Ein Kommentar von NINA BRAUN.
Der CSU-Vorstoß, Einwanderer sollten in ihren Familien deutsch sprechen, legt einem den Kalauer, die Bayern sollten doch erst einmal selbst zu Hause deutsch sprechen, geradezu auf die Zunge. Und tatsächlich kursierten solche Witze, seit der Leitantrag bekannt wurde und für heftige Widerrede sorgt. Vorneweg: Eine Deutsch-Pflicht für Migranten in der heimischen Wohnung wäre natürlich hanebüchen – sie würde schon an der Kontrolle scheitern. Allerdings ist die Idee aus Bayern weniger absurd, als sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Denn erstens, in dem Papier ist nicht von einer Pflicht die Rede, sondern davon, Migranten „anzuhalten“ – was immer das in der Praxis bedeuten würde. Und zweitens, tatsächlich ist die Sprache der Schlüssel für eine erfolgreiche Bildungskarriere, und nicht wenige Schüler aus Einwandererfamilien scheitern in der Schule an sprachlichen Unzulänglichkeiten.
Damit hat es sich an dieser Stelle aber auch schon mit dem Verständnis für die Idee der Christsozialen. Jetzt kommt die Gegenrede: In der Bildungsdiskussion herrsche längst Einigkeit darüber, dass Mehrsprachigkeit die sprachliche, kognitive und auch die soziale Entwicklung von Kindern positiv beeinflusse, hieß es unlängst in München – und zwar bei einer Veranstaltung, die von CSU-Seite höchst wohlwollend betrachtet worden sein dürfte. Es ging dabei nämlich um die Forderung, den bayerischen Dialekt in den Schulen des Freistaates stärker zu fördern. Was für die Mundart gilt, kann für eine Muttersprache wohl kaum falsch sein. Und tatsächlich: Sprachkompetenz, das wissen alle Experten, baut auf einem soliden Fundament, das aus der sicheren Beherrschung einer Erstsprache besteht.
Zu Hause deutsch radebrechende Eltern – die solch ein sicheres Fundament nicht bieten – können mehr Schaden anrichten, als Nutzen stiften. Probleme in der Schule bereitet auch nicht die Beherrschung der Alltagssprache (die haben die meisten Migrantenkinder schnell drauf), sondern eine elaborierte Bildungssprache, die sprachlich unsichere Eltern nicht vermitteln können. Eine Textaufgabe präzise verstehen, ein Stück Literatur bearbeiten – das sind Aufgaben, an denen Migrantenkinder (zu) oft noch scheitern. Dazu bedarf es einer besseren Sprachförderung. Aber nicht zu Hause. Sondern in der Schule. Und dafür müssen mehr Mittel her. Der CSU-Leitantrag sollte also lauten: “Wir statten die Schulen besser mit Personal und Sachmitteln aus, um die sprachlichen Kompetenzen der Schüler zu verbessern.” Und zwar aller – auch deutschstämmige Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien haben Sprachprobleme. Das wäre ein Antrag, der von dieser Stelle aus vorbehaltlos unterstützt würde. Der vorliegende nicht.
Bemerkenswert allerdings ist (wird aber in der aktuellen Debatte kaum beachtet): Die CSU – die sich Jahrzehnte lang einer realistischen Sicht auf das Thema Immigration verweigerte und damit viel Schaden anrichtete – erkennt nun zumindest indirekt an, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Wer Bedingungen für Integration stellt, reglementiert damit den Zuzug – wie es alle klassischen Einwanderungsländer von den USA bis Australien tun. So weit allerdings, den Neubürgern vorzuschreiben, wie sie zu Hause zu sprechen haben, geht niemand. Aus den genannten guten Gründen.
Zum Bericht: Kein Scherz: CSU will Einwanderern Deutsch zu Hause vorschreiben
