WEILBURG. Der Hessische Philologenverband hat „eine Rückbesinnung auf die Kernfunktion des Gymnasiums” gefordert, nämlich: „leistungsstarke und leistungswillige Schülerinnen und Schüler ab der 5. Jahrgangsstufe auf angemessenen Lehr- und Lernwegen zu einer qualifizierten allgemeinen Hochschulreife zu führen“. Oder kürzer: „Das Gymnasium darf nicht zur Gemeinschaftsschule werden!“ Eine entsprechende Resolution hat der Verband auf seiner diesjährigen Vertreterversammlung in Weilburg verabschiedet.
Darin verlangen die die Delegierten aus über 260 Schulen eine „Klärung, was das Gymnasium in der heutigen Zeit leisten soll“. In den letzten Jahren habe das Gymnasium „einen breiten Zustrom an Kindern unterschiedlichster Begabung erfahren, die zunehmend nicht dem gymnasialen Anforderungsprofil entsprechen“. immer mehr Kinder und Jugendliche „mit durchschnittlichem bis mäßigem Lernvermögen“ besuchten das Gymnasium, welches ihnen aufgrund von Arbeitsweise und Struktur nicht die bestmögliche Förderung bieten könne.
Das Grundprinzip der Schul- und Bildungspolitik, so meinen die Gymnasiallehrer, sollte sein: „Fördern und Fordern – nicht überfordern, aber eben auch nicht unterfordern!“ Dazu brauche es „möglichst ideologiefreie Rahmenbedingungen“. Das Gymnasium sollte nach Ansicht des Verbands nicht zur Gemeinschaftsschule werden, laufe aber Gefahr, dies zu tun. „Der Hessische Philologenverband mahnt dringend eine Abkehr von der einseitigen und schädlichen Fokussierung von Politik, Gesellschaft und Eltern auf das Abitur an. Jedes Kind soll an einer passenden Schule seine Talente und Fähigkeiten bestmöglich entwickeln und Erfolgserlebnisse zur Stärkung seiner Persönlichkeit erfahren können“, so heißt es in der Resolution.
Die Philologen setzen sich für eine effektivere Beratung der Eltern durch die Grundschulen ein, damit diese im Interesse ihrer Kinder am Ende der 4. Klasse einen angemessenen weiterführenden Bildungsgang wählen können. „Der Irrweg der pseudoakademisierten Gesellschaft muss aufgegeben werden, die praktisch-handwerkliche Begabung darf nicht hinter der intellektuellen zurückbleiben“, heißt es. Wie das geschehen soll, dazu hat der Verband eine konkrete Vorstellung – nämlich durch „eine Stärkung der Befugnisse des aufnehmenden Gymnasiums, diejenigen Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klassen, welche den gymnasialen Anforderungen nicht ausreichend entsprechen können, zu ihrem eigenen Wohl in eine für sie besser geeignete Schulform zu versetzen“. Das (hessische) Schulgesetz sei entsprechend anzupassen.
Darüber hinaus bedürfe es einer deutlichen Stärkung der Grundschulen, „zum Beispiel personell“, um ihnen auch wieder die Förderung leistungsstarker Kinder zu ermöglichen und diese auf den Übergang ins Gymnasium adäquat vorzubereiten.
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Durch den aktuell starken Zustrom von Kindern „unterschiedlichster Begabung“ ergäben sich Frustrationen doppelter Natur: Zum einen beeinträchtigten sehr heterogene Lerngruppen den Unterrichtserfolg aller Schülerinnen und Schüler. Den Individualisierungsmöglichkeiten beim binnendifferenzierten Unterrichten seien nämlich Grenzen gesetzt. Zum anderen bleibe deshalb der Lernerfolg aufgrund mangelnder Befähigung bei signifikant vielen Lernenden aus – und viele Schülerbiographien nähmen Schaden. „Die sich einstellende Frustration führt bis hin zu Lernverweigerung und zu vermindertem Selbstbewusstsein. Leistungsfähige Kinder und Jugendliche – die Zielgruppe eines Gymnasiums – werden hingegen oft nicht ausreichend gefordert und manch ein (für unsere Gesellschaft so wichtiges) Talent bleibt ungenutzt“, heißt es in der Resolution. N4t
