Internationaler Kinderbuchtag 2019: „Books Help us Slow Down“

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MÜNCHEN/VILNIUS. Am 2. April, dem Geburtstag von Hans Christian Andersen, wird jährlich der Internationale Kinderbuchtag gefeiert. Dieser Aktionstag wurde 1967 vom International Board on Books for Young People (IBBY) ins Leben gerufen, um Freude am Lesen zu wecken und die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Kinder- und Jugendliteratur zu lenken. Jedes Jahr übernimmt eine andere IBBY-Sektion die Patenschaft für den Internationalen Kinderbuchtag. Bilderbuchkünstler aus dem jeweiligen Land gestalten zu diesem Anlass ein Plakat und wenden sich mit einer Botschaft an Leserinnen und Leser in aller Welt.

Kinderbuchautor und Illustrator Kęstutis Kasparavičius: Bücher laden zum Verweilen und Träumen ein. Foto: Berliner Büchertisch/ flickr / CC BY-SA 2.0

2019 richtet Litauen das Fest aus und wählte dazu das Motto „Books Help us Slow Down – Bücher helfen gegen Eile“. Künstlerisch umgesetzt hat es der Autor und Illustrator Kestutis Kasparavicius. Zum Kinderbuchtag plädiert er dafür, das Lesen als Oase der Ruhe zu begreifen: „Bücher helfen dabei, sich Zeit zu lassen, Bücher lehren, aufmerksam zu sein, Bücher laden zum Hinsetzen ein, ja, sie zwingen einen dazu.“ Die komplette Botschaft ist unten nachzulesen. Das Plakat und ein mehrsprachiger Flyer mit Informationen zum Autor und der Botschaft kann auf der Homepage des IBBY heruntergeladen werden.

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IBBY wurde 1953 in Zürich als gemeinnützige Organisation gegründet und umfasst mehr als sechzig Nationale Sektionen. Der Arbeitskreis für Jugendliteratur ist die deutsche IBBY-Sektion; er setzt sich in dieser Funktion nicht nur deutschlandweit, sondern auch international für die Stärkung der Kinder- und Jugendliteratur ein. Weitere Infos zu den weltweiten Aktivitäten und Veranstaltungen unter www.jugendliteratur.org.

Die Botschaft zum Internationalen Kinderbuchtag 2019 von Kęstutis Kasparavičius (aus dem Litauischen übersetzt von Lina Plaušinaitytė):

Bücher helfen gegen Eile

„Ich hab’s eilig!.. Keine Zeit!.. Tschüß!“ – solche Ausrufe kann man wohl nicht nur in Litauen, einem Land im Zentrum Europas, hören, sondern auch anderswo, eigentlich fast überall auf der Welt. Nicht weniger häufig wird der Gedanke geäußert, dass unser Zeitalter von Informationsflut, Hektik und Rastlosigkeit gekennzeichnet ist.

Dann aber nimmt man ein Buch in die Hände und plötzlich fühlt man sich irgendwie anders. Bücher haben anscheinend eine wunderbare Eigenschaft – sie helfen gegen Eile. Man schlägt sie auf, taucht in ihre besinnliche Tiefe ein, und hat keine Angst mehr, dass die Welt um einen herum in Hochgeschwindigkeit vorbeirast, ohne dass man etwas davon mitbekommt. Da fängt man plötzlich an zu glauben, dass man nicht unbedingt alle anstehenden Arbeiten erledigen muss, deren Wichtigkeit sowieso fragwürdigist. Im Buch läuft alles leise, ordentlich und der Reihe nach ab. Vielleicht ist es deswegen so, weil seine Seiten mit Zahlen gekennzeichnet sind und beim Blättern so behaglich, zart und einlullend knistern? Im Buch berühren sich die Ereignisse der Vergangenheit sanft mit denjenigen, die sich erst künftig ereignen werden.

Die Welt des Buches ist weit aufgeschlossen, diese Realität nimmt Phantasie und Einbildung freundlich in Empfang. So weiß man auf einmal nicht mehr, wo – im Buch oder im Leben – man gesehen hat, dass die Tropfen bei Tauwetter so schön vom Dach herunter fallen und das Moos auf dem Zaun des Nachbarn doch eigentlich entzückend ist. Dass die Vogelbeeren zwar sehr schön sind, aber bitter schmecken – weiß man es aus dem Buch, oder hat man es tatsächlich selber ausprobiert? War es im Buch, dass man im Sommer auf der Wiese gelegen, dann mit gekreuzten Beinen da gesessen und auf die vorbeiziehenden Wolken geschaut hat, oder gab es das wirklich?

Bücher helfen dabei, sich Zeit zu lassen, Bücher lehren, aufmerksam zu sein, Bücher laden zum Hinsetzen ein, ja, sie zwingen einen dazu. Wir lesen meistens im Sitzen, das Buch liegt auf dem Tisch oder auf dem Schoß – stimmt’s? Kennen Sie auch noch dieses Wunder – Sie lesen ein Buch und das Buch liest Sie?

Ja, ja, Bücher können auch lesen. Sie lesen Ihre Stirn, Augenbrauen, Ihre sich hebenden und senkenden Mundwinkel und insbesondere – Ihre Augen. Und durch die Augen sehen sie… Na, das wissen Sie ja selber!

Ich bin mir sicher, dass auch die Bücher auf Ihrem Schoß eine spannende Zeit erleben. Ist doch ein lesender Mensch – sei es ein Kind, oder ein Ausgewachsener – viel interessanter als einer, der es scheut, ein Buch in die Hand zu nehmen, der ewig in Eile ist, keine Zeit zum Hinsetzen hat, weil er nichts verpassen will und so Vieles verpasst.

Am Internationalen Kinderbuchtag wünschen wir uns gegenseitig interessante, spannende Bücher. Aber auch – dass die Bücher uns spannend finden!

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