MÜNCHEN. Ein neuer Schulstart, alte Fragen: Die Deutsche Presseagentur (dpa) hat für Eltern beim Bayerischen Kultusministerium nachgefragt, was Lehrkräfte im Alltag dürfen – und was nicht. Herausgekommen ist eine Liste, die in vielen Punkten durchaus hilfreich wirkt, um Missverständnisse zu vermeiden. Aber stellenweise reibt man sich als Lehrkraft schon verwundert die Augen.
Denn da taucht allen Ernstes die Frage auf: Darf eine Lehrkraft Schülerinnen oder Schüler schlagen? – als ob es ernsthafte Zweifel daran gäbe, dass körperliche Züchtigung längst verboten ist. Jeder weiß das. Eigentlich. Und doch steht es schwarz auf weiß: „Nein. Körperliche Züchtigung ist laut dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) verboten und wird vom Kultusministerium nach eigener Aussage in keiner Weise geduldet.“
Dass es dennoch öffentlich so betont wird, lässt tief blicken: Lehrerrechte und -pflichten werden längst nicht mehr stillschweigend vorausgesetzt, sondern im Zweifel für Eltern buchstabiert. Weitere Fragen ans Kultusministerium – und die Antworten (in der Diktion der dpa):
Wie viele Schulaufgaben (Klassenarbeiten) dürfen pro Woche geschrieben werden? „Die Vorgaben sind abhängig von der Schulart und in der Schulordnung der jeweiligen Schulart geregelt. Beispielsweise darf an Realschulen und Gymnasien höchstens eine Schulaufgabe an einem Tag geschrieben werden, in einer Kalenderwoche sollen es nicht mehr als zwei sein.“
Darf es am Tag einer Schulaufgabe zusätzliche Prüfungen geben? „Auch dies ist abhängig von der jeweiligen Schulart. In Realschulen etwa werden an Tagen, an denen die Klasse eine Schulaufgabe oder eine Kurzarbeit schreibt, keine Stegreifaufgaben abgehalten. In den Gymnasien entscheidet die Lehrerkonferenz, welche kleinen Leistungsnachweise in den Jahrgangsstufen 5 bis 11 an solchen Tagen möglich sind.“
Darf eine Lehrkraft das Trinken im Unterricht verbieten? „Soweit dies zu keinen Störungen im normalen Stundenverlauf führt, sollte aus Sicht des Kultusministeriums das Trinken im Unterricht akzeptiert werden, weil Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit maßgeblich von einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr abhängen. Nichtsdestotrotz könne die Lehrkraft aus verschiedenen Gründen das Trinken einschränken oder auch verbieten.“
Darf eine Lehrkraft Toilettengänge während des Unterrichts verbieten? „Für Toilettengänge besteht während der Pausen und beim Stundenwechsel Gelegenheit. Gleichwohl sollen Schülerinnen und Schüler laut Ministerium ‚glaubwürdig vorgebrachten unaufschiebbaren körperlichen Bedürfnissen auch während des Unterrichts folgen dürfen‘.“
Darf eine Lehrkraft auf der Suche nach einem Spicker Hosentaschen oder Ranzen durchsuchen? „Lehrkräfte verfügen nicht über das Recht, Taschen und Personen zu durchsuchen.“
Darf eine Lehrkraft herumgereichte Zettel konfiszieren? „Gegenstände, welche den Unterricht oder die Ordnung der Schule stören, können weggenommen und sichergestellt werden.“
Darf eine Lehrkraft Handys kontrollieren? „Bei nicht erlaubter Verwendung kann ein digitales Endgerät vorübergehend einbehalten werden. Das Durchsuchen des Handys ist der Lehrkraft nicht gestattet.“
Darf eine Lehrkraft den Klassenchat überwachen? „Klassenchats sind nicht Teil der schulischen IT-Infrastruktur. Somit sind Lehrkräfte regelmäßig nicht Mitglied dieser Chatgruppen und können auch nicht verlangen, diesen hinzugefügt zu werden.“
Darf eine Lehrkraft etwa bei Verdacht auf Cybermobbing die Social-Media-Profile von Schülerinnen und Schülern durchsuchen? „Bei einem Verdacht auf strafrechtlich relevante Vorkommnisse wie besonders schwere Fälle von Bedrohung oder Beleidigung sind Lehrkräfte verpflichtet, unverzüglich die Schulleitung zu informieren, welche ihrerseits die Strafverfolgungsbehörden informiert. Die Lehrkräfte selbst durchsuchen dabei das Mobiltelefon oder das Social-Media-Profil der Betroffenen nicht.“
Darf eine Lehrkraft Schülerinnen und Schüler zur Strafe in die Ecke stellen, vom Unterricht ausschließen oder nachsitzen lassen? „Lehrkräfte dürfen anlassbezogen pädagogische Erziehungs- sowie Ordnungs- und Sicherungsmaßnahmen ergreifen, um den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule zu sichern oder Personen und Sachen zu schützen. Heißt im Klartext: Wer im Unterricht nicht aufpasst, kann zum Nachsitzen verdonnert werden. Auch der vorübergehende Ausschluss vom Unterricht oder von Schulveranstaltungen ist zulässig. ‚Alle Maßnahmen werden dabei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgewählt‘, betont das Ministerium. Demütigend darf die Maßnahme jedoch nicht sein.“
Darf eine Lehrkraft Schülerinnen und Schüler anschreien? „Ein direktes Verbot gibt es nicht. Aber ein wertschätzender Umgangston ergibt sich alleine schon aus dem ersten Artikel des BayEUG, wonach zu den obersten Bildungszielen die Achtung vor der Würde des Menschen und Selbstbeherrschung zählen. Die Aufgabe der Schulen ist es auch, den Nachwuchs zu Toleranz, friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen zu erziehen. ‚Gegenseitiges Anschreien widerspricht selbstverständlich der Auffassung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit‘, betont das Ministerium.“
Darf eine ganze Klasse für das Fehlverhalten einzelner bestraft werden? „Die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegenüber Klassen oder Gruppen als solche sind unzulässig.“
Darf eine Lehrkraft Noten laut vor der Klasse bekanntgeben? „’Das namentliche Verlesen der Noten aller Schülerinnen und Schüler vor der gesamten Klasse ist in der Regel pädagogisch weder sinnvoll noch erforderlich und damit in datenschutzrechtlicher Hinsicht grundsätzlich unzulässig’, betont das Kultusministerium in aller Klarheit.”
Darf eine Lehrkraft Schülerinnen und Schüler berühren, etwa sie tröstend in den Arm nehmen? „Offizielle Vorgaben hinsichtlich Berührungen gibt es nicht. Letztlich sollen Lehrkräfte im Einzelfall situationsgerecht reagieren. ‚Insbesondere im Bereich der Grundschule können Körperkontakte zwischen der Lehrkraft und den ihr anvertrauten Schülerinnen und Schülern nicht nur im Hinblick auf den bestehenden Erziehungsauftrag situationsbedingt durchaus auch pädagogisch geboten und sinnvoll sein‘, betont das Ministerium. ‚Die Lehrkräfte entscheiden hier individuell und in pädagogischer Verantwortung.‘“
Darf eine Lehrkraft Eltern von volljährigen Schülerinnen und Schülern über deren persönliche Probleme informieren? „Grundsätzlich ist die Schule verpflichtet, die Erziehungsberechtigten möglichst frühzeitig über wesentliche persönliche Vorgänge zu unterrichten, besonders bei einem auffallenden Absinken des Leistungsstands. Dies gilt auch bei volljährigen Schülerinnen und Schülern unter 21 Jahren. Etwaige gesetzliche Schweigepflichten wie etwa von Schulpsychologen bleiben davon unberührt.“ News4teachers
