Studie: Eine „gute Schule“ fördert die Karriere besser, wenn das Leistungsniveau niedrig ist

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TÜBINGEN. „Welche Schule ist die beste für unser Kind?“ Gerade beim Wechsel auf die weiterführende Schule treibt diese Frage viele Eltern um, auch wenn die Entscheidung für eine Schulform bereits gefallen ist. Sind die Sprösslinge dann auf der gewünschten Lehranstalt platziert, bleibt noch die Sorge, ob es denn der  Entwicklung der eigenen Kinder schade, wenn die Mitschüler nur mäßige Leistungen zeigen. Eine Studie der Uni Tübingen liefert jetzt Anhaltspunkte. „Gute Schulen“ können demnach sowohl vorteilhafte wie auch nachteilige Effekte haben.

In einer gemeinsamen Studie fanden Wissenschaftler aus Tübingen, Houston und Illinois die Annahme bestätigt, dass die Mitschüler den Berufs- und Karriereweg eines Schülers nachhaltig beeinflussen. Der Besuch einer „guten“ Schule muss dabei allerdings nicht automatisch gut für alle sein, die sie besuchen: Vielmehr zeigten sich die Einflüsse sowohl positiv wie negativ. Für ihre Untersuchung werteten die Forscher Daten einer Langzeitstudie in den USA aus. Rund 380.000 High-School-Schüler nahmen im Jahr 1960 teil. Etwa 85.000 konnten nach elf Jahren und immerhin noch 2.000 von ihnen nach 50 Jahren erneut befragt werden.

 Klassentreffen - Die Mitschüler haben einen nachhaltigen Einfluss auf die spätere Karriere. Foto: gisela gerson lohman-braun / flickr (CC BY-SA 2.0)
Klassentreffen – Die Mitschüler haben einen nachhaltigen Einfluss auf die spätere Karriere. Foto: gisela gerson lohman-braun / flickr (CC BY-SA 2.0)

Stammen die Schüler an einer Schule überwiegend aus Elternhäusern mit einem hohen Bildungsniveau, waren sie auch unabhängig von ihrer eigenen Herkunft erfolgreicher als Schüler an Schulen mit einem geringeren Bildungsniveau der Eltern. Sie erlangen einen besseren Bildungsabschluss, angesehenere Berufe und erzielen höhere Einkünfte.

Anders sah es jedoch bei der Schulleistung aus. Ein höheres Leistungsniveau der Mitschüler birgt demnach die Gefahr, dass einzelne Schüler hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Als Grund für diesen negativen Effekt vermuten die Wissenschaftler nachteilige Vergleiche mit besseren Klassenkameraden. Diese führten dazu, dass Schüler ein geringeres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln. Das habe langfristige Auswirkungen: Diese Schüler verdienten auch noch nach 50 Jahren weniger und hatten weniger angesehene Berufe als Schüler aus Schulen mit einem geringeren Leistungsniveau.

Die Studienautoren untersuchten die Leistungen der Schüler in Mathematik und Englisch und werteten die Antworten auf die Frage nach Bildungszielen und den Berufserfolg aus. Dabei stellten sie einmal einen Bezug zum Bildungsabschluss der Eltern und einmal einen Bezug zum durchschnittlichen Leistungsniveau der Schule her.

Wie erwartet fanden sie heraus, dass Schüler in Schulen, in denen die Elternschaft im Durchschnitt einen höheren Bildungsabschluss aufwies, auch höhere Erwartungen an ihre eigene akademische Karriere zeigten und sowohl nach elf als auch nach 50 Jahren mehr verdienten und angesehenere Berufe hatten als Kinder, die Schulen besuchten, an denen die Eltern eher mittlere oder niedrigere Bildungsabschlüsse hatten.

Für das Leistungsniveau fand sich hingegen ein gegenteiliger Effekt: Wenn das Leistungsniveau der Schule hoch war, hatten die Schüler nach Berücksichtigung ihres eigenen sozialen Hintergrunds und ihrer Schulleistungen weniger hohe Erwartungen an ihre eigene akademische Karriere, arbeiteten in weniger angesehenen Berufen und verdienten sowohl nach elf als auch nach 50 Jahren weniger als Personen, die als Kinder Schulen mit einem niedrigeren Leistungsniveau besucht hatten. „Der ständige Vergleich mit Mitschülern, aber auch nachteilige Beurteilungen durch Lehrkräfte führen dazu, dass die Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sinken, was sich wiederum nachteilig auf den Berufs- und Karriereweg auswirkt“, fasst Studienautor Richard Göllner von der Universität Tübingen zusammen. Den negativen Effekt bei leistungsstarker Schülerschaft abzumildern, sei deshalb auch eine tagtägliche Herausforderung für Lehrer.

Die Ergebnisse der Studie sind aus Sicht der beteiligten Wissenschaftler darüber hinaus relevant für die Diskussion um die Leistungsdifferenzierung im Schulsystem. „Die Studie zeigt, dass es naiv ist zu denken, dass leistungsstarke Mitschüler langfristig automatisch zu günstigeren Ergebnissen führen“, hebt Ulrich Trautwein, Direktor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung, hervor. „Wer bei Reformen des Schulsystems die psychologischen Bedürfnisse der Schüler vergisst, tut diesen keinen Gefallen.“ (zab, pm)

• Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht.

Studie: Fast jede 4. Schulform-Empfehlung ist falsch – Forscher fordern unabhängigen Pflicht-Test für Viertklässler

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xxx
5 Jahre zuvor

mit anderen Worten ist eine große Leistungsstreuung innerhalb einer Klasse oder sogar Schule kontraproduktiv. Die Gesamtschule kann einpacken.

Für wahrscheinlicher halte ich die folgende Lesart: Gleiche die Leistungen auf niedrigem Niveau einander an.

OlleSchachtel
5 Jahre zuvor

Xxx: D.h.? Wir fahren das Niveau ganz runter und wie geht es dann weiter? Einige Kinder bringen bei Schulbeginn schon jetzt nicht einmal die Grundkompetenzen mit (Stift halten, 10 min. sitzen, anderen zuhören, sich angeprochen fühlen). Oder werden dann eben „Elite-Grundschulen“ und Grundschulen entstehen? Für mich läuft es darauf hinaus, dass das gesamte Schulsystem neu durchdacht werden muss. Grundschule auf sechs Jahre ausgedehnt (mit Doppelbesetzung im Klassenzimmer und Sozialpädagogen und Therapeuten an der Schule) Und vor allem insgesamt ohne Noten, sondern mit Förderplänen. D.h. aber auch im Umkehrschluss, dass die Grundschule nicht Zulieferer für bestimmte Schularten ist. Dann gehen eben tatsächlich nur die auf das Gymnasium, von denen eine Studierfähigkeit erwartet werden kann??? Ich finde es sehr schwierig, und eine hundertprozentige Gerechtigkeit erreichen wir nie. Außerdem müssten dann auch verpflichtende Kindergartenjahre vorgeschaltet sein in denen ein Rahmenplan die Grundförderung von Kindern vorsieht. Und wer soll das zahlen? Kinder haben keine Lobby und die Industrie holt sich eben ausländische Arbeitskräfte wenn sie hier keine geeigneten Kandidaten finden. Die kommen gar nicht auf die Idee das Geld in die Bildung zu stecken. Mit der Inklusion wie sie zur Zeit praktiziert wird, verschärft sich ja nach dieser Studie das Problem????

mississippi
5 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

Grundschule ist in meinen Augen eine eigene Schulform und nicht Zulieferer für die weiterführenden Schulen.

mississippi
5 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

„Unterschiedlichkeit und Vielfalt als Chance anzusehen und damit jedem Kind gerecht werden, das ist ein Kernanliegen der baden-württembergischen Grundschule. Die individuelle Förderung von Kindern – von lernschwach bis hochbegabt – zieht sich wie ein roter Faden durch die baden-württembergischen Reformprojekte der letzten Jahre. Schulanfang auf neuen Wegen, Fremdsprachen ab Klasse 1, verlässliche Grundschule sowie die Einführung von Diagnosearbeiten als Evaluierungsinstrument sind stark miteinander verwobene Elemente eines pädagogischen Gesamtpakets, das sich am Entwicklungsstand und an den Potenzialen der Kinder orientiert.“

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Was ist die Grundschule denn sonst? Die Gymnasien sind im Endeffekt ja auch Zulieferbetriebe für die Hochschulen – allerdings mit oft mangelhafter Ware.

Andererseits gebe ich Ihnen recht, weil die verbindliche Schulformempfehlung weitgehend abgeschafft wurde.

mississippi
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Die Grundschule hat jede Menge eigene Ziele und Aufgaben.
https://www.km-bw.de/Grundschule
Zulieferbetrieb für die weiterführenden Schulen? Kann man so sehen. Da sehe ich mich nicht in erster Linie.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Naja, in dem Link sieht man jenes Geschwurbel, das halt aus Kultusministerien üblicherweise herausquillt. „Zulieferbetrieb“ klingt natürlich negativ, das ist so wie Fließband in der Fabrik. Tatsächlich wird aber inzwischen von Kultusbürokraten in Baden-Württemberg behauptet: „Die Grundschule hat keine Bringschuld gegenüber den weiterführenden Schulen, das Gymnasium hat keine Bringschuld gegenüber den Universitäten“. Das finde ich gefährlich, denn mit diesem Argument kann man alles und jedes entschuldigen. Man kann z.B. entschuldigen, wenn die Hälfte der Viertklässler am Ende nicht lesen und schreiben kann.
Ich denke, eine gewisse Verbindlichkeit täte ganz gut, man muss es ja nicht übertreiben. Wozu haben wir denn jetzt die von der KMK beschlossenen verbindlichen Bildungsstandards?

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Was der obige Artikel verschweigt: Die beschriebenen Effekte sind längst wohlbekannt. Dass ein mittelmäßiger Schüler sich in einer Klasse von sehr guten anderen unterwertig fühlen kann, in einer Klasse von schwächeren aber ein kleiner Star sein kann, ist als der „Big-fish-little-pond-effect“ wohlbekannt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fischteicheffekt

Palim
5 Jahre zuvor

Punkt 1
Die Studie ist in den USA erhoben, also muss man sich die Verhältnisse in den USA vor Augen führen und für die Bewertung mit einbeziehen:
Dort sind Schulen von Zuwendungen abhängig, von vielen Spenden. Das beobachtet man hierzulande zum Teil auch schon. Dort, wo gut situierte Eltern Geld an den Förderverein spenden oder beim Spendenlauf den Geldbeutel weit öffnen, ist die Schule ganz anders ausgestattet, als an anderen Orten. Bei Kommunen sieht es ähnlich aus.
„Stammen die Schülerinnen und Schüler an einer Schule überwiegend aus Elternhäusern mit einem hohen Bildungsniveau, sind sie auch unabhängig von ihrer eigenen Herkunft erfolgreicher als Schüler an Schulen mit einem geringeren Bildungsniveau der Eltern.“

Das Beschulen von Kindern an Brennpunktschulen ist auch in den USA schwieriger.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

„Die Studie zeigt, dass es naiv ist zu denken, dass leistungsstarke Mitschüler langfristig automatisch zu günstigeren Ergebnissen führen“, hebt Ulrich Trautwein […] hervor.“
Aber genau so wird doch von Befürwortern die Gemeinschaftsschule angepriesen. Es heißt immer: „Starke ziehen Schwache mit“, zum Beispiel hier:
https://www.swp.de/suedwesten/staedte/schwaebisch-hall/_starke-ziehen-schwache-mit_-vortrag-ueber-gemeinschaftsschulen-19517315.html
Der Widerspruch zwischen beiden Aussagen ist doch offensichtlich. Der Prof. Bohl, der das sagt, ist übrigens ein direkter Kollege von Prof. Trautwein an der School of Education in Tübingen. Die beiden sollten mal ein öffentliches Streitgespräch führen! So könnte dem Volke klargemacht werden, dass die Wissenschaft offenbar auch nicht weiß, wo es wirklich langgeht. Die einzigen, die zu 100 % durchblicken, sind die Bildungsexperten der politischen Parteien und natürlich der GEW. 🙂

Palim
5 Jahre zuvor

Mein Punkt 2 von heute Mittag bleibt verschollen, ich stelle ihn nun noch einmal ein… auf die Gefahr hin, dass der erste Beitrag aus dem Nirvana zurückkehrt und dann alles doppelt erscheint:

Punkt 2
„Ein höheres Leistungsniveau der Mitschüler birgt die Gefahr, dass einzelne Schülerinnen und Schüler hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.“
„„Der ständige Vergleich mit Mitschülern, aber auch nachteilige Beurteilungen durch Lehrkräfte führen dazu, dass die Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sinken, was sich wiederum nachteilig auf den Berufs- und Karriereweg auswirkt“, fasst Studienautor Richard Göllner von der Universität Tübingen zusammen.“

Auch das ist nichts Neues, es geht ums Selbstkonzept der SchülerInnen, der Einfluss von Attribuierungstheorien aufs Lernen. Gerade deshalb braucht es Pädagogik und Psychologie im Studium, damit man darum weiß und damit umgehen kann.

Vielleicht braucht es auch ein anderes System der Leistungsbeurteilung:
Der ständige Vergleich mit den Mitschülern ist die bekannte soziale Bezugsnorm, in der nicht danach gefragt wird, ob der Schüler selbst sich verbessert hat, ob die Leistung gemessen an seinen Fähigkeiten gut oder schlecht ist, wo seine Stärken sind und was er noch üben sollte, sondern erst einmal in den Blick genommen wird, wo die anderen stehen, wie viele Kinder besser oder schlechter waren … etwas, das der Schüler selbst gar nicht beeinflussen kann.
Das kommt denen zu Gute, die zum besseren Teil der Klasse gehören, denn sie fühlen sich erfolgreich.
Die anderen schwächt es.
Das ist in heterogenen Klassen so, WENN diese soziale Bezugsnorm ein bestimmender Faktor in den Klassen ist.
DANN kommt es auch dazu, dass man Schwächere hänselt und ihnen darüber zusätzlich Druck macht.
Und man kann in jeder Klasse Unterschiede feststellen und dazu nutzen.

Anders ist es, wenn andere Bezugsnormen wichtig sind:
Dann kann man sich selbst anhand von Kriterien prüfen und selbst sehen, ob man etwas gut gemacht hat, ob man entsprechend der Fähigkeiten oder Bemühungen gut abgeschnitten hat oder nicht.

Man kann sich auch mit anderen vergleichen, aber man vergleicht womöglich mit anderem Maßstab, weil man bei den anderen eben auch individuelle Fähigkeiten berücksichtigt und mit geforderten Kriterien in Beziehung setzt.
Und man kann sich an und über andere freuen. Das ist dann günstig für die, die mehr können und wissen, weil man sie nicht als Streber abstempelt, sondern sich mit ihnen über ihre Begabungen freut, und sich niemand zurücknehmen muss, weil er Sorge hat, als stets Bester zum Außenseiter zu werden.
Es ist aber auch günstig für die, die weniger begabt sind, sich aber dennoch bemühen, weil man weiß, wie schwierig es für sie ist und sie womöglich trotz Beeinträchtigung hinzu lernen und man genau das lobt und anerkennt.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Sobald externe Prüfungen anstehen, ist Ihr Vorschlag hinfällig, weil jeder Schüler unabhängig von Begabung, Willen, Einschränkung, Kultur usw. bis zum Zeitpunkt x die Inhalte a, b, c beherrschen muss.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Nein, der Vorschlag ist nicht hinfällig.
Die externen Prüfungen entsprechen Anforderungen und Kriterien, die zu erbringen sind. Diese kann man früher oder später erreichen, abhängig von Begabung, Willen, Anstrengung, Einschränkung … was Kultur damit zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
Wenn ein Schüler die Kriterien in diesem Jahr nicht erreicht, kann er es womöglich in einigen Monaten schaffen. Eine individuelle Rückmeldung könnte aufzeigen, wie aussichtsreich das ist.

Wenn der Schüler seit Jahren zu hören bekommt, er sei ohnehin einer der Schwächsten und könnte nichts, wird er sich für die externe Prüfung gar nicht erst anmelden oder anstrengen, da sein Selbstkonzept aussagt, dass er es ohnehin nicht schafft.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Die Kultur hat eine Menge damit zu tun. Sie müssen sich nur mal die Staaten anschauen, die bei den PISA-Tests ganz oben sind, wo Deutschland ist, und wo die Staaten sind, die ich hier nicht aufschreiben darf, weil andernfalls mein Kommentar wegen x-phobie gelöscht wird. Ihr zweiter Absatz beschreibt genau die Situation, die bei der Inklusion an weiterführenden Schulen befürchte. Außerdem soll das Sitzenbleiben weitgehend abgeschafft werden.

Ich glaube, Sie würden Ihre „Wohlfühlmeinung“ radikal ändern, wenn auch mal Zentrale Prüfungen am Ende der Klasse 4 eingeführt werden würden, deren Ergebnisse zusammen mit den regulären Noten in eine verbindliche Schulformzuweisung münden würden. Da die Eltern nach wie vor das Gymnasium wünschen, würden Sie ein extremes Teaching to the Test betreiben. Mit Bildung oder Freude am Lernen hat das nicht viel zu tun, aber darum geht es den Eltern ohnehin nicht. Sie wollen einen möglichst hohen Abschluss für ihre Kinder oder interessieren sich überhaupt nicht dafür. Ein Mittelding gibt es ja kaum noch.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wohlfühlmeinung, soso.
Der Unterschied liegt wohl eher in der Schulform und darin, dass ich mir meine SuS nicht aussuchen kann und nicht dazu bereit bin, sie als „dumm“ und „unfähig“ zu verurteilen und ihnen damit die Berechtigung zum Lernen abzusprechen.

Statt über andere Möglichkeiten nachzudenken, beschwören Sie teaching to the test und orientieren sich am Weltbild der Eltern?
Hmmm, … und ich dachte, Humanismus würde bei Ihnen groß geschrieben.
Was denn nun?

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Sie drehen sich meine Worte auch immer so zurecht, wie es Ihnen in den Kram passt.

Das Weltbild der Eltern ist mir egal, so lange die Lernatmosphäre im Kurs darunter nicht leidet. Diesbezüglich ist das japanische Weltbild besser als das deutsche und dieses besser als das von anderen Ländern, die von Bildungspolitikern immer beschönigend als „Migrationshintergrund“ bezeichnet werden. Ich ärgere mich immer über Schüler, die trotz vorhandener Begabung aus Faulheit, Protest, Trotz, Pubertät nicht die bequem mögliche 1-2, sondern nur die 4-5 anstreben.

Je schwächer ein Oberstufenkurs besetzt ist, desto mehr muss ich Teaching to the test machen, weil ich in den drei Jahren zwei Zentrale Prüfungen zu korrigieren habe. Je leistungsstärker ein Kurs ist, desto eher weiche ich vom Lehrplan ab und mache mal etwas interessantes, sprich studierbefähigendes.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

„Sie drehen sich meine Worte auch immer so zurecht, wie es Ihnen in den Kram passt.“
Nein, ich frage Sie, ob Sie das so meinen, wie Sie es schreiben oder man es verstehen könnte. Deshalb steht ja am Ende des Beitrage ein Fragezeichen.

Im nachfolgenden Beitrag haben Sie es ja dann konkretisiert, sodass es eindeutig wird.

Tatsächlich ärgere ich mich auch, wenn Kinder aus unterschiedlichen Gründen trotz vorhandener Begabung nicht zu den entsprechenden Ergebnissen kommen. Dabei geht es aber eben um das individuelle Vermögen und nicht um die Gruppe.
Individuelle und kriterienbezogene Bezugsnorm zu nutzen ist ja nicht gleichbedeutend damit, keine Anforderungen zu stellen oder keine klaren Rückmeldungen zu geben.

Je weniger die SuS am eigenen Lernen interessiert sind, desto mehr muss sich jede Lehrkraft ins Zeug legen – genau darin liegt die Aufgabe.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@XXX
Sie müssen schon mit den Schülern arbeiten, die hier leben und diese so nehmen, wie diese sind.
Das sind eben die Grundbedingungen und da sind eben differenzierte Lernmethoden anzuwenden, denn jeder Schüler lernt unterschiedlich schnell, was aber nicht bedeutet, dass die langsameren blöd wären. Die brauchen eben mehr Zeit und deshalb benötigt unser Schulsystem generell mehr Lehrer, die auch entsprechend ausgebildet sind. Dazu zählen dann auch kleinere Klassen und insgesamt mehr Zeit beim Lernen.
Am schlimmsten finde ich die Schulvergleiche mit anderen Ländern, wie Japan und Singapur, wo gerade in Singapur die Kinder im Vorkindergarten mit Zahlen bombardiert werden, auf sie sprachliche Salven abgefeuert werden und schließlich in der Schule nachmittags Kinder in kleinen Nachhilfeeinheiten durch private Institute weiter in die Mangel genommen werden. Und natürlich ist die Selbstmordrate in Singapur unter Schülern deutlich höher als hier.
Die schneiden natürlich in den Vergleichsstudien besser ab als unsere, aber ist das ein erstrebenswertes Ziel, als Schüler-Samurai groß zu werden ?

Ansonsten hilft nur eins: Auswandern nach Japan. Da ist man auch anders strukturiert als in Südkorea.
Zwei gegensätzliche Strukturen. Japan war früher der autoritäre Eroberer, Südkorea das konfuzianisch geprägte , unterdrückte Land.
Ich würde Südkorea wählen. Mein ältester Sohn hat nach dem Abitur ein Jahr in China als Englischlehrer gearbeitet, war aber auch in Südkorea und Japan. Glauben Sie mir, hier ist es humaner. Ihre Aufgabe ist es die Schüler auf Leben im kreative und humanistischen Sinne vorzubereiten und nicht dressierte Idioten aus ihnen zu machen.

emil
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Das hat es in NRW schon gegeben! Zentrale Prüfungen am Ende der 4 als Zuordnungskriterium für die weiterführenden Schulen. War ein sehr teurer Flop, sehr unzutreffend was die Aussagekraft betrifft und ist daher wieder abgeschafft worden!

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  emil

Danke, das wusste ich nicht. Da hat also die Landesregierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

„Anders ist es, wenn andere Bezugsnormen wichtig sind:
Dann kann man sich selbst anhand von Kriterien prüfen und selbst sehen, ob man etwas gut gemacht hat, ob man entsprechend der Fähigkeiten oder Bemühungen gut abgeschnitten hat oder nicht.“
Klingt gut, aber beschreiben Sie da nun eine erprobte Wirklichkeit (an Gymnasien oder Gesamtschulen) oder doch eher postulierte Wünsche, an denen es ja nun wahrlich nicht mangelt?
Für die Grundschule dürfte sich das Problem so gar nicht stellen, wenn eine Aufteiliung in Klassen starker bzw. schwacher Schüer nicht zur Debatte steht. In der Sekundarstufe ist das anders. Dort haben wir traditionell die Aufteilung, deren Abschaffung immer so begründet wird: „Die Starken ziehen die Schwachen mit.“
Und gilt das, was Sie sagen, eigentlich im Sport auch? Gerade dort wird doch ständig gemessen, wie schnell die Leute laufen oder wie weit sie springen oder wieviele Tore sie schießen. Was ist mit schwachen Sportlern in einer Klassen, wo viele gute Sportler sind? Hat man sich schon mal über deren Psyche Gedanken gemacht?

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Was nicht erprobte Wirklichkeit ist, kann ja noch werden.
Die Ausführungen über Bezugsnormen und Attribuierungen gelten für jede heterogene Gruppe. Warum sollte das in Gymnasien oder Gesamtschulen anders sein? Warum im Sportunterricht, in Musik oder Handarbeiten?

Selbst wenn Sie die Besten der Besten in eine Klasse stecken, werden auch dort noch Unterschiede zu Tage treten, mit denen man so oder so umgehen kann und dadurch auch das Selbstkonzept der SuS beeinflussen.
Auch geht es gar nicht darum, die Aufteilung zu verteidigen, es geht um den Umgang mit Schülern und darum, ihnen möglichst gutes Lernen zu ermöglichen. Da hilft es nicht, ihnen täglich zu unterstellen, sie seien dumm, statt sie dafür zu loben, was sie durch Anstrengung erreichen konnten.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

„kann ja noch werden“
Also mich stört, dass permanent die lausige Wirklichkeit unseres dreigliedrigen Schulsystems mit idealisierten Vorstellungen einer Gemeinschaftsschule im Wolkenkuckucksheim verglichen wird. Man müsste stattdessen die Vor- und Nachteile auf beiden Seiten benennen und gegenüberstellen.
„die dummen Schüler“
Oben im Artikel geht es gar nicht darum, dass jemand denen sagt, sie seien dumm (so taktlos wird man ja hoffentlich nicht sein), sondern es geht darum, dass sie frustriert (oder irgendwie verunsichert) sind, wenn die anderen alles besser können. Aber genau diese „Heterogenität“ ist doch das erklärte Ziel der Gemeinschaftsschule, in der (angeblich) die Stärkeren die Schwächeren mitziehen. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Und ohne Noten wird es nicht gehen, jedenfalls nicht in den oberen Klassen. Das kann man doch nicht einfach wegdiskutieren, weil es nicht in die neue „eine-Schule-für-alle-Ideologie“ passt.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Es geht darum, dass nicht die Leistungen des Schülers in den Blick genommen werden, sondern die soziale Bezugsnorm ausgespielt wird. Das Schulsystem habe ICH gar nicht zur Debatte gestellt, denn zum einen ist die Umfrage in den USA erhoben und zum anderen habe ich mehrfach darauf verwiesen, dass es in allen Gruppen diese Unterschiede gibt.

Man kann da jetzt vieles reindeuten, man kann sich aber auch einfach mal mit Attribuierungen auseinandersetzen. Oder geben Sie in Ihren Klassen immer allen SuS eine 3, damit es eine Note gibt und alle sich homogen einfügen können?

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

„… dass nicht die Leistungen des Schülers in den Blick genommen werden, sondern die soziale Bezugsnorm ausgespielt wird.“
Na das erzählen Sie mal unserer kompetenzorientierten Testindustrie, den „Bildungswissenschaftlern“ mit dem Monitoring und den kompetenzorientierten Bildungsstandards. Spätestens seit PISA herrscht da eine gewisse Hysterie der Leistungsmessung im internationalen Vergleich. Schließlich sollen die Schüler doch mal nützliche Glieder der Gesellschaft werden und durch „Employability“ angemessen funktionieren.
Das alles habe ich nicht erfunden und finde es auch nicht gut, aber ignorieren kann man das nicht. „Homogenität“ heißt natürlich nicht „Einheitsnote“, sondern „Vergleichbarkeit auf Augenhöhe“, vor allem aber, dass die SuS sich gegenseitig so wahrnehmen. Bei Olympia gibt’s auch Abstufungen im Erfolg, aber alle werden sich (hoffentlich) als grundsätzlich ebenbürtig empfinden. Dabei sein ist alles. Analog wäre das in einer Elite-Schulklasse: Nicht jeder kann der beste sein, aber allein dazuzugehören, das ist ein Erfolg. Ich weiß, das klingt jetzt elitär … aber ich meine es im Sinne des obigen Artikels: für das Wohlbefinden muss die Umgebung stimmen. Und die stimmt wohl oft nicht.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Warum können Sie das auf eine Elite-Klasse beziehen, wo nicht jeder der Beste ist, man aber die Leistungen gegenseitig anerkennt, nicht aber auf eine gemischte Gesamtschulklasse?

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Ich fürchte, die Antwort steht im obigen Artikel.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Palim: „Vielleicht braucht es auch ein anderes System der Leistungsbeurteilung:
Der ständige Vergleich mit den Mitschülern ist die bekannte soziale Bezugsnorm, in der nicht danach gefragt wird, ob der Schüler selbst sich verbessert hat, ob die Leistung gemessen an seinen Fähigkeiten gut oder schlecht ist, wo seine Stärken sind und was er noch üben sollte, sondern erst einmal in den Blick genommen wird, wo die anderen stehen, wie viele Kinder besser oder schlechter waren … etwas, das der Schüler selbst gar nicht beeinflussen kann. Das kommt denen zu Gute, die zum besseren Teil der Klasse gehören, denn sie fühlen sich erfolgreich.“
Oben im Artikel geht es doch gar nicht um die Art der Beurteilung, ob nun Noten gegeben werden und wofür und wie das alles praktisch abläuft, es geht — so verstehe ich das — um den psychologischen Effekt (nur der Test beurteilt die Leistung). Auch wenn keine Noten gegeben werden, merken doch alle, wer was kann und wer nicht. Also ein gönnerhaftes „du hast dich ja leicht verbessert“ wird an diesem psychologischen Effekt nicht viel ändern, wenn die Hälfte der Klasse weit voraus ist. Und was ist mit denen, die sich verschlechtern? Üblicherweise öffnet sich die Schere zwischen den besten und den schwächsten noch weiter („Matthäus-Effekt“). Man versetze sich auch in die Lage eines Fußballers in einer Mannschaft, der dort zu den zwei schwächsten Spielern gehört. Noten gibt’s da nicht und Spott vom Trainer und von den Mannschaftskameraden vielleicht auch nicht, aber jeder merkt’s und jeder weiß es. Da würde man doch lieber in einer schwächeren Mannschaft spielen, wo man zu den beiden besten gehört, oder? Analog in einem Orchester von Musikern.

„Den negativen Effekt bei leistungsstarker Schülerschaft abzumildern, sei deshalb auch eine tagtägliche Herausforderung für Lehrer.“ So steht es oben im Artikel. Wie bitte, ein negativer Effekt? Ist das nicht eine Ohrfeige für all die, die immer behaupten, die leistungsstarken Schüler würden die anderen mitziehen, und genau deswegen müssten wir das dreigliedrige Schulsystem abschaffen?

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor

Hohe Leistungsanforderungen nehmen den Schülern die Zeit, berufsrelevante Inhalte wie Programmieren, Sozialverhalten in Vereinen oder praxisrelevantes Englisch zu lernen. Daher ist manchmal, weniger Schule einfach mehr. Es ist wie beim Essen. Zuviel ist schlecht, auch wenn man eine bestimmte Menge braucht. Daher muss die Ganztagsschule auch wieder abgeschafft werden.

xxx
5 Jahre zuvor

Das gilt nur für Schüler, für die die Anforderungen ZU hoch sind, also fordern Sie in Wahrheit weniger Gymnasiasten. Damit kann ich leben.

Den Ganztag werden Sie nicht mehr abschaffen können, weil die Wirtschaft gering bezahlte Doppelverdiener in Teilzeit den hoch bezahlten Alleinverdienern in Vollzeit bevorzugt.

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Falsch. Selbst ein hochbegabter Schüler, der daheim nicht mehr lernen muss, muss bei einer Ganztagsschule sehr lange in der Schule sitzen und hat dementsprechend weniger Zeit für andere Aktivitäten.

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Richtig. Die Wirtschaft bevorzugt Geringverdiener in Teilzeit. Das geht aber nur, weil es soviele Arbeitskräfte gibt. Langfristig muss deren Zahl verringert werden, und zwar durch eine Einschränkung der Einwanderung und eine Senkung der Geburtenrate. Dann haben die Arbeitnehmer mehr Verhandlungsmacht.