Prügelvorwürfe: Streit um die «Zwölf Stämme» bricht wieder auf

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DEININGEN. Vor fast einem Jahrzehnt sorgte die Glaubensgemeinschaft «Zwölf Stämme» für Schlagzeilen, weil sie sich fortwährend weigerte, ihre Kinder in eine Schule zu schicken. Nun beschäftigt der alte Streit wieder die Behörden. Zudem werden Prügelvorwürfe geprüft.

In einer schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen vor einem Jahr beschrieben sich die "Zwölf Stämme" als "offene und transparente Gemeinschaft, die keine Form von Kindesmisshandlung duldet." Foto: hekris / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
In einer schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen vor einem Jahr beschrieben sich die „Zwölf Stämme“ als „offene und transparente Gemeinschaft, die keine Form von Kindesmisshandlung duldet.“ Foto: hekris / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Das bayerische Kultusministerium wird von einem alten und eigentlich längst gelöst geglaubten Streit eingeholt. Die Behörde prüft derzeit, ob die urchristliche Glaubensgemeinschaft «Zwölf Stämme» ihre Kinder weiter selbst unterrichten darf. Die private Schule der umstrittenen Gemeinschaft in Schwaben steht auf der Kippe – am Samstag (1. Juni) läuft eine vom Ministerium gesetzte Frist aus. Außerdem wird geprüft, ob die Kinder der Gemeinschaft geschlagen werden.

«Zwölf Stämme» unterhält in Klosterzimmern bei Deiningen (Landkreis Donau-Ries) eine Schule, in der etwa 20 Kinder unterrichtet werden. Weil unklar ist, ob dort auch künftig ein qualifizierter Lehrer arbeitet, ist das Ministerium aktiv geworden.

Die Vorgeschichte des Streits liegt bereits ein Jahrzehnt zurück. «Zwölf Stämme»-Mitglieder weigern sich, ihre Kinder in eine staatliche Schule zu schicken. Die Gemeinschaft begründet dies mit ihrer Religion, macht «Gewissensgründe» geltend. Ein Grund ist der Sexualkundeunterricht. Der Streit eskalierte im Jahr 2004 – damals kamen Väter in Erzwingungshaft, weil sie die Schulpflicht seit Jahren missachteten. Die von den Behörden verhängten Buß- und Zwangsgelder hatten sich auf 150 000 Euro addiert. Anfang 2006 wurde der jahrelange Konflikt beigelegt, die Glaubensgemeinschaft durfte ihre Kinder seitdem mit gewissen Auflagen in eigener Verantwortung unterrichten.

Doch ob die Genehmigung über das laufende Schuljahr hinaus verlängert wird, ist fraglich. Laut Ministerium wird der derzeitige Schulleiter Ende des Jahres die Glaubensgemeinschaft verlassen. Außerdem sei bereits zuletzt keine anerkannte Lehrkraft ausreichend in der Schule anwesend gewesen, sagt Ministeriumssprecher Ludwig Unger. Zudem hätten die Absolventen auch nicht mehr regelmäßig wie gefordert an staatlichen Schulen Tests abgelegt, um die Lernerfolge zu prüfen. «Bis 2011 ist das reibungslos gelaufen», erklärt Unger.

Die Augsburger Staatsanwaltschaft prüft seit rund einem Jahr auch Prügelvorwürfe gegen die Anhänger der Gemeinschaft. Es seien Kinder gezüchtigt worden, hatte damals ein ehemaliges Mitglied erklärt. Später soll die Gemeinschaft dies auch beim Ministerium eingeräumt haben. «Die haben zugegeben, dass sie im privaten Umfeld züchtigen – ausdrücklich nicht in der Schule», sagt Unger.

Doch die Ermittlungen sind kompliziert. Es müsse schließlich konkret festgestellt werden, wer zu welchem Zeitpunkt welches Kind geschlagen haben soll, erläutert Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai. «Das ist in diesem Verfahren megaschwierig.» Die Ermittlungen seien deshalb bislang nicht von Erfolg gekrönt gewesen.

Vonseiten der Glaubensgemeinschaft war zu den Vorwürfen keinerlei Stellungnahme zu erhalten. «Im Moment wollen wir dazu nichts sagen», hieß es knapp.

Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag, Martin Güll (SPD), sieht es kritisch, dass der Gemeinschaft einst überhaupt die Privatschule genehmigt wurde. «Entweder es gibt eine staatliche Schulpflicht oder nicht», sagt er. Der Staat sei in diesem Fall sehr großzügig gewesen. Güll ist dagegen, der Gemeinschaft noch eine weitere Frist einzuräumen, wenn die Bedingungen jetzt nicht erfüllt werden. «Da muss man eine klare Ansage machen.»

Auch Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hat bereits angedeutet, dass es im Fall «Zwölf Stämme» keine weiteren Zugeständnisse geben wird. Mit einem Schreiben von Ende April habe das Ministerium der Schule «letztmals die Gelegenheit gegeben», die geforderten Nachweise beispielsweise zur Beschäftigung eines Lehrers beizubringen, heißt es in einem Zwischenbericht Spaenles an den Landtag. Bis Ende Juni will er das Parlament über das weitere Vorgehen informieren. ULF VOGLER,  dpa

Zum Bericht: „Vorwürfe gegen “Zwölf Stämme”: Landtag fordert Aufklärung“

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