BRAUNSCHWEIG. Nicht alle Schulschwänzer sind gleich. Zwischen einer Fehlstunde und dem Anhäufen ganzer Fehltage gibt es große Unterschiede. Was aber tun, wenn nach Elterngesprächen auch Bußgelder und Sozialstunden nicht helfen? Lösungsansätze lieferte der Jugendgerichtstag.
Schwänzen ist ein Dauerthema an Schulen und kann für die Betroffenen sogar im Jugendarrest enden. «Ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen, die dort sitzen, sind Schulschwänzer», sagte Regine Drewniak, Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen in der Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ). Deshalb war das Fernbleiben – im Fachjargon Schulabsentismus – eines der zentralen Themen des Jugendgerichtstags in Braunschweig. Dabei wurden Konzepte vorgestellt und Lösungsansätze diskutiert.
Vor den Pfingstferien entlarvte die Polizei an bayerischen Flughäfen rund 20 Familien, die ihre Kinder die Schule schwänzen ließen (News4teachers berichtete). Was aber tun, wenn es nicht mehr nur um einen billigeren Flug geht, sondern das Schwänzen zum ernsthaften Problem für Eltern und Kinder wird? Auf dem Papier sind die Regeln klar. «Zuständig für die Ahndung des Schulschwänzens sind die Kommunen, die hier Bußgelder verhängen können», heißt vom Kultusministerium in Hannover auf Anfrage. Das Verfahren bei Verletzung der Schulpflicht ist im niedersächsischen Schulgesetz klar geregelt. Die Schulen sollten demnach primär auf pädagogische Maßnahmen setzen, zu denen vor allem auch gute Elternarbeit gehört.
Was können aber betroffene Eltern tun, die sich dennoch überfordert fühlen? Pascal Üstün vom Jugendamt Salzgitter wünscht sich vor allem, dass die Eltern selbst aktiv werden. «Sie sollten nicht abwarten, sondern auf die Schule zugehen», meint er. Er räumt aber ein, dass das Zusammenspiel zwischen Eltern, Schule und Jugendhilfe längst nicht überall reibungslos funktioniert. Die DVJJ-Landesgruppenvorsitzende Drewniak hält es deshalb für zwingend nötig, dass sich eine festgefahrene Meinung ändert: «Wenn das Jugendamt kommt, gibt es Ärger», müsse sich ändern zu «wenn das Jugendamt kommt, bekomme ich Unterstützung», forderte Drewniak.
Das Schulschwänzen ist für sie dabei ein Dauerbrenner, weil das Thema ihrer Auffassung in den Schulen zu wenig angegangen wird. Bei Problemen werde etwa die Kinder- und Jugendhilfe nicht ausreichend eingebunden, meint Drewniak. «Dabei ist es schon lange der klare Auftrag, dass alle Eltern, die Schwierigkeiten und Unterstützungsbedarf in der Erziehung haben, sich dort hinwenden können und Hilfe erhalten.» Landesweite Zahlen zu den Schulschwänzern ließen sich beim Gerichtstag nicht in Erfahrung bringen.
Wichtig sei, dass die Schulen zunächst im Dialog mit den Kindern und Jugendlichen, aber auch mit den Eltern, versuchen, die Einsicht für den regelmäßigen Schulbesuch zu wecken, findet Thorsten Bullerdiek vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund. Bußgelder und Jugendarrest dürften nur das letzte Mittel sein.
Wie erfolgreiche Präventionsarbeit der Schulen aussehen kann, beschrieb Wolfgang Vogelsaenger von der Georg-Christoph-Lichtenberg Gesamtschule in Göttingen, die 2011 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde. «Dass es bei uns so gut wie keine Schulverweigerung gibt, liegt an einem engmaschigen System, das schon früh greift», sagte Schulleiter Vogelsaenger. Fehlzeiten könnten dabei nicht angehäuft werden, ohne dass jemand nachhakt.
Ab Jahrgangsstufe fünf seien die Klassenlehrer dort sehr lang in ihren Klassen. «Sie kennen ihre Schüler oft sehr gut, bevor diese in das Alter kommen, in dem solche Probleme meist anfangen», beschrieb Vogelsaenger. Durch sogenannte Tischgruppenabende kennen sich die unterschiedlichen Schüler, Eltern und Lehrer seiner Meinung nach sehr gut und entwickeln ein Vertrauensverhältnis, das Schulschwänzen zu verhindern hilft. «Und wenn ein Schüler einfach keinen Bock mehr hat, kann auch ein Praktikum die Lösung sein». Von Christian Brahmann, dpa
Studie: Schule schwänzen steht im Zusammenhang mit Gewalttaten
