Reichlich unspektakulär kam ein Ereignis in der vergangenen Woche daher, das die Schulen in Deutschland in den kommenden Jahren dramatisch verändern wird: Die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich darauf, sich einer Grundgesetzänderung zur Aufweichung des Kooperationsverbots nicht länger in den Weg zu stellen. Damit machten sie den Weg frei für den Digitalpakt, der den Schulen fünf Milliarden Euro für eine IT-Grundausstattung bescheren soll – das sind umgerechnet immerhin rund 100.000 Euro, die jede Schule im Durchschnitt vom Bund erhält.
Weil viele Kommunen und einige Bundesländer zusätzliche eigene Mittel für die digitale Infrastuktur der Schulen aufwenden, etwa für Glasfaseranschlüsse, und dazu auch noch Elternbeiträge erhoben werden können (für schülereigene Endgeräte beispielweise), dürfte sich die gesamte Investitionssumme nochmal deutlich erhöhen. Kurzum: Über die Schulen wird in kürzester Zeit geradezu ein Füllhorn ausgeschüttet, dessen Inhalt sie schlagartig aus der Kreidezeit in das digitale Zeitalter katapultiert.
Dumm nur: Viele Schulen wissen offenbar gar nichts damit anzufangen. Die Hälfte der Schulleitungen, so ergab jetzt der Schulleitungsmonitor der Universität Duisburg-Essen im Auftrag der Wübben Stiftung, hält den Nutzen digitaler Medien schlicht für überbewertet. Ebenso viele berichten von Vorbehalten in ihrem Kollegium gegenüber dem Computer-Einsatz im Unterricht. Zwei Drittel der Schulen verfügen noch über kein pädagogisches Konzept zum Einsatz digitaler Medien. Fast 80 Prozent attestieren ihren Lehrkräften sogar, es fehle ihnen an Medienkompetenz.
Digitalisierung? Nur Probleme
Was bringt die Digitalisierung? Dabei nennen die Rektoren und Direktoren nur Herausforderungen – von Chancen ist keine Rede. Als besonders herausfordernd werden von 84,7 Prozent der Schulleitungen die mit der Digitalisierung verbundenen rechtlichen Fragen eingeschätzt, von 83,7 Prozent die Kosten für die technische Ausstattung und die Wartung der Geräte, von 82,7 Prozent die zuverlässige Funktionsfähigkeit der technischen Geräte und Systeme sowie von 80,3 Prozent die fehlende professionelle Betreuung der digitalen Infrastruktur.
Bemerkenswert auch: Vier von fünf Schulleitungen halten die Kosten für die Beschaffung digitaler Lernmittel für zu hoch. Auch wird das Angebot als zu unübersichtlich kritisiert.
Dass die Schulen in Deutschland die Digitalisierung vor allem als Zumutung empfinden, ist nach Ansicht von OECD-Direktor Andreas Schleicher „völlig verständlich“. Er erklärte gegenüber News4teachers: „Weil wir das auf alles andere draufpacken. Wir verändern nichts. Natürlich ist das eine Zumutung. Es gibt zwar Enthusiasten unter den Lehrkräften, aber die sind nicht die Mehrheit“. Der PISA-Koordinator forderte: „Wir müssen Anreize schaffen. Das bedeutet: die Zeit, den Raum für Veränderung geben. Das ist in jedem anderen Unternehmen auch so. Lehrkräfte müssen eben auch was davon haben. Die Digitalisierung wird für sie interessant, wenn sie sehen: Meine Arbeit verändert sich grundlegend. Sie wird leichter, spannender, durch die Zusammenarbeit mit Kollegen interessanter. Meine Schüler verstehen mich besser. Jeder ändert sein Verhalten nur dann, wenn das für ihn selber auch was bringt. Das ist klar.“
Immerhin: Die Schulleitungen sind laut Studie offenbar in hohem Maße bereit, sich zu informieren – am liebsten auf Lehrgängen oder Seminare nicht-staatlicher Anbieter (82,8 Prozent Zustimmung) und professionellen Netzwerken mit anderen Schulleiterinnen und Schulleitern (81,4 Prozent Zustimmung). bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Das Thema wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert.
Digitale Bildung: “Aus den Erfahrungen mit den Smartboards sollten alle gelernt haben”
