WIESBADEN. «Ich habe den Schulfrieden ausgerufen» – das sagte Ministerpräsident Bouffier beim Parteitag der CDU. Doch sein Rückrudern bei G8 macht in der Schulpolitik ein gerade geschlossen geglaubtes Fass wieder auf.
Der Rückzieher von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bei der umstrittenen verkürzten Gymnasialzeit G8 beschert Hessen eine neue Schuldebatte. Die Union sei mit ihrem Beharren auf G8 gescheitert, erklärten Opposition und Lehrerverbände. Die SPD sprach von einem «überfälligen Sinneswandel». Die Lehrergewerkschaft GEW forderte die flächendeckende Rückkehr zu einer neunjährigen Gymnasialzeit bis zum Abitur (G9).
Bouffier hatte beim CDU-Landesparteitag erklärt, die Gymnasien sollten selbst entscheiden können, ob sie Schüler in acht oder wieder wie früher in neun Jahren zum Abitur führen. Für ihn sei es eine logische Konsequenz der Fortentwicklung zur Selbstständigen Schule, dass die Schulgemeinde eine solche Wahl trifft. Außerdem sollten die G8-Lehrpläne weiter entschlackt werden. Sein Vorstoß sei mit der neuen Kultusministerin Nicola Beer (FDP) abgesprochen.
Beer hatte bei Amtsantritt Anfang Juni gesagt, es bleibe bei der verkürzten Schulzeit. Sie wolle aber klären, welche Möglichkeiten für die Schüler geschaffen werden könnten, die sich von G8 überfordert fühlten. «Wir verstehen die Äußerungen des Ministerpräsidenten als Zustimmung hierfür», ließ die Ministerin über einen Sprecher mitteilen.
Hessen hatte G8 von 2004 bis 2007 schrittweise für Gymnasien und Kooperative Gesamtschulen eingeführt, in diesem Sommer macht der erste G8-Jahrgang Abitur. Wie in anderen Bundesländern wurde die Zeit in der Mittelstufe um ein Jahr gekürzt, so dass sich dort Lehrstoff drängt und die Stundenzahl für die Schüler gestiegen ist. Die gymnasiale Oberstufe dauert unverändert drei Jahre. Viele Kooperative Gesamtschulen in Hessen sind mittlerweile zu G9 zurückgekehrt.
«Über Jahre wurden alle Kritiker von G8 von der CDU abgekanzelt und die berechtigten Anliegen von Schülerinnen und Schülern und von deren Eltern ignoriert», sagte der Grünen-Abgeordnete Mathias Wagner. «Jetzt, nachdem bereits eine ganze Schülergeneration G8 durchlaufen und durchlitten hat, sagt der Ministerpräsident faktisch: G8, was war nur so eine Idee von uns.»
Unter den CDU-Parteitagsdelegierten in Darmstadt fand Bouffiers Vorstoß nur verhaltenen Beifall. Der frühere Ministerpräsident Roland Koch (CDU), seine Kultusministerin Karin Wolff (CDU) und ihre Nachfolger hatten wegen G8 viel Kritik einstecken müssen. Delegierte sagten, dass über erneute Änderungen am Schulsystem noch genauer beraten werden müsse. Sie befürchteten, dass Unruhe in die Schulgemeinden getragen wird, wenn sie die Wahl treffen müssen.
«Es ist das Eingeständnis, dass G8 keine Lösung ist», sagte der hessische GEW-Vorsitzende Jochen Nagel. Die Gymnasien sollten zu G9 zurückkehren. Er kritisierte Bouffiers Vorhaben, die Wahl zwischen G8 und G9 den einzelnen Gymnasien zu überlassen. Die «übergreifende Entscheidung» müsse von der Politik getroffen werden.
«Wir haben von Anfang an gesagt, dass diese Schulreform Murks ist», sagte die SPD-Bildungspolitikerin Heike Habermann. Die SPD fordere seit langem, sowohl den Schulanfang in der Grundschule wie die gymnasiale Oberstufe zeitlich flexibel zu gestalten. dpa
(17.6.2012)
Ich meine, wenn die Lehrpläne mal von vielem Unnötigem entschlackt werden würden bzw. der “Pflichtstoff” deutlich reduziert werden würde, dann würde auch das Abitur nach 12 Jahren locker geschafft werden. In der DDR ging das auch jahrzehntelang.