STUTTGART. Der umstrittene baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon hat öffentlich die bundesweiten Stolperstein-Aktionen zum Gedenken an NS-Opfer als „Erinnerungs-Diktatur“ geschmäht – und deren Ende gefordert. „Mit ihren Aktionen versuchen die Stolperstein-Initiatoren ihren Mitmenschen eine bestimmte Erinnerungs-Kultur aufzuzwingen und ihnen vorzuschreiben, wie sie wann wessen zu gedenken hätten“, behauptet Gedeon in einem von ihm öffentlich gemachten Schreiben. Zahlreiche Schulen in Deutschland beteiligen sich an den Stolperstein-Aktionen des Kölner Künstlers Gunter Demnig.

„Vor etwas anderthalb Jahren fand sich eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern unserer Schule, die sich dafür einsetzen wollte, solche ‚Stolpersteine‘ auch für die 61 ermordeten Juden aus dem Gebiet der heutigen Stadt Bornheim einzusetzen“, so heißt es auf der Homepage der Europaschule Bornheim. Auf dem Schulfest sammelten die Kinder und Jugendlichen Geld für das Projekt. „Die zwei Steine, die mit den Spenden aus unserer Schulgemeinde eingesetzt werden, erinnern an Frau und Tochter des Schusters Jakob Goldstein, wohnhaft in Bornheim, Burgbenden 4, deportiert 1942 nach Theresienstadt. Danach keine Lebenszeichen mehr.“
Auf der Webseite der Maria Sibylla Merian Gesamtschule Bochum steht zu lesen: „Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs legten mit dem Künstler zusammen drei Stolpersteine für die Mitglieder der Familie Liebreich. Julius Liebreich, ein geachteter Kaufmann, der mit seiner Frau Grete, geb. Spiero, und seinen drei Söhnen Bernd, Hans und Rudi im Haus Westenfelder Str. 44 wohnte, wurde mit seiner Frau und dem jüngsten Sohn am 28. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.“
Zwei Beispiele von vielen aus ganz Deutschland, bei denen sich Schüler an den Aktionen beteiligen, die das Geschehen von damals anschaulich machen sollen. Die Stolpersteine werden in der Regel vor dem letzten Wohnsitz der Betroffenen ins Bürgersteigpflaster eingelassen. „Wer gibt diesen oft sehr penetranten Moralisten das Recht dazu? Es geht nicht nur um eine Inflationierung von Gedenken, sondern auch darum, dass hier aus Erinnerungs-Kultur immer mehr Erinnerungs-Diktatur wird. Das sollte man nicht weiter unterstützen“, meint nun der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, der als Antisemit gilt. Gedeon darf nach einem jüngst ergangenen Urteil des Landgerichts Berlin auch als Holocaust-Leugner bezeichnet werden, wie es der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, getan hatte. Aus Sicht Schusters versucht der AfD-Politiker, den Völkermord der Nazis an den Juden zu bagatellisieren und zu relativieren.
“Schäbige Botschaften”
Nach Gedeons Kritik an den Stolpersteinen hat nun auch das Internationale Auschwitz Komitee die rechtspopulistische Partei scharf angegriffen. „Die AfD bekämpft immer brachialer und skrupelloser, was die Überlebenden von Auschwitz als Zeitzeugen in der deutschen Gesellschaft bewirkt haben“, sagte der Vizepräsident des Komitees Christoph Heubner. Diese werteten Jargon und Inhalte der „schäbigen Botschaften“ als persönliche Angriffe. Sie seien ein Versuch, die Überlebenden und ihre Erinnerungen aus der Deutschen Gesellschaft herauszudrängen.
Vor einem Jahr hatte der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke – selbst Geschichtslehrer von Beruf – die deutschen Schulen wegen ihrer Erinnerungskultur an den Holocaust scharf angegriffen. Höcke sagte, bis jetzt sei der deutsche Gemütszustand der „eines brutal besiegten Volkes“. „Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben, …vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt…, und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht“, rief Höcke vor Anhängern. Dabei nannte er auch das Holocaust-Mahnmal in Berlin „ein Denkmal der Schande“. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Hier geht es zur Seite des Projektes “Stolpersteine”.
Mit diesen dummen, wie auch überflüssigen Bemerkungen zu diesen nur rudimentären Erinnerungsbruchstücken an ermordete deutsch-jüdische Persönlichkeiten,
schaffen es gerade die Dümmsten unter uns, sich in unser Gedächtnis einzubrennen.
Dabei verbindet man eigentlich mit dem Namen Gideon Ausgaben des Neuen Testaments ,die häufig in Hotels ausliegen.
Welch einen Gegensatz zum Neuen Testament bildet dazu dieser Antismit und Holocaust-Leugner.
Erinnerungen an Nazi-Opfer sind grundsätzlich richtig, mit oder ohne solche Steine. Die AfD täte gut daran, hier nicht zu meckern. Allerdings wünschte ich mir, man pflegte auch in Italien mal Erinnerungen an Mussolini-Opfer, in Spanien an Franco-Opfer usw. Speziell in Italien gibt es noch Mussolini-Denkmäler und eine Mussolini-Verehrung:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/faschismus-und-aufarbeitung-mussolini-kult-in-italien-noch.979.de.html?dram:article_id=318034
Da steht, in Rom gibt es noch einen “Mussolini-Obelisken” mit eindeutiger Aufschrift. Am Schluss heißt es: “Alle lassen die Verkäufer der Mussolini-Souvenirs gewähren.” Ich habe noch nicht wahrgenommen, dass sich jemand im Namen der “europäischen Werte” dagegen ausgesprochen hat. Wie wäre es mit solchen Stolpersteinen in Rom, dort, wo die vielen Touristen sind?
In einer Zeit, in der die allerletzten Überlebenden des Holocausts versterben, bieten diese Stolpersteine eine einfache Möglichkeit, den Verbrechen und Opfern des zweiten Weltkriegs zu gedenken. Was das mit einer “Erinnerungs-Diktatur” zu tun hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wenn das Ziel dieses AfD-Knallkopfes war, in die Presse zu kommen, hat er es geschafft. Jedes darüber hinaus gehende Ziel kann nur Kopfschütteln hinterlassen. Die großen Parteien sollten sich mal dringend wieder ein Profil geben, damit solche Knallköpfe keine Wählerstimmen mehr abgreifen können.
Zur Klarstellung: Gedeon ist auf Druck der Parteiführung und eines drohenden Ausschlussverfahren bereits im Juli 2016 aus der AfD ausgetreten. Der Artikel suggeriert jedoch, er vertrete die Meinung der AfD.
Auch Bildungsjournalisten sollten sich falsche Töne verkneifen, wenn sie nicht selbst in den Geruch von Hass und Hetze kommen wollen. Der Leser sollte sich auf den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen verlassen können.
Danke für die Klarstellung. Gedeon scheint also selbst der AfD schon zu extrem oder zumindest ein zu großes Risiko zu sein.
Das stimmt nicht. “Gegen Gedeon lief ein Ausschlussverfahren. Ein Parteischiedsgericht stellte es im Dezember aus Mangel an Beweisen ein. Der Abgeordnete bleibt im Landtag, aber aus der Fraktion ausgeschlossen. Er sitzt dort als Einzelabgeordneter”, so berichten “Welt” und “Zeit” übereinstimmend.
Und Wikipedia – in diesem Fall offenbar gut informiert – berichtet: “Trotz seiner Fraktionslosigkeit wurde die Zusammenarbeit mit seinen ehemaligen AfD-Fraktionskollegen fortgesetzt. So stellte Gedeon gemeinsam mit vier AfD-Landtagsabgeordneten drei Anträge zum Bundesparteitag im Dezember 2017. Ferner wurde er am 21. November 2017 von der Landtagsfraktion in deren Arbeitskreis Europa aufgenommen, nachdem ein Beschluss der Fraktion ihm ermöglichte, als ‘Gast’ an Arbeitskreissitzungen teilzunehmen.”
Weiter heißt es: “Im Januar 2018 schließlich erklärte AfD-Landessprecher Ralf Özkara, dass das Landesschiedsgericht den Ausschluss Gedeons ‘aus formalen Gründen’ abgelehnt habe. Erklärt wurde dies mit einer nicht fristgerechten Einreichung der Beweismittel. Der Antrag auf Parteiausschluss habe nur aus Zeitungsausschnitten und einzelnen Zitaten aus Gedeons Büchern bestanden. Eine inhaltliche Bewertung der Schriften und Aussagen Gedeons sei dabei nicht vorgenommen worden, so der AfD-Landessprecher. Gegen das Urteil werde die Partei weder Rechtsmittel einlegen, noch werde sie es vor das Bundesschiedsgericht tragen, verkündete Özkara. Damit sei das Parteiausschlussverfahren beendet.”
Der Politikwissenschaftler Hajo Funke nannte das Parteiausschlussverfahren gegen Gedeon eine “Show” der AfD für die Öffentlichkeit. Klar ist: Er ist nach wie vor Mitglied der Partei – genauso übrigens wie Björn Höcke, gegen den gleichfalls ein Parteiausschlussverfahren läuft. Das Parteiausschlussverfahren gegen Jens Maier, der unlängst den Sohn von Boris Becker öffentlich als “Halbneger” beleidigte, wurde mittlerweile gestoppt.
Die Redaktion
Ich lese nur, dass Gedeon aus der Landtagsfraktion der AfD in Baden-Württemberg ausgetreten ist, aber nicht aus der AfD. Ein Parteiausschlussverfahren endete ohne Ergebnis. In jedem Fall ist er selbst in der AfD umstritten.
Wer oder was ist nicht umstritten in diesem Zank- und Hetzverein?
Aus Ihrer Sicht wahrscheinlich nichts. Sie müssen aber in diesem Zusammenhang mit AfD-internen Maßstäben arbeiten. Wenn er sogar nur aus formalen Gründen nicht aus der Partei ausgeschlossen werden konnte, muss er sich schon mehrere deftige Klopper geleistet haben.
@Redaktion
Für mich stellt sich Ihr Artikel als nicht ganz saubere Attacke auf die AfD dar.
Jedenfalls sind die Fakten vielschichtiger und weniger eindeutig als Sie dargestellen.
Wie immer: Die armen Opfer von der AfD.
@Bernd
Mit billigem Hohn kriegen Sie nicht weg, was E. S. zu Recht kritisiert.
Wer zu Halb- und Unwahrheiten greift, um politischen Gegnern am Zeug zu flicken, macht diese natürlich zu Opfern und sich selbst zum Täter.
So ist das nun mal, auch wenn Sie den Blick noch so gern trüben würden.
Wo ist hier eine Halb- oder Unwahrheit? Herr Gedeon ist ein Landtagsabgeordneter, er gehört der AfD an – und im Übrigen hätte sich die AfD ja in der seit Tagen tobenden Diskussion um die Stolperstein-Hetze klipp und klar von Gedeon distanzieren können. Hat sie aber nicht getan, außer einem lauen “… ist eine Einzelmeinung”. Was ist denn noch eine “Einzelmeinung” in der AfD – dass Hitler auch seine guten Seiten hatte (Höcke)? Das wir stolz auf die Nazi-Wehrmacht sein können (Gauland)? Dass die türkischstämmigen Menschen in Deutschland Kamelhändler sind und “zurück sollen zu ihrer Vielweiberei” (Poggenburg)?
Ist doch lächerlich, Reni, hier wieder das Märchen von den armen, missverstandenen AfD-lern anstimmen zu wollen. Die Bande kokettiert mit dem äüßersten rechten Rand in Deutschland- mit Kriminellen wie dem Pegida-Chef Bachmann -, teils aus Kalkül, teils aus Überzeugung. Und genau damit sympathisieren Leute wie Sie – hören Sie doch auf mit der so armseligen wie durchschaubaren Heuchelei.