HANNOVER. Die Einführung von islamischem Religionsunterricht ist für die Muslime in Niedersachsen ein großer Schritt nach vorn. Bei der Suche nach Lehrern aber taucht ein altes Konfliktthema wieder auf: Wie soll es künftig mit dem Kopftuchverbot gehalten werden?
Trotz eines noch ungelösten Streits um das Kopftuchverbot an Schulen hält Niedersachsen am geplanten Ausbau des islamischen Religionsunterrichts fest. Die muslimischen Verbände und Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) zogen eine positive Bilanz, nachdem der Islamunterricht in diesem Schuljahr als Regelfach eingeführt wurde. Vorangegangen war ein zehnjähriger Modellversuch.
Weil Lehrerinnen das Kopftuch nach aktueller Rechtslage in Niedersachsen nur im Religionsunterricht, aber nicht in anderen Fächern oder im Schulgebäude tragen dürfen, halten sich junge muslimische Frauen mit der Religionslehrerausbildung aber noch zurück, sagte der Chef des Landesverbandes der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), Yilmaz Kilic. «Das Kopftuch ist ein Problem.» Es seien bereits etliche Gespräche auch mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geführt worden. «Wir hoffen, dass wir eine Lösung finden.»
Derzeit wird das Fach an 37 Grundschulen in Hannover, Braunschweig, Lüneburg und Osnabrück unterrichtet. Vom kommenden Jahr an soll es auch an weiterführenden Schulen in den Klassen fünf bis zehn angeboten werden. Insgesamt gibt es rund 49 000 muslimische Schüler. Niedersachsen und Hessen folgten in diesem Jahr Nordrhein-Westfalen, das Islamunterricht bereits 2012 einführte.
«Es geht um Teilhabe, Integration und Gleichbehandlung aller Schüler», sagte Heiligenstadt. Neben evangelischen, katholischen oder jüdischen Kindern gebe es Religionsunterricht nach staatlichen Lehrplänen nun auch für muslimische Kinder, betonte die Ministerin. Bei den Kindern komme das Fach gut an und die Eltern seien sehr zufrieden. Nach Angaben von Ditib-Chef Kilic entscheiden sich über 90 Prozent der muslimischen Familien für den Religionsunterricht. «Damit ist auch eine Normalität an unseren Schulen eingekehrt.»
Mangelware sind derzeit aber noch die Lehrkräfte. Landesweit unterrichten im Moment 25 Pädagogen das neue Fach, sechs weniger als im vergangenen Schuljahr. Außerdem gelang es zunächst nicht, die Zahl der Schulen mit Islamunterricht im Vergleich zum Vorjahr zu erhöhen.
«Es ist ein Fakt, dass Studentinnen sich zurückhalten, dieses Fach zu studieren aus diesem Grund», sagte Anette Abdel-Rahman vom Beirat für den islamischen Religionsunterricht. «Das ist sehr schade, weil sich viele geeignete Frauen dafür interessieren.» Achtzig Prozent der Fachlehrer sind bislang Frauen, keine davon trägt zur Zeit ein Kopftuch in der Schule. «Wir fänden es gut, wenn wir Lehrerinnen mit und ohne Kopftuch haben», sagte Abdel-Rahman. dpa
Zum Bericht: Wegen Kopftuchs ausgeschlossen – integrationsfördernd oder religionsfeindlich?
