Schulessen-Skandal? Mehr als 6000 Schüler und Lehrer erkrankt

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BERLIN. War es das Schulessen? Nachdem zunächst nur von mehreren hundert Fällen in Sachsen und Thüringen die Rede war, sind mittlerweile mehrere tausend Kinder – und auch etliche Lehrer – in fünf Bundesländern an Magen-Darm-Beschwerden erkrankt. Betroffen sind jetzt auch Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Und die Fallzahlen steigen: Mittlerweile dürften mehr als 6000 Menschen erkrankt sein.

Viele Schulen und Kindergärten lassen sich das Essen aus Großküchen liefern. (Foto: Moe/Flickr CC BY 2.0)
Viele Schulen und Kindergärten lassen sich das Essen aus Großküchen liefern. (Foto: Moe/Flickr CC BY 2.0)

Allein in Berlin hat sich die Zahl der bekannten Durchfallerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen innerhalb von 24 Stunden von 600 auf 2176 erhöht. Als Ursachen kämen Noroviren oder ein Gift in Frage, sagte Marlen Suckau, Referatsleiterin für Infektionsschutz in der Gesundheitsverwaltung. «Ich gehe davon aus, dass es noch mehr Fälle geben wird», sagte sie. Die genaue Ursache ist noch immer unklar. «Wir sind fieberhaft dabei zu untersuchen, worum es sich handelt», sagte die Staatssekretärin für Gesundheit, Emine Demirbüken-Wegner (CDU). Sie betonte aber, dass es sich nicht um schwere Krankheiten handele. Erst in zwei Wochen rechnet die Verwaltung mit Ergebnissen.

In Berlin sind  58 Schulen, 22 Kitas und zwei weitere Einrichtungen betroffen. Eine Kita und eine Schule seien geschlossen worden. Bekannte Erkrankungen gibt es in fast allen Bezirken. Allein in Marzahn-Hellersdorf sind rund 500 Kinder betroffen. Demirbüken-Wegner empfahl Eltern, ihren Kindern zunächst sicherheitshalber Essen von zu Hause mitzgeben.

Die Suche nach der Ursache läuft fieberhaft weiter. Die zuständigen Gesundheits- und Lebensmittelbehörden würden intensiv zusammenarbeiten, hieß es. Neben dem Robert-Koch-Institut sind das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit involviert. Die betroffenen Schulen und Kindergärten wurden nach bisherigen Erkenntnissen vom selben Lieferanten versorgt. Er habe seinen Sitz in Rüsselsheim und betreibe Regionalküchen in vielen Ländern, sagte der Leiter des Referats Gesundheit und Verbraucherschutz im Brandenburger Gesundheitsministerium, Ulrich Widders.

Der Küchen- und Kantinenzulieferer Sodexo sieht sich indes für die Welle nicht verantwortlich. Nach vergleichbaren Untersuchungen gebe es keine Hinweise darauf, dass die Fälle mit Sodexo-Produkten zusammenhängen, teilte das Rüsselsheimer Unternehmen mit. «Aus ein und derselben Küche hat das gleiche Essen aus den gleichen Produktionsprozessen bis zu 80 Schulen und Kitas erreicht. Nur in vier Einrichtungen kam es nach unserem Kenntnisstand zu Erkrankungen», gab das Unternehmen bekannt.

Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) zeigte sich besorgt über die hohe Zahl erkrankter Schüler. Vermutlich sei ein Erreger und nicht das Schulessen schuld, sagte Münch. Die Lieferanten von Schulessen bemühten sich in der Regel um Qualität.

Eltern meldeten sich allerdings bereits mit grundsätzlicher Kritik an der bisherigen Essensversorgung an Schulen und Kindertagesstätten zu Wort. Falls sich als Quelle der Caterer herausstelle, müsse die Politik «nun endlich die richtigen Konsequenzen» ziehen, forderten Stadt- und Kreiselternrat in Chemnitz. Sie verlangten ein «steuerfinanziertes, kostenfreies Schul- und Kita-Essen».

„Auf jeden Fall Hygienefehler“

Salmonellen oder Noroviren könnten aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene Ursache für die Erkrankungswelle sein. Die Symptome passten zu beiden Erregern, sagte Vorstandsmitglied Klaus-Dieter Zastrow. «Auf jeden Fall muss es Hygienefehler bei der Produktion gegeben haben», sagte der Berliner Arzt. Für eine genauere Einschätzung wäre es aber wichtig zu wissen, wie viele Schüler das Kantinenessen gegessen haben – und vor allem, was sie gegessen haben, betonte Zastrow. Für eine Übertragung mit Noroviren reichten deutlich weniger Virenpartikel als bei Salmonellen.

Noroviren sind hoch ansteckend. Die Ausbruchszeit bei der Übertragung beträgt ungefähr einen halben Tag bis zwei Tage. Symptome: schlagartiger Durchfall und heftiges Erbrechen. Die Erkrankung dauert in der Regel einen bis drei Tage und heilt in den meisten Fällen ohne Folgen aus. Vorbeugen beginnt beim regelmäßigen Händewaschen über das Abkochen von Wäsche und Geschirr bis zu einem eingeschränkten Kontakt mit anderen Menschen. Das Norovirus ist langlebig und übersteht auch kalte und hohe Temperaturen auf Türklinken, Essen oder Spielzeug. Hygiene, Desinfektionsmittel und gründliche Reinigung sind die wichtigsten Waffen gegen das Norovirus.

Bei einer Salmonellen-Vergiftung, einer Erkrankung durch Bakterien, ist nach einigen (Brech-)Durchfällen und einigen Stunden Schlappheit die Sache meist ausgestanden. Dabei ist die Infektionsquelle fast immer in Lebensmitteln zu finden. Besonders gefährdet sind ungekochte Fleischwaren wie Tatar, Hackfleisch oder Mettwurst sowie Eier, Speiseeis und Mayonnaise. bibo / mit Material von dpa
(28.9.2012)

Zum Bericht: „Vermutlich Keime im Schulessen – Hunderte von Kindern und Lehrern erkrankt“

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