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Dramatischer Appell der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft: Schluss mit dem Seiteneinstieg kaum qualifizierter Kräfte in den Grundschuldienst!

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BERLIN. Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft warnt in einem Brandbrief vor einem drastischen Qualitätsverlust der Grundschulpädagogik durch unzureichend ausgebildete Seiteneinsteiger. Was derzeit an den Grundschulen passiere, würde in der Medizin als völlig unverantwortlich gelten – dabei würde in der Primarstufe die Grundlage für die Bildungskarriere aller Kinder gelegt.

Immer mehr Menschen kommen über den Seiteneinstieg in den Schuldienst. Foto: pixabay

„Wir haben extreme Sorgen in Bezug auf die Grundschule“, sagt der renommierte Bildungsforscher Jörg Ramseger einem Bericht des Berliner „Tagesspiegels“ zufolge. Ramseger hat einen Appell der „Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft“ (DGfE)  mitverfasst, der vor den „unabsehbaren Folgen“ des verstärkten Quereinstiegs warnt. Quereinsteiger dürften auf keinen Fall bei Erstklässlern eingesetzt werden, da für die Alphabetisierung von Kindern fundiertes Fachwissen nötig sei. Und der Quereinstieg dürfe nicht zum Normalfall werden.

Verantwortlich für den Appell zeichnet die Kommission „Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe“ der  DGfE, der rund 80 Professorinnen  und Professoren  und Hunderte von wissenschaftlichen  Mitarbeiterinnen  und  Mitarbeitern angehören,  die an den bundesdeutschen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen maßgeblich die Ausbildung  der  Grundschullehrerinnen  und  Grundschullehrer verantworten.

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Die Kommission nimmt dem Papier zufolge „mit großem  Unverständnis die derzeitige Praxis zur Kenntnis, dass in vielen Bundesländern eine sehr große Anzahl von Personen OHNE  entsprechende  fachliche,  fachdidaktische und vor  allem pädagogisch-psychologische  Qualifikation  als  sogenannte  Seiten- und  Quereinsteiger in  den  Schuldienst  der Länder eingestellt und sogar dauerhaft übernommen wird.“  Gleiches gelte für Studierende, die ihr  Studium  noch  nicht  beendet  haben, aber  gleichwohl  an  Grundschulen bereits  eigenverantwortlich  unterrichteten.

„Über  diese  Praxis sind zunehmend Personen  im  Schuldienst  der Grundschule tätig, die kein wissenschaftliches Lehramtsstudium der entsprechenden Schulform und kein Referendariat abgeschlossen haben. Zwar  unterscheiden  sich  die Modalitäten für  die  sogenannten  Quer- und  Seiteneinsteiger je  nach Bundesland und Schulform, im Grundschulbereich  ist  jedoch aufgrund  des  eklatanten Lehrkräftemangels diese Praxis besonders häufig anzutreffen – mit unabsehbaren Folgen für den zukünftigen Bildungserfolg der Kinder“, so heißt es.

“Der Forschungsstand ist eindeutig”

Die Wissenschaftler betonen: „Die Grundlagen für  eine  berufliche  Qualifikation von  Lehrerinnen  und  Lehrern können nur  durch ein entsprechendes Studium gelegt werden. Der Forschungsstand dazu, was die Professionalität von Lehrkräften und besonders von Grundschullehrkräften ausmacht, ist eindeutig. Professionelle Grundschullehrkräfte  benötigen sowohl fundierte fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen in den grundschulrelevanten Unterrichtsfächern als auch eine bildungswissenschaftliche  Ausbildung  mit grundschulpädagogischen und grundschuldidaktischen Schwerpunkten.“

Die spezifischen inhaltlichen Anforderungen an  den  Grundschullehrberuf ergäben sich aus der Tatsache, dass die Grundschule als erste Schule im Bildungssystem und als Schule für alle Kinder für  die grundlegende Bildung verantwortlich ist. „Grundlegende Bildungsprozesse  anzuregen, zu begleiten und zu unterstützen, Kinder in die sogenannten Kulturtechniken einzuführen  und  dabei  allen  Kindern  mit  ihren  je  eigenen  und  höchst  unterschiedlichen  Lernvoraussetzungen gerecht zu werden, stellt sehr hohe Anforderungen an den Grundschullehrberuf. Gerade die gestiegenen Herausforderungen an einen im umfassenden Sinne inklusiven Unterricht erfordern besondere professionelle Kompetenzen.“

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Aus der Erkenntnis heraus, dass die Professionalität von Lehrkräften besonders bedeutsam für  Lernprozesse  von  Kindern  im  jungen  Alter  sei,  hätten in  den  letzten  Jahren  die  meisten Bundesländer die entsprechenden Konsequenzen gezogen und das Lehramt für Grundschulen  als  ein  zehnsemestriges  Studium  angelegt.  Mit  dem  Referendariat  beträgt  die  gesamte Ausbildungszeit  für  diesen  voraussetzungsreichen Beruf damit  sechs  bis  sieben  Jahre,  je nach Bundesland. „Die hierdurch erreichten Qualitätsstandards werden durch die Einstellung von  nicht  adäquat  ausgebildeten  Personen  massiv  konterkariert“, erklären die Bildungsforscher.

„Ein  vergleichbares  Vorgehen  beispielsweise  in  der  Medizin  würde als  vollkommen verantwortungslos beziehungsweise als undenkbar bezeichnet. Die Kommission betrachtet die Einstellung von Seiten-  und Quereinsteigern deshalb mit großer  Beunruhigung  und  sieht  in  dieser  Entwicklung sowohl einen  erheblichen  Rückfall  hinter die geltenden Standards für die Qualifikation von Grundschullehrkräften als auch eine massive Beeinträchtigung der Professionalität  im System  Grundschule.  Für Kinder  am  Anfang ihrer  Bildungslaufbahn,  für  ihre  Bildung  und  Erziehung, können  daraus erhebliche  negative individuelle und gesellschaftliche Folgen resultieren.“

Weiter heißt es: „Die Kommission fordert deshalb alle in der Bildungspolitik verantwortlichen Personen in den Bundesländern dazu  auf,  ihrem  Auftrag  gerecht  zu  werden  und dafür  zu sorgen, dass  die scheinbar  notwendige Einstellung  von  Seiten- und Quereinsteigern zwingend mit  Maßnahmen verknüpft  wird,  die die Professionalität  aller dauerhaft  in Grundschulen als  Lehrkraft tätigen Personen sicherstellt.  Dies  kann qualitativ  nur durch eine professionsbezogene Nachqualifizierung und quantitativ  durch  entsprechend  hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen  erfolgen, in ‚Schnellkursen‘  können  keine wissenschaftlichen und  universitären Standards des Grundschullehrberufs erreicht  werden.“

Die  Äquivalente  eines  Vollzeitstudiums  in den Disziplinen der Grundschulpädagogik und der Fachdidaktiken der grundschulrelevanten Unterrichtsfächer müssten  erfüllt  sein – je  nach  den  Vorgaben  der jeweiligen länderspezifischen Lehrerausbildungsgesetze. „Zusätzlich sind längerfristige Maßnahmen wie der Ausbau von  Studienplätzen  zu  ergreifen, um  zukünftig  den Bedarf mit grundständig und  vollständig ausgebildeten  Lehrkräften decken  zu  können. Hierfür  wird  dringend  in  jedem  Bundesland eine  vorsorgende  Personalbedarfsplanung,  einschließlich  der  Lehrerbildnerinnen und  Lehrerbildner im Hochschulbereich, benötigt“, so betont die Kommission. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

 

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