DRESDEN (Mit Kommentar). Die Wogen sind zwar vorerst geglättet, und Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth spricht vom Paradigmenwechsel. («Stellenabbau war gestern», so lautet ihre Botschaft.) Kritiker präsentieren aber eine andere Rechnung.
Sachsens parteilose Kultusministerin Brunhild Kurth blickt optimistisch auf das neue Schuljahr und dämpft zugleich allzu große Erwartungen. «Die fetten Jahre sind vorbei», sagte die Ministerin. Die Unterrichtsversorgung sei «auf Kante genäht» und erfordere eine straffe Planung. «Wir steuern um. Da wird es hier und dort knirschen, aber das ist normal.» Kultus- und Finanzministerium rechneten nun auf einer einheitlichen Datenbasis. Im Unterschied zum jetzt zu Ende gehenden Schuljahr könne das Kultusressort nun flexibel reagieren. Alle aus dem Schuldienst ausscheidenden Lehrer würden ersetzt.
«Der Lehrerbedarf ist gesichert, aber auch nicht mehr», betonte die Ministerin. Die Stellen seien streng am Bedarf orientiert. Man könne nicht mehr zu jenen rosigen Zeiten zurückkehren, als es ein «pädagogisches Plus» von bis zu 1000 Lehrern gab. Kurth spielte damit auf jene Phase an, in der Sachsen auf zurückgehende Schülerzahlen nicht im gleichen Maße mit dem Abbau von Lehrerstellen reagierte. Neueinstellungen prägen in den kommenden Jahren die sächsische Bildungslandschaft, da viele Pädagogen in Rente gehen. Gravierend wird das Problem ab dem Schuljahr 2018/19, wenn 1632 Lehrer den Schuldienst verlassen.
SPD: Welche fetten Jahre?
Ex-Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) legte eine andere Rechnung vor. «In welchem Land hat die Kultusministerin in den vergangenen Jahren gelebt, wenn sie davon spricht, dass ‘die fetten Jahre vorbei’ sind? Sie kann nicht Sachsen gemeint haben.» Der stetig steigende Unterrichtsausfall quer durch alle Schularten sei ein Zeichen von Magersucht im Bildungsbereich. Seit Jahren würden Schulen geschlossen und Personal abgebaut. Im neuen Schuljahr würden allein 690 Stellen wegfallen, weil Lehrer in die Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit gelangten. Bis zum Schuljahr 2015/2016 betreffe das noch weitere 1221 Stellen. Nur ein Viertel davon dürfe wieder besetzt werden.
Der Sächsische Beamtenbund sprach von einer großen Ernüchterung und befürchtet vor allem den Wegfall vieler individueller Fördermöglichkeiten für Schüler und Einschnitte bei den Ganztagsangeboten. Die sollen fortan nur noch auf Honorarbasis vergütet werden. Bei den hohen Arbeitsbelastungen dürften Lehrer kaum noch bereit sein, zusätzliche Leistungen zu erbringen, hieß es.
Kurth plagten derweil andere Sorgen: «Jetzt steht die Frage im Raum: Woher bekommen wir die Lehrer, die wir brauchen?» Man komme nicht umhin, über Programme für Seiteneinsteiger nachzudenken. Auch zusätzliche «Anreizsysteme» für Lehrer schloss die Ministerin nicht aus. Im Unterschied zu anderen Bundesländern verbeamtet Sachsen seine Lehrer nicht. Außerdem verdienen sie weniger als ihre Kollegen anderswo. Nach Ansicht von Kritikern erschwert das die Suche nach Personal. Einzelheiten zu möglichen Anreizen nannte Kurth noch nicht. Hier müsse man «ganz dicke Bretter bohren», sagte sie.
Kurth hatte erst Ende März die Amtsgeschäfte übernommen. Ihr Vorgänger Roland Wöller (CDU) war aus Frust über den Lehrermangel in Sachsen zurückgetreten. Danach steuerte die Regierung um und stattete das Kultusressort besser aus. Im Entwurf für den Doppelhaushalt 2013/2014 steigen die Ausgaben in diesem Bereich auf rund 2,76 beziehungsweise 2,88 Milliarden Euro. 2011 gab Sachsen 2,69 Milliarden Euro für Bildung aus, 2012 sind es 2,65 Milliarden Euro. Nach Kurths Zahlenwerk steigt die Zahl der Lehrerstellen gegenüber der ursprünglichen Planung ab dem Schuljahr 2013/14 von 27 217 auf 27 433 an. Im Schuljahr darauf sind es 27 686. dpa
(17.7.2012)
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