Lehrer Robert Kiehl verarbeitet Amoklauf an Erfurter Gymnasium in einem Buch

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DÜSSELDORF. Der 26. April 2002 veränderte das Leben des saarländischen Lehrers Robert Kiehl und das vieler anderer Menschen. An diesem Tag fand der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium statt, an dem Kiehl gerade sein Referendariat begonnen hatte. 17 Menschen starben. In dem neu erschienenen Buch „Todesschüsse im Gutenberg-Gymnasium – Zehn Jahre danach“ erzählt Pädagoge Kiehl auf 93 Seiten von seinen Erfahrungen, beschreibt die schwere Phase der Verarbeitung und des Wiederaufbaus und zeigt, welchen Einfluss die Erlebnisse auf seine weitere Lehrtätigkeit haben.

Überlebte den Erfurter Amoklauf: Lehrer Robert Kiehl; Foto: Projekte-Verlag Cornelius
Überlebte den Erfurter Amoklauf: Lehrer Robert Kiehl; Foto: Projekte-Verlag Cornelius

„Ich war im Lehrerzimmer am Kopierer, als die ersten Knallgeräusche zu hören waren. Es waren Handwerker in der Schule und ich dachte an handwerkliche Arbeiten. Als ich mich mit einer Kollegin unterhielt, bildete ich mir ein, eine Person sei aus der ersten Etage nach unten gesprungen. Ich verließ das Lehrerzimmer, um nachzusehen“, erzählt Kiehl anlässlich der Buchveröffentlichung in einem dapd-Interview in der „Thüringer Allgemeinen“. Von der gegenüberliegenden Treppe seien Scharen von schreienden Schülern in Panik herunter gelaufen gekommen. Ein Zwölfklässler sei auf ihn zugelaufen und habe gerufen: „Es wird geschossen!“. Der Schüler habe ihm klargemacht, dass er nach draußen gehen müsse. „Wie in Trance folgte ich den Schülern und war dann außer Gefahr. Das war mir zu diesem Zeitpunkt aber nicht bewusst“, sagt Kiehl im Interview.

Dass bis zur Veröffentlichung des Buches fast zehn Jahre vergangen sind, erklärt Kiehl gegenüber dem Thüringer Blatt so: Direkt nach dem Amoklauf sei ein Buch darüber „undenkbar“ gewesen. Er habe dafür nicht die Muse gehabt. Es habe auch eine Zeit gegeben, in der er weder darüber reden noch schreiben konnte. „Ich war noch mitten in meiner Ausbildung, mitten im Referendariat. Mein Leben hat sich durch den Anschlag nachhaltig verändert“, erzählt Kiehl im dapd-Interview. Er habe viele Findungsphasen durchlebt, seinen Doktor in Literaturwissenschaft gemacht und sei dann zurück ins Saarland gezogen. Seit 2006 unterrichtet der Deutsch- und Sozialkundelehrer in Landstuhl in Rheinland-Pfalz. Bei all diesen Veränderungen habe er vorher keine Ruhe zum Schreiben gefunden, denn sein Ziel war es, die Amoktat zum Ausgangspunkt zu machen und die Zeit von damals bis heute zu beschreiben.

Die schulische Präventionsarbeit hält Kiehl laut Berichten der „Thüringer Allgemeinen“ für äußerst sinnvoll und „unbedingt notwendig“. Viele Schulen hätten Konzepte erarbeitet, um im Ernstfall reagieren zu können. Er sei fest davon überzeugt, dass durch die Arbeit in den Schulen die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen im Vorfeld gesenkt werden könne. Die Gefahr an sich bleibe jedoch bestehen. Kiehl: „Verhindern kann man solch eine Tat aber nicht.“

Robert Kiehl, Todesschüsse im Gutenberg-Gymnasium – Zehn Jahre danach, erschienen im Projekte-Verlag Cornelius, 10,50 Euro. (kö)

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