren erläutert Theresa Schopper (Grüne), Bildungsministerin in Baden-Württemberg: „Wir wollen mit unserem Vorschlag kurz vor der Bundestagswahl zur Diskussion anregen und zugleich konkrete Vorschläge liefern, wie wir das Bildungssystem in Deutschland gemeinsam verbessern können.“
Der Prozess hin zur Vorschlagsliste „Bessere Bildung 2035“ wurde von der Wübben Stiftung Bildung moderiert. Geschäftsführer Markus Warnke würdigt den Vorstoß: „Bisher war die Bildungspolitik zwischen den Ländern in ihrer Zielsetzung unabgestimmt und messbare Ziele über Landesgrenzen hinweg nicht vorhanden. Dieses Land hat eine Verantwortung für alle Kinder und Jugendlichen und deren Bildungserfolg. Deswegen ist es unerlässlich, dass sich die Bundesländer, unabhängig von ihrer Eigenständigkeit, für die Erreichung von klaren Zielen gemeinsam verantwortlich fühlen und entsprechend handeln.“ News4teachers
Die Wübben Stiftung Bildung ist zudem Herausgeberin einer begleitenden Publikation, in der die erarbeiteten Inhalte detailliert vorgestellt und gerahmt werden. Hier lässt sie sich herunterladen.
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