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Immer mehr Eltern bekommen es nicht mal mehr hin, ihr Kind zur Schule anzumelden – Brennpunktschulen schlagen Alarm

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ESSEN. Zwei aktuelle Meldungen aus Essen werfen ein Schlaglicht auf die zunehmend schwierigere Arbeit für Lehrerinnen und Lehrer – nicht nur in der Ruhrgebietsmetropole. Rund zehn Prozent der Eltern dort, so heißt es in einem Bericht der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ), sind offenbar nicht mal in der Lage, ihre Kinder fristgerecht an einer Grundschule anzumelden – und dabei handelt es sich in diesem Jahr nicht um einen einmaligen Ausreißer nach oben, sondern um ein sich seit mehreren Jahren verfestigendes Phänomen. Und: 15 Schulen aus einem als belastet geltenden Stadtbezirk schlagen jetzt gemeinsam Alarm.

Bonjour tristesse: Straßenszene in Essen-Katernberg nördlich des “Wohlstandsäquators” A40. Foto: Michael Sonnabend / flickr (CC BY-SA 2.0)

Der quer durch Essen verlaufende Ruhrschnellweg, die Autobahn 40, teilt als sogenannter „Wohlstandsäquator“ die 580.000-Einwohner-Stadt in einen bürgerlichen Süden und einen strukturell schwachen Norden. Nördliche Stadtteile wie Altenessen, Karnap und Vogelheim kämpfen mit einem hohen Migrantenanteil und Ghettosierung, Drogenhandel und Jugendkriminalität – und dort, im Bezirk V, sind elf Grund-, eine Real-, eine Förder-, eine Gesamtschule und zwei Gymnasien angesiedelt, die nun gemeinsam „einen dramatischen Hilferuf“ an die Politik in Stadt, Land und Bund abgesetzt haben, wie die WAZ berichtet.

„Wir benötigen sofort mehr Unterstützung, um unseren Aufgaben gut gerecht werden zu können“, sagt der Leiter einer der Grundschulen „Allein an unserer Schule ist die Zahl der Schüler in nur einem Jahr von 260 auf 340 gestiegen wegen der Flüchtlingskinder.“ Die durchschnittliche Klassenstärke liege bei 28 Kindern – was viel zu hoch sei: „Sie können in einem sozialen Brennpunkt nicht mit so vielen Kindern in einer Klasse arbeiten, da kommt bei den einzelnen Schülern viel zu wenig an.“

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Als Ergebnis einer Personalplanung, die alle Schulen (unabhängig vom Standort) gleich behandle, sieht der Leiter eines Gymnasiums die Übergangs-Quoten auf seine Schulform. Sie liegen im – armen – Norden dramatisch niedriger als im – bürgerlichen – Süden. „Dabei kann uns niemand erzählen, dass die Kinder im Süden schlauer sind. Was fehlt, ist Unterstützung der Eltern, die von der Schule aufgefangen werden muss.“

Die Schulleiter fordern laut Bericht vom Land Nordrhein-Westfalen mehr Lehrerstellen, damit kleinere Klassen gebildet werden können. Von der Stadt Essen erwarten die Pädagogen, dass Schulsozialarbeiter dauerhaft eingestellt werden können, ohne dass dafür – wie bislang üblich – eine Lehrerstelle gestrichen werde. „Das geht vielleicht bei einer großen Schule mit 90 Lehrern, bei einer Grundschule mit einem Dutzend Pädagogen ist das nicht möglich“, erklärt der Schulleiter. Außerdem müssten Schulen, an denen viele Flüchtlingskinder unterrichtet werden, mehr Stunden für Sekretärinnen zugewiesen bekommen. „Flüchtlingsfamilien machen einem Sekretariat allein wegen fehlender Deutschkenntnisse und mangelhafter Papiere viel Arbeit.“

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Wie viel Arbeit durch schwache Sozialstrukturen in Schulen anfällt, das lässt sich an einem Wert erahnen, der aktuell in Essen kursiert – und der die Schulen im strukturschwachen Norden der Stadt wohl stärker betreffen wird: Nach dem Ende der offiziellen Fristen fehlten immer noch rund 500 Grundschul-Anmeldungen – rund zehn Prozent der Eltern hätten sie „verbummelt“. Das seien Zustände, die bei Praktikern und in der Verwaltung seit Jahren als „normal“ hingenommen würden, so berichtet ebenfalls die WAZ. Leiter von Essener Grundschulen hätten dem Blatt in ungewöhnlich deutlichen Worten erklärt, woran das liege: „Viele Väter und Mütter können das einfach nicht – ihr Kind anmelden. Selbst, wenn es sich um ein Geschwisterkind handelt“, so wird der Leiter einer Grundschule zitiert. Rund ein Drittel seiner Schulanfänger würden nicht fristgerecht angemeldet. Das liege vor allem an fehlenden Sprachkenntnissen. „Wir bräuchten Kümmerer im Stadtteil, die die Familien kennen, denn das Engagement von Schule und Kindergärten reicht nicht aus.“

Eine Schulleiterin meint: „Das liegt nicht nur an mangelnden Sprachkenntnissen, sondern auch am mangelnden Verständnis für die Wichtigkeit von Amtsschreiben.“ Gleiches gelte für die verbindliche Vereinbarung von Terminen, „die von manchen Eltern als lose Empfehlung missinterpretiert würden. „Da bleibt man dann alleine sitzen, und die Eltern stehen einen Tag später in der Tür.“ Ganz abgesehen von Familien, die heute hier und morgen dort wohnen und einem Verständnis-Problem, das offenbar nicht immer echt ist: „Manche Väter und Mütter stellen sich extra dumm. Die haben eine klare Konsumenten-Haltung, mehr nicht. Die schaffen es immer, Geld für Schulmaterial beim Job-Center abzugreifen, doch das Kind bekommt zum ersten Schultag nicht einen einzigen Stift.“

Und jetzt noch ein Schülerboom…

Und nun steht auch noch ein Schülerboom ins Haus. Im kommenden Jahr werden in Essen insgesamt mehr als 5200 Kinder eingeschult – so viele wie seit zwölf Jahren nicht. Dabei klagten schon jetzt die Grundschulen über viel zu volle Klassen. Der Richtwert von 26 Kindern werde vielerorts längst nicht mehr gehalten, sondern habe angesichts des Andrangs auf die gesetzlich zulässige Höchstgrenze von 29 Schülern pro Klasse hochgesetzt werden müssen, heißt es. Hinzu kommen Probleme der Grundschulen, derzeit schnell das passende Personal zu finden: In Nordrhein-Westfalen herrscht im Primarbereich ein eklatanter Lehrermangel. Auch hier sehen sich die Brennpunktschulen benachteiligt: Wer will schon in einem belasteten Bezirk unterrichten? bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Wann, wenn nicht jetzt? Gebt Lehrern endlich die Unterstützung, die sie brauchen!

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