BERLIN. Am heutigen Donnerstag ist Weltlehrertag – und die GEW sowie der VBE erinnern aus diesem Anlass an die Massenentlassungen von Lehrern in der Türkei. „Wir beobachten mit Sorge, wie Regime versuchen, auf Lehrpläne und vermittelte Inhalte Einfluss zu nehmen oder gar Lehrkräfte entlassen. Was damit bezweckt werden soll, ist klar: Verminderung der Meinungspluralität, Gehorsamkeit und damit auch Kinder, denen das selbstständige Denken verwehrt werden soll. Hier müssen wir hinsehen und unsere Kollegen im Ausland solidarisch unterstützen“, sagte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. Der Weltlehrertag steht unter dem Motto „Lehren in Freiheit, Lehrkräfte bestärken“.
„Für jede Gesellschaft ist es essenziell wichtig, dass die Lehrkräfte in Freiheit lehren können. Sie sind es, welche die zukünftige Generation auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereiten. Das geht nur, wenn sie ausreichende Freiraume haben, um die Meinungsvielfalt darzustellen und die Schülerinnen und Schüler zu selbstständigem Denken und zu eigenen Entscheidungen ermuntern“, erklärte Beckmann – und sagt mit Blick auf Deutschland und die Bundestagswahl:. „Die Lehrkräfte müssen darin bestärkt werden, diese Verantwortung wahrzunehmen. Gerade wenn extremistische Äußerungen salonfähig werden und sogar zu Landtags- und Bundestagsmandaten führen, brauchen wir die Demokratieerziehung mehr denn je.“
Angesichts der Repressionen, denen sich Tausende von Lehrern in der Türkei ausgesetzt sehen, hat GEW-Chefin Marlies Tepe die Regierung in Ankara aufgefordert, den Ausnahmezustand zu beenden und zu rechtsstaatlichen Prinzipien zurückzukehren. „Dazu gehört, alle inhaftierten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter freizulassen, die zu Unrecht entlassenen Lehrkräfte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder einzustellen und deren sozialen Status wieder herzustellen“, sagte Tepe.
„Seit dem Putschversuch im Sommer 2016 wurden mehr als 100.000 Staatsbedienstete entlassen oder von der Arbeit suspendiert. Etwa ein Drittel sind Lehrerinnen und Lehrer, darunter viele Mitglieder der Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen. Die Entlassungen werden nicht angekündigt, Gründe nicht genannt. Die türkische Regierung veröffentlicht einfach Namenslisten auf ihrer Website. Die Lehrkräfte stehen plötzlich vor dem Nichts. Ihre Entlassungen kommen faktisch einem Berufsverbot gleich“, berichtete Tepe am Mittwoch. In Frankfurt am Main. „Die Kolleginnen und Kollegen können nicht mehr als Lehrkräfte arbeiten, da sie keine Chance haben, eine neue Stelle im Staatsdienst zu bekommen. Die Entlassungen bedeuten das soziale Aus, weil die Kolleginnen und Kollegen auch ihre Krankenversicherung sowie ihre Pensionsansprüche verlieren und die Türkei nicht verlassen dürfen.“
Tepe machte zudem darauf aufmerksam, dass auch hunderte Lehrkräfte an Universitäten und Hochschulen entlassen worden seien und Berufsverbot hätten. Viele hätten sich Anfang 2016 mit dem Appell „AkademikerInnen für den Frieden“ für ein Ende des Krieges in den Kurdenregionen eingesetzt.
Eisige Zeiten beim Bildungsaustausch: Deutsche wollen kaum noch in die Türkei
In den Schulen in der Türkei fällt Tepe zufolge immer mehr Unterricht aus, weil Lehrkräfte fehlen. Neu eingestellte Lehrerinnen und Lehrer erhielten nur noch Frist- statt fester Arbeitsverträge. Gleichzeitig würden neue Lehrpläne eingeführt, die einer Islamisierung des Unterrichts an öffentlichen Schulen Vorschub leisten. So sei es beispielsweise im Biologieunterricht künftig nicht mehr erlaubt, über die Evolutionstheorie zu informieren. „Immer mehr gewerkschaftlich aktive Lehrkräfte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fliehen aus der Türkei. Der Grund: Viele Kolleginnen und Kollegen werden kriminalisiert und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt“, sagte Tepe. „Selbstverständlich unterstützt die GEW Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei und deren Familienmitglieder, die in Deutschland Asyl beantragt haben.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Der Weltlehrertag, der stets am 5. Oktober begangen wird, geht zurück auf einen Beschluss von UNESCO, ILO und Education International (EI). “. Mit der Initiative soll der Lehrerberuf weltweit gewürdigt werden. Die EI vertritt 30 Millionen Beschäftigte in Bildungseinrichtungen von der frühkindlichen Erziehung bis zur Universität in 400 Mitgliedsorganisationen aus mehr als 170 Ländern. Der VBE ist eine der Gründungsorganisationen der EI.
