Spionagevorwürfe – KMK setzt türkischen Konsulatsunterricht auf die Tagesordnung

1

BERLIN. Tausende Schüler in Deutschland erhalten Türkisch- und Heimatkundeunterricht von Lehrern, die der türkische Staat auswählt und bezahlt – angesichts der derzeitigen politischen Verhältnisse in der Türkei eine zunehmend umstrittene Praxis. Die kurdische Gemeinde vermutet, dass viele der türkischen Konsulatslehrer als Spitzel arbeiten. Dafür sieht KMK-Präsidentin Eisenmann zwar keine Hinweise, dennoch soll das Gremium bei seine aktuellen Sitzung über das Thema beraten.

Angesichts der Spannungen zwischen Berlin und Ankara sehen die Bundesländer den von der Türkei organisierten Türkischunterricht in Deutschland zunehmend kritisch. Die meisten Länder, in denen es solchen Unterricht gibt, wollen aber vorerst daran festhalten. Das zeigt eine Umfrage anlässlich der Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK).

KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) sprach von intensiven Beratungen. «Die Länder werden dieses Thema weiterhin sehr kritisch begleiten.» Neue Beratungen über gemeinsame Schritte mit dem Bund seien möglich, sagte die Kultusministerin Baden-Württembergs.

In einigen Bundesländern hat die Türkei die Aufsicht über den muttersprachlichen Türkischunterricht. Angesichts von Verfolgung und Inhaftierungen echter oder vermeintlicher Regierungsgegner in der Türkei eine zunehmend umstrittene Praxis. Foto: Jeremy Vandel / Flickr (CC BY 2.0)
In einigen Bundesländern hat die Türkei die Aufsicht über den muttersprachlichen Türkischunterricht. Angesichts von Verfolgung und Inhaftierungen echter oder vermeintlicher Regierungsgegner in der Türkei eine zunehmend umstrittene Praxis. Foto: Jeremy Vandel / Flickr (CC BY 2.0)

Die Kurdische Gemeinde hat den türkischen Konsulatsunterricht in Deutschland als untragbar kritisiert und die Überführung in das staatliche Schulwesen gefordert. Es sei fatal zu glauben, dass dieser aus Ankara gesteuerte Unterricht für türkische Muttersprachler politisch neutral sei, sagte der Generalsekretär der Kurdischen Gemeinde, Cahit Basar, der «Heilbronner Stimme» «Der dort vermittelte Nationalismus lässt sich mit unserem Grundgesetz nicht vereinbaren.»

Basar äußerte den Verdacht, dass es türkische Spione unter den Konsulatslehrern gebe. «Wir haben überführte Ditib-Imame erlebt, die ihre Gemeinden bespitzelt haben», sagte er. «So wie die Ditib-Imame sind die Lehrer türkische Staatsbeamte. Wir müssen leider davon ausgehen, dass auch Konsulatslehrer als türkische Spione arbeiten. Das Vertrauen ist nun mal verspielt.»

Beim türkischen Konsulatsunterricht bekommen Kinder, deren Eltern aus der Türkei stammen, in Deutschland Türkisch und Heimatkunde beigebracht. Die Lehrer werden vom türkischen Staat ausgewählt und bezahlt. Doch mit der Kritik daran sind mehrere Länder zurückhaltend.

Nicht berechtigt seien Bedenken, dass dabei von langer Hand eine unangemessene Staatsdoktrin oder Ideologie etwa im Sinn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vermittelt würde, sagte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD). «Bei der Beschäftigung mit dem Konsulatsunterricht wurde uns deutlich, dass es den ernstzunehmenden Wunsch gibt, etwas vom Heimatland zu erfahren.»

Allerdings sei dieser nach dem normalen Schulbetrieb erteilte Unterricht pädagogisch altmodisch, zudem würden unter anderem ungefiltert Atatürk-Traditionen weitergegeben, sagte Rabe. Bayerns Minister Ludwig Spaenle (CSU) mahnte, Konsulatsunterricht dürfe nicht zu nationalen oder politischen Zwecken missbraucht werden.

Die Bremer Bildungsverwaltung verwies auf mögliche Interventionen, wenn die türkische Regierung problematische Inhalte in den Unterricht einbringe. Derzeit würden Lehrpläne intensiv überprüft. «Wir halten zunächst an unserem Konzept fest», hieß es weiter.

Durch ein eigenes Angebot ersetzt werden soll der von Konsulaten angebotene Unterricht im Saarland. «Wir wollen den Umstand beheben, dass derzeit von Seiten des Saarlandes keine Dienst-, Fach- oder Rechtsaufsicht über den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht besteht», sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. Geplant sei eine Neufassung der entsprechenden Verordnung.

Auch Hamburgs Senator Rabe favorisiert Angebote wie etwa Türkischunterricht im staatlichen Schulbetrieb. Dies könnten etwa Wahlpflichtkurse oder Angebote einer zweiten oder dritten Fremdsprache sein. Auch Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) setzt auf mehr Angebote für Migrantenkinder an staatlichen Schulen. Der türkische Konsulatsunterricht dürfe aber auch nicht unter Generalverdacht gestellt werden, sagte ein Sprecher. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sieht «Veranlassung, über die Inhalte des Lehrplans für türkischen Konsulatsunterricht zu sprechen», wie sie sagte.

Konsulatsunterricht gibt es nicht nur für türkischstämmige Kinder. Bei der Einrichtung der Angebote vor vier Jahrzehnten war das Motiv, dass Kinder von Gastarbeitern vorbereitet werden sollten, in die Heimat der Eltern zurückzukehren. Laut KMK-Sekretariat gibt es ihn in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, dem Saarland und Schleswig-Holstein. In den neuen Ländern und Rheinland-Pfalz wird er nicht angeboten. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen besteht die Möglichkeit, er findet jedoch wegen Angeboten an staatlichen Schulen kaum statt.

Rabe teilte mit, Schulräte hätten den Konsulatsunterricht in der Hansestadt inspiziert. Die Besuche seien nur möglich geworden, weil der Senat den Unterricht mit rund 50 000 Euro pro Jahr unterstütze.

Pro Schüler kosten zwei zusätzliche Wochenstunden Türkisch an staatlichen Schulen laut der Hamburger Bildungsbehörde rund 800 Euro im Jahr. «Es ist jedoch wichtig, die Vielfalt der Schülerschaft auch im Unterricht abzubilden», sagte ein Sprecher. (dpa)

Landtagspräsidentin Aras will muttersprachlichen Unterricht nicht länger den Konsulaten überlassen – vor allem den türkischen nicht

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Cavalieri
6 Jahre zuvor

Konsulatsunterricht macht nur Sinn für die Kinder von Botschafts- und Konsulatsangehörigen, weil diese ja nur befristet im Lande sind. Das sagt eigentlich ja bereits der Name. Eventuell könnte man auch an Geschäftsleute und Militärs denken, die definitiv befristet im Lande sind. Die normalen Migranten dagegen sollen ihre Kinder auf normale Schulen schicken, einschließlich etwaiger Privatschulen, die es ja bereits gibt. Das ist garantiert besser für die sogenannte Integration. Nach allem, was man weiß, wirkt der Konsulatsunterricht desintegrierend (so wie auch Koranschulen).