BERLIN. Eine Grundschule im Berliner Prenzlauer Berg, die sich selbst als „Dorf“ versteht, hat den mit 100.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis 2025 gewonnen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte die Auszeichnung – und nutzte die Preisverleihung für eindringliche Worte über Bildungsungleichheit, Lehrkräftemangel und die Verantwortung von sozialen Medien.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises 2025 die zentrale Rolle von Schulen für Bildungsgerechtigkeit und Demokratie betont – und dabei deutliche Worte gefunden. „Zwei Jahrzehnte nach dem PISA-Schock gilt in Deutschland noch immer: Soziale Herkunft entscheidet mit über Bildungserfolg“, sagte Steinmeier im Studio Berlin in Adlershof. Trotz vieler richtiger Reformen hänge die Zukunft eines Kindes weiterhin zu sehr davon ab, „in welchem Stadtviertel es aufgewachsen ist und ob seine Eltern ein Hochschuldiplom, einen Gesellenbrief oder eben keinen Bildungsabschluss hatten“.
Hauptpreis für Berliner Grundschule, die sich als „Dorf“ versteht
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand die Auszeichnung der Maria-Leo-Grundschule im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Die Schule, die erst 2018 als kleine Zweigstelle mit 40 Kindern begann und heute 385 Schülerinnen und Schüler zählt, erhielt den mit 100.000 Euro dotierten Hauptpreis.
Die Jury würdigte die Grundschule als „Vorzeigemodell für zeitgemäße Schulentwicklung“. Ihr Schulgebäude folgt dem sogenannten Lernhaus-Prinzip: Jede Etage bietet eigenständige Lernräume, betreut von multiprofessionellen Teams, die die Kinder von der ersten bis zur sechsten Klasse begleiten. Lernateliers öffnen früh am Morgen, Kinder arbeiten in ihrem eigenen Tempo und können sich gezielt Input in Fachräumen holen. Über ein „Level-Up-System“ erlangen sie Schritt für Schritt mehr Freiheiten.
Auch Verantwortung ist Teil des Alltags: Kinder übernehmen Aufgaben als „Hausmeister“, organisieren die Spielausleihe oder wirken im Schülerparlament mit. Auf der Webseite beschreibt sich die Schule selbst als ein Dorf – „ein Ort des Lernens, der Vielfalt und der Begegnung“. Jury-Sprecher Thorsten Bohl lobte die „konsequente Verbindung von Raum, Pädagogik, Zielorientierung und Lernfreude“.
Fünf weitere Schulen auf Platz zwei
Neben der Berliner Grundschule konnten sich fünf weitere Schulen über je 30.000 Euro freuen:
- Evangelische Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck (NRW),
- Questenberg-Grundschule Meißen (Sachsen),
- Schule An der Burgweide in Hamburg,
- Jenaplanschule Weimar – Staatliche Gemeinschaftsschule (Thüringen),
- sowie die Deutsche Internationale Schule Tbilissi in Georgien.
Thüringens Bildungsminister Christian Tischner würdigte die Jenaplanschule Weimar ausdrücklich: Sie überzeuge durch „ein klares pädagogisches Profil, gelebten Teamgeist und konsequente Schulentwicklung“. In Sachsen wiederum wurde die Questenberg-Grundschule für ein innovatives pädagogisches Konzept ausgezeichnet.
Premiere: Themenpreis Demokratiebildung
Erstmals vergab die Jury auch einen Themenpreis Demokratiebildung. Je 30.000 Euro gingen an die Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule Karlsruhe, die Schule An der Burgweide in Hamburg sowie das Evangelische Schulzentrum Muldental in Sachsen. „Schulen können – und müssen – Werkstätten der Demokratie sein“, erklärte Bosch-Stiftungsgeschäftsführer Bernhard Straub.
Steinmeier hob diesen neuen Preis in seiner Rede hervor: „Vor zwei Jahren habe ich gesagt: Jede Schule in Deutschland muss eine Schule der Demokratie sein. Ich freue mich sehr, dass wir heute die ersten Preisträger begrüßen können.“ Demokratie müsse nicht nur als Theorie vermittelt, sondern im Alltag gelebt und erprobt werden, so der Bundespräsident.
Dabei nahm Steinmeier die Lehrkräfte in den Blick. Im Wortlaut der vorab veröffentlichten Rede: „Wenn wir unsere Demokratie stärken wollen, gilt es aber nicht zuletzt, unsere Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen, wenn sie demokratische Werte vermitteln und diese vorleben – auch außerhalb des Politik- und Sozialkunde-Unterrichts. Und dabei möchte ich eines betonen: Ja, Schulen sollen parteipolitisch neutrale Orte sein. Aber wenn die Menschenwürde in Frage gestellt wird, wenn die Grundrechte und die freiheitlich demokratische Grundordnung angegriffen werden, dann bin ich allen Lehrerinnen und Lehrern dankbar, die unsere Werte verteidigen und sie den Schülerinnen und Schülern erklären. Dafür brauchen die Pädagoginnen und Pädagogen Fortbildung, sie brauchen Austausch und sie brauchen auch Sicherheit: Was mache ich konkret, wenn sich jemand antisemitisch, rassistisch oder menschenverachtend äußert? Wer steht im Ernstfall zu mir: im Kollegium, in der Schulleitung, in der Schulverwaltung?“
Steinmeiers Mahnungen: Ungleichheit, Lehrkräftemangel, soziale Medien
Der Bundespräsident nahm die Preisverleihung zum Anlass, auch auf drängende Probleme des deutschen Bildungssystems hinzuweisen. Noch immer fehle es an ausreichend Lehrkräften und Sozialarbeitern, um die Ausgleichsfunktion der Schule gegenüber sozialen Unterschieden zu erfüllen. Programme wie das Startchancen-Programm könnten nur ein Anfang sein.
Deutlich warnte Steinmeier auch vor den Auswirkungen sozialer Medien auf Kinder und Jugendliche. Er zitierte einen Lehrer: „Niemand sieht, dass die Kinder maximal sechs Stunden am Tag bei uns in der Schule sind. Aber danach sind sie acht bis zehn Stunden in den sozialen Medien unterwegs.“ Plattformen wie TikTok oder Instagram hätten sich als „heimlicher Akteur“ zwischen Elternhaus und Schule geschoben. Zwar sei das Smartphone-Verbot an vielen Grundschulen sinnvoll, doch für ältere Schülerinnen und Schüler reiche dies nicht aus.
Steinmeier forderte deshalb eine Debatte über die Verantwortung der Plattformbetreiber: „Jeder Chefredakteur einer Zeitung ist verantwortlich für das, was im Blatt steht. Aber wie steht es um die Verantwortung der Betreiber von Sozialen Medien?“
Zum Abschluss würdigte der Bundespräsident den Mut und die Kreativität aller teilnehmenden Schulen: „Der Deutsche Schulpreis hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten gezeigt, wie engagiert unsere Schulen sind.“ Er dankte den Lehrkräften ausdrücklich für ihr Engagement – nicht nur in der Vermittlung von Wissen, sondern auch in der Verteidigung demokratischer Werte. News4teachers
es stellt sich aber trotzdem irgendwie die Frage, warum es immer wieder solche Inseln der Glückseligen gibt,
wo alles ganz toll ist,
wo man sich das alles auch was kosten lässt,
und dann trotzdem auf breiter Front vieles marode, veraltet, vergessen wirkt…