Reise in die Zeit von Nirosta und Nylon – Sonderausstellung Produktdesign 1920-1940

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OBERHAUSEN. „nützlich & schön – Produktdesign von 1920 bis 1940“ heißt die Sonderausstellung des LVR-Industriemuseums in Oberhausen, die noch bis zum 23. Februar 2020 läuft. Geschichts-, Kunst- und Design-Interessierte erfahren hier, wie unter anderem neue Materialien und das angesagte Bauhaus-Design die 1920er und 1930er Jahre prägten und sich die gesamte Warenwelt zunehmend veränderte.

Neue Materialien wie Nylon, Perlon oder rostfreier Stahl hatten auch auf die Welt der Mode in den 1920er/30er Jahren starken Einfluss. Foto: LVR-Industriemuseum, Jürgen Hoffmann.

Das Jahr 1919 steht für einen radikalen Neuanfang in Deutschland. Angespornt durch den politischen Systemwechsel, will das Staatliche Bauhaus, eine Arbeitsgemeinschaft von KünstlerInnen und HandwerkerInnen, eine neue Formensprache schaffen, die den Anforderungen von Industrie und Massenproduktion genügt. Das Bauhaus liefert wichtige Impulse für Design, Kunst und Architektur, die bis heute nachwirken.

Salatbesteck, Schale, Stapeltasse und Stövchen aus Harnstoff-Formaldehyd-Harz (Pollopas) um 1935, Sammlung Deutsches Kunststoff-Museum, Oberhausen
Foto: LVR-Industriemuseum, Jürgen Hoffmann

In den 1920er Jahren kommt es zu einer wahren „Materialexplosion“. Neue Kunststoffe werden entdeckt: PVC, Plexiglas, Nylon und Perlon läuten neben dem damals bereits bekannten Phenoplast wie z.B. Bakelit die „Plastifizierung“ vieler Lebensbereiche ein. Im Bereich der Metalle erlebt der bereits 1912 von der Fried. Krupp AG aus Essen als Patent angemeldete rostfreie Stahl, besser bekannt unter dem Markennamen „Nirosta“, seinen Durchbruch. Das im industriellen Maßstab hergestellte Aluminium tritt seinen Siegeszug an als das „Metall der Moderne“. Auch traditionelle Werkstoffe wie Glas, Keramik und Holz können in vielen Anwendungsbereichen ihre Position behaupten und „gehen mit der Zeit“.

Mit den schlichten und zweckmäßigen Möbeln der Deutschen Werkstätten Hellerau und den neuartigen verchromten Stahlrohrmöbeln entsteht ein völlig neues, luftiges Wohngefühl. So zeigt die Ausstellung z.B. den Stahlrohrstuhl Wassily von Marcel Breuer. In der Küche wird zunehmend mit Töpfen aus Aluminium hantiert. Zur schnellen Reinigung kommt der handliche Staubsauger „Saugling“ zum Einsatz, dessen Materialmix aus Bakelit und verchromtem Metall für den rationalisierten Haushalt jener Jahre steht. Die Menschen essen immer häufiger von schnörkellosem Geschirr aus Pressglas, das unter anderem von der Oberhausener Glasfabrik hergestellt wird. Darüber hinaus werden verschiedene Glasobjekte von Wilhelm Wagenfeld vorgestellt. Man wärmt sich am Dauerbrandofen in modernem Design von Walter Gropius, und Kinder spielen mit dem neuartigen Metallbaukasten „Elex“ der Firma Märklin. Auch in der Freizeit spiegeln sich neue Entwicklungen wider: Für den Fotoapparat „Agfa Box 14“ bekannt unter dem Namen „Trolix“, fand der neue Press-Kunststoff Trolit der Dynamit AG aus Troisdorf Verwendung. Und am Abend zieht sich die Frau das Tanzkleid mit dem typischen geraden, lockeren Schnitt an, das über und über mit Pailletten aus Celluloid bestückt ist.

Motorrad Ardie „Silberfuchs“ Typ ZL 30, Rahmen aus Duraluminium, Glas. Leder, Hersteller: Ardie GmbH (Arno Dietrich), Nürnberg, 1930, © PS.Speicher der Kulturstiftung Kornhaus, Einbeck
Foto: LVR-Industriemuseum, Jürgen Hoffmann

Neue Formen und Werkstoffe erobern auch Bereiche wie den Verkehr oder den Sport. Im Zeichen einer zunehmend mobilisierten Gesellschaft wird die Ausstellung im Peter-Behrens-Bau des LVR-Industriemuseums sowohl Automobilteile und -motoren aus Aluminium als auch Teile aus dem Flugzeugbau wie Propeller und Bauelemente eines Luftschiffs präsentieren. Der Fackelhalter des Olympischen Fackellaufs aus dem nicht rostenden Stahl Nirosta V2A, den die Firma Krupp 1936 für das sportliche Großereignis in Berlin stiftete, bot sich als herausragende Werbeplattform für den neuen Werkstoff Edelstahl an.

Die Ausstellung präsentiert über 500 höchst unterschiedliche Gebrauchsgegenstände aus den Bereichen Haushalt, Wohnen, Hygiene, Freizeit, Mobilität, Arbeit und Produktion. Diese Warenwelt unterscheidet sich am Ende der 1930er Jahre deutlich von den Formen und Werkstoffen der Vorkriegsjahre und verändert den Alltag der Menschen in vielfältiger Weise. Formen und Materialien dieser Gebrauchsgegenstände prägen unser tägliches Leben bis heute.

Die Ausstellung ist Teil des Jubiläumsprogramms „100 jahre bauhaus im westen“, das das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft gemeinsam mit den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe veranstalten. Schirmherrin ist Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Laufzeit: bis zum 23.2.2020

Öffnungszeiten: Dienstag-Freitag: 10-17 Uhr, Samstag und Sonntag: 11-18 Uhr

Eintritt: 6 € (Kombiticket mit der Ausstellung „Peter Behrens – Kunst und Technik“), ermäßigt 5 €, Kinder und Jugendliche frei

Ausstellungsort: Peter-Behrens-Bau, Essener Straße 80, 46047 Oberhausen

Weitere Informationen auf: www.nuetzlichundschoen.de

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