Konkurrenzdruck in der Schule prägt die Persönlichkeit: Hilfsbereitschaft und Vertrauen sinken

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WÜRZBURG. Harter Wettbewerb unter Schülern steigert nicht nur den Ehrgeiz, sondern beeinflusst auch das Sozialverhalten – nicht nur in der konkreten Konkurrenzsituation, sondern auf Dauer.

«Damit verstehen wir auch besser, wo die Unterschiede im Sozialverhalten von Erwachsenen eigentlich herkommen.» (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es. Harter Wettbewerb in der Schule kann jedoch die Persönlichkeit junger Menschen langfristig prägen, berichtete ein Team um Fabian Kosse von der Universität Würzburg im «Journal of the European Economic Association».

Nach zwei Jahren unter hohem Konkurrenzdruck sank die Hilfsbereitschaft und das Vertrauen der Schüler deutlich – und zwar nicht nur kurzfristig in der konkreten Wettbewerbssituation. Auch vier Jahre später waren die Effekte noch zu beobachten. «Wir konnten erstmals zeigen, dass sich das weniger soziale Verhalten manifestiert – und zwar nicht nur gegenüber ehemaligen Mitschülern, mit denen sie im direkten Wettbewerb standen, sondern ganz allgemein», sagte Kosse. «Damit verstehen wir auch besser, wo die Unterschiede im Sozialverhalten von Erwachsenen eigentlich herkommen.»

Studie in Chile: Beste 15 Prozent bekommen Studienplatz

Für die Feldstudie werteten die Forscher in Chile Bildungsdaten aus und befragten Schüler. Ein von der Regierung des südamerikanischen Landes eingeführtes Programm (Pace) zur Förderung sozial benachteiligter Jugendlicher an ausgewählten Schulen garantiert den besten 15 Prozent der Schüler einen Studienplatz, ohne an der sonst obligatorischen zentralen Aufnahmeprüfung für Universitäten teilnehmen zu müssen.

Allerdings erhöht das Programm in den letzten beiden Schuljahren den Konkurrenzdruck unter den Schülern enorm. Das hat offenbar Folgen für das Sozialverhalten der Jugendlichen. Beispielsweise waren sie weniger bereit, Mitschülern zu helfen. Vier Jahre später wurden sie erneut befragt. Dabei stellte sich heraus, dass bei den Schülern, die an dem Programm teilgenommen hatten, die Hilfsbereitschaft weiter niedriger war als in der Vergleichsgruppe.

Schüler im harten Wettbewerb weniger sozial

«Der Befund ist eindrucksvoll, dass Schüler an Schulen, an denen den leistungsstärksten 15 Prozent ein Studienplatz angeboten wurde, im Vergleich mit Schülern der Vergleichsschulen eine etwas niedrigere Prosozialität bekundeten – auch wenn die Effekte nicht riesig sind und in weiteren Studien zu replizieren wären», sagte der Psychologe Jörn Sparfeldt von der Universität des Saarlandes, der an der Studie nicht beteiligt war.

Der Analyse zufolge gab es Unterschiede, wie stark die unter Konkurrenzdruck stehenden Schüler ihr Sozialverhalten veränderten. «Jungs reagieren grundsätzlich stärker auf Wettbewerb als Mädchen – das haben wir auch in unserer Studie wieder feststellen können», sagte Kosse.

Konkurrenz auf anderem Level könnte Sozialverhalten verbessern

Die Konkurrenzsituation kann bei Schülern den Ehrgeiz steigern und zu besseren Resultaten führen. «Wettbewerb ist ja per se erst einmal nichts Schlechtes. Wettbewerbsbasierte Anreizsysteme sind in vielen Bereichen sehr wichtig – sie können dazu führen, dass Menschen sich mehr anstrengen und bessere Leistungen erbringen», sagt der Ökonom Kosse.

Um die unerwünschten Effekte auf das Sozialverhalten zu verringern, schlägt das Autorenteam vor, den Wettbewerb auf ein anderes Level zu heben: Würde der Wettbewerb nicht zwischen den Schülern einer Schule, sondern zwischen den verschiedenen Schulen einer Region durchgeführt werden, könnte das die Zusammenarbeit zwischen den Jugendlichen sogar verbessern.

Gerade für schwächere Schüler kann der direkte Wettbewerb mit Klassenkameraden kontraproduktiv sein. «Aus anderen Studien weiß man, dass ein Vergleich mit anderen insbesondere für Schüler im unteren Leistungsbereich für die Motivation ungünstig ist», sagte Sparfeldt. «Wenn man Kooperation fördern will, sollte man eine andere Zielstruktur schaffen, in der jeder ein Teil zum Ergebnis beiträgt und Schüler nicht nur gut bewertet werden, wenn sie besser als andere sind.» Von Denis Düttmann, dpa

Studie zeigt, wie Konkurrenz im Klassenzimmer die Persönlichkeit von Schülern verändert

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