Azubis verzweifelt gesucht – die Fachkräfte von morgen fehlen

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TRIER/MAINZ. Die Vorbereitungen für den Start ins neue Ausbildungsjahr laufen auf vollen Touren – doch in vielen Betrieben fehlen noch Lehrlinge. Während jahrelang Schulabgänger oft mühsam eine Lehrstelle suchen mussten, hat sich der Spieß inzwischen vielerorts umgedreht. „Wir haben massenhaft offene Stellen“, sagt Marcus Kleefisch, der Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer Trier. Kleefisch ist zugleich Federführer der Arbeitsgemeinschaft Aus- und Weiterbildung der IHKs im Land. „Entscheidend ist, wo es ein offenes Ausbildungsangebot gibt.“

"Auf jeden Fall gibt es mehr Stellen als Bewerber", sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer MAINZ. Foto: Arbeitgeberverband Gesamtmetall/Flickr
Auch im Elektro- und Metallhandwerk gibt es noch viele offene Stellen für zu wenig Bewerber. Foto: Arbeitgeberverband Gesamtmetall/Flickr

Stellen seien vor allem im Einzelhandel und in der Gastronomie zu haben, vereinzelt auch noch in Büroberufen. Insgesamt wurden in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr etwa 23 400 Ausbildungsstellen gemeldet – vier Prozent mehr als im Vorjahr.

„Wer jetzt noch einen Ausbildungsplatz sucht, hat beste Karten“, sagt Kleefisch über den Bezirk Trier. Bislang sei die Zahl der geschlossenen Ausbildungsverträge um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, bei einer rückläufigen Zahl von Schulabgängern. Es sei längst nicht mehr so wie vor einigen Jahren, als die Nachfrage größer als das Angebot gewesen sei. Seit etwa zwei Jahren sei der Ausbildungsmarkt zugunsten der Bewerber „umgekippt“.

Entsprechend würden Unternehmen immer aktiver, um sich gute Kräfte zu sichern. Für sehr wichtig hält Kleefisch Partnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen. Dabei werden Praktika verabredet, Lehrer gehen in Betriebe und Vertreter des Unternehmens informieren in Schulen über Berufe.

„Die Lage ist sehr angespannt und wird sich verschärfen“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Trier, Rudi Müller. Im Bezirk erwarte er für diesen Herbst, dass 400 Lehrstellen unbesetzt bleiben. „Das Handwerk muss attraktiver werden“, fordert Müller. Das gelte für die Bezahlung, die Familienfreundlichkeit und auch die Sorge um ältere Mitarbeiter. Die Kammer schickt inzwischen einen Ausbildungsbotschafter an die Schulen und versucht gezielt, auch Jugendliche im benachbarten Frankreich anzusprechen.

Azubis im Elektro- und Metallhandwerk besonders gefragt

Bei der Handwerkskammer der Pfalz ist die Nachfrage nach Azubis im Elektro- und Metallhandwerk derzeit besonders hoch, sagt Roger Bier, der bei der Kammer für Berufsorientierung zuständig ist. Der Lehrlingsmangel wird sich seiner Einschätzung nach von Jahr zu Jahr stärker bemerkbar machen. Bisher sei er eher punktuell zu spüren. Das Handwerk werbe in Schulen intensiv um junge Leute, auch um Abiturienten. Studienabbrecher sollen ebenfalls angesprochen werden. „Sie können im Handwerk eine neue Chance bekommen.“ Auch die Gastronomie suche teils händeringend nach Lehrlingen, sagt Elisabeth Jostmeier vom Geschäftsbereich Ausbildung: „Das ist dort schon immer so gewesen, und das wird künftig wahrscheinlich noch gravierender werden.“

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Der Chemiekonzern BASF orientiert sich angesichts der Entwicklung neu: Hat sich das Chemieunternehmen in Ludwigshafen bisher dafür eingesetzt, zusätzliche Plätze in der Region zu schaffen, will es sich künftig verstärkt in der Förderung von Jugendlichen engagieren, die als noch nicht ausbildungsreif gelten. 250 von ihnen sollen ab dem Ausbildungsjahr 2013 gezielt unterstützt, 100 weitere schon während ihrer Schulzeit gefördert werden.

Nach Auffassung der Handwerkskammer Koblenz zeigen die aktuellen Zahlen, dass der demografische Wandel auf dem Ausbildungsmarkt angekommen ist. Mittlerweile meldeten die Betriebe freie Lehrstellen wesentlich früher zur Veröffentlichung in der Lehrstellenbörse. Zudem würden die Ausbildungsberater der Kammer immer früher um Rat gefragt. Um das Interesse junger Menschen für eine Lehre im Handwerk zu wecken, werden zusammen mit dem Landesfeuerwehrverband unter anderem Technik-Workshops für Mitglieder von Jugendfeuerwehren angeboten.

Der Kampf um die guten Köpfe wird härter

„Auf jeden Fall gibt es mehr Stellen als Bewerber“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Mainz, Stefan Zimmer. Besonders gesucht sei Nachwuchs in den Betrieben im Sanitär-, Heizungs- und Klima-Handwerk sowie in Elektroberufen. Auch wenn in der Region Mainz-Bingen derzeit der Mangel an Fachkräften und Bewerbern noch nicht eklatant hoch ist, „wird die Lücke doch größer werden“. Denn: „Auch der Kampf um die guten Köpfe wird härter.“ Viele wüssten gar nicht, welche guten beruflichen Perspektiven das Handwerk böte. „Es ist ja nicht so, dass Du lebenslang auf den Knien rumrutschst und mit dem Gesellenbrief ist Schluss“, betont Zimmer.

Nach den Erfahrungen der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen sichern sich die Betriebe inzwischen früher als bisher ihre Auszubildenden. „Ein Zeichen dafür, dass der Wettbewerb um die besten Schulabsolventen bereits begonnen hat“, erklärte der Hauptgeschäftsführer Richard Patzke in Mainz. Die Entwicklung der Schulabgänger in Rheinland-Pfalz zeige deutlich, dass sich der Fachkräftemangel verschärfen wird. In Rheinland-Pfalz gebe es in diesem Jahr 2012 noch rund 45 360 Schulabsolventen, 2021 werden es Prognosen zufolge noch etwa 39 400 sein.

Um dem Nachwuchsmangel entgegen zu steuern sei im vergangenen Jahr die Berufsinformationsmesse der Wirtschaft, die BIM Rheinhessen, aus der Taufe gehoben worden, erklärt Patzke. „Die Jugendlichen werden schon im Schulunterricht auf die Messe vorbereitet und melden sich zu einem der etwa 320 Workshops an.“ Die Referenten werden von Unternehmen gestellt, die dadurch wiederum direkt mit möglichen Auszubildenden ins Gespräch kommen. Das ist nicht alles: Es gibt auch eine Praktikumsbörse. dpa

(21.07.2012)

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