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Hunderte von Schulen schicken Brandbriefe und Überlastungsanzeigen an Lorz – und der antwortet nicht mal

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WIESBADEN. Hunderte von Schulen aus ganz Hessen haben in den vergangenen drei Jahren Überlastungsanzeigen und Brandbriefe an Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) geschickt. Angeblich hat er alle gelesen. Geantwortet hat er trotzdem nicht – die Schreiben wurden an die Schulämter weitergereicht, die für die Nöte der Lehrkräfte natürlich auch keine Lösung haben. Ein Lehrerpersonalrat empört sich über die ausbleibende Reaktion jetzt öffentlich.  

Hat angeblich alle Briefe gelesen: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: Hesssisches Kultusministeriums

Vor einem Jahr schrieben zwei Drittel der Grundschulleitungen aus Frankfurt am Main einen gemeinsamen Brandbrief an Hessens Kultusminister Alexander Lorz.  Die Lage sei dramatisch, heißt es darin. Von 25 Kindern in einer Klasse seien mitunter 20 ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult worden. Die Familien der Kinder kämen aus verschiedenen Kulturkreisen, ihre Elternhäuser seien extrem heterogen. Viele würden elterliche Aufgaben wie die Erziehung zu Umgangsformen, die medizinische Versorgung und die Ernährung an die Schulen abtreten. Daraus erwachse für die Lehrer „eine kaum zu bewältigende Arbeitsbelastung sowohl in zeitlicher als auch in psychischer Dimension“, schrieben die Schulleiter.

Nun drohe alles noch schlimmer zu werden, weil es an einer wachsenden Zahl von Lehrern fehle. Und das ausgerechnet jetzt, da die Flüchtlingskinder in die Schulen integriert werden sollen und immer mehr Klassen inklusiv arbeiten, also auch Kinder mit Behinderungen dazugehören. „Guter Unterricht im herkömmlichen Sinn ist unter solchen Bedingungen nur noch unter erheblichen Abstrichen umzusetzen“, so fassen die Schulleitungen zusammen. Gerade Kinder, die es besonders bräuchten, könnten nicht in ausreichendem Maße gefördert werden.

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Traurige Meilensteine

Die Frankfurter Grundschulleiter sind nicht die einzigen, die sich in einem Hilferuf an ihren Kultusminister gewandt haben. Er bildet einen weiteren traurigen Meilenstein in einer ganzen Reihe von Brandbriefen, mit denen deutschlandweit verzweifelte Lehrer versuchen, „ihre“ verantwortlichen Politiker aufzurütteln. Laut Medienberichten haben in Hessen zum Beispiel auch 56 Schulleiter von Grundschulen aus Darmstadt und dem Landkreis Darmstadt-Dieburg an Lorz gewandt – und auch aus den Schulen in Offenbach trudelten bereits seit 2015 etliche „Überlastungsanzeigen“ im Wiesbadener Kultusministerium ein, wie aktuell unter anderem die „Frankfurter Rundschau“ berichtet.

Nur: Sie bekamen vom Minister keine Antwort. Der Gesamtpersonalrat beim Offenbacher Staatlichen Schulamt, der die Interessen der Lehrer vertritt, hat sich jetzt empört darüber an die Öffentlichkeit gewandt. Er appelliert an die Fürsorgepflicht der Landesregierung – und zeigt kein Verständnis für die ausbleibende Reaktion.

Überlastungsanzeigen sind für Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes eine formale Möglichkeit, ihre Vorgesetzten darauf hinzuweisen, dass sie sich der aktuellen Situation nicht mehr gewachsen fühlen. Sie sollen gewährleisten, dass die Vorgesetzten rechtzeitig Abhilfe schaffen können. „Überlastungsanzeigen sind ein verzweifelter Hilferuf“, heißt es beim Personalrat.

Dennoch sieht sich das Hessische Kultusministerium nicht verpflichtet, den Schulen zu antworten. Nach Angaben des Sprechers hat Lorz zwar „alle Schreiben, die an ihn gerichtet waren, persönlich gelesen und zur Kenntnis genommen“. Auch nehme das Ministerium „den Inhalt der Schreiben sehr wohl ernst“. Dass auf die Überlastungsanzeigen nicht geantwortet werde, heiße ja nicht, dass man nichts für die Belange der Lehrer tue. Beispielsweise würden in Hessen 700 Sozialpädagogen für die Inklusions- und Integrationsarbeit eingestellt. Aber grundsätzlich fühlt sich das Kultusministerium als nicht zuständig. „Wir sind nicht der Ansprechpartner bei Belastungsanzeigen. Dafür sind die Staatlichen Schulämter zuständig“, so sagt die Pressestelle gegenüber der „Offenbach-Post“.

Das Haus in Wiesbaden könne gar nicht den Überblick über die Situation an jeder Schule im Land haben. „Die Lösungen können nicht alle von hier erarbeitet werden.“ Mitarbeiter vor Ort seien viel näher am Geschehen und somit besser mit den Begebenheiten vertraut.

Ein Tipp für die Lehrkräfte

Für den Lehrerpersonalrat ist das Statement aus Wiesbaden nicht nachvollziehbar. Er hält das Staatliche Schulamt schlicht für den falschen Ansprechpartner. „Neues Personal kann nur das Kultusministerium beschließen. Das Schulamt kann nur wenige Änderungen vornehmen“, heißt es dort. Das Ministerium stehle sich aus der Verantwortung – und scheue den direkten Kontakt mit den Schulen. Tatsächlich erklärt auch das Offenbacher Schulamt gegenüber der „Offenbach Post“, dass es an der Situation wenig ändern könne. Schließlich herrsche Lehrermangel. Einen Tipp für die Lehrkräfte hat die Leiterin dem Bericht zufolge aber schon parat: „Überall in der Gesellschaft wächst der Druck. Die Lehrkräfte müssen auf sich achten und ihre Widerstandsfähigkeit verbessern. Manchmal müssen sie sich auch abgrenzen, um nicht alles so nahe an sich heranzulassen.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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