BERLIN. Der Druck von Rechtsaußen auf Schulen nimmt zu. Beim Schutz ihrer Lehrer und Schulleiter versagen die Schulbehörden allerdings auf ganzer Linie – nicht ein einziges Verfahren wurde bislang angestrengt. Die erkennbare Folge: Rechtsradikale fühlen sich ermuntert, die Schraube immer weiter anzudrehen.
In Frankreich sorgte eine Schwarze Liste unlängst für Aufregung: Monsanto hat in einem geheimen Papier rund 200 französische Politiker, Wissenschaftler und Journalisten auflisten lassen, die sich kritisch zum umstrittenen Tochterunternehmen des deutschen Chemieriesen Bayer geäußert hatten. Die Empörung in den französischen Medien war groß. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Datenmissbrauchs. Bayer musste sich bereits öffentlich entschuldigen – der Konzern betonte dabei, höchsten Wert auf Datenschutz zu legen.
In Deutschland sammelt eine Partei – die AfD – die Namen von Lehrern, die sich ihr gegenüber kritisch äußern. Unverhohlen und öffentlich fordert sie Schüler und Eltern dazu auf, ihr entsprechende Pädagogen in eigens eingerichteten Portalen zu melden. Die Meldungen dürfen auch anonym erfolgen. AfD-Politiker brüsten sich damit, mehrfach in solchen Fällen „vermittelnd“ eingeschritten zu sein (heißt wohl: Druck auf die Lehrer gemacht zu haben). Und was passiert? Kultusminister missbilligen unisono die sogenannten „Meldeportale“. Und sonst? Nichts. Keine Schulbehörde hat sich bislang dazu aufraffen können, juristisch gegen die AfD vorzugehen.
Im Gegenteil. In Hamburg wies die Schulaufsicht eine Stadtteilschule an, Aufkleber einer Antifa-Gruppe im Eingangsbereich der Schule und in einem Klassenraum zu entfernen. Vorausgegangen war eine Beschwerde der AfD. Dass die Schule den Vorwurf, „Werbung für ein linksextremes Netzwerk“ geduldet zu haben, zurückwies – es habe sich bei der vielfältigen Aufklebersammlung um ein Projekt eines Oberstufen-Kurses zu politischer Kunst gehandelt, hieß es – focht die Schulbehörde nicht an. Die Hamburger AfD triumphierte: Ihr „Meldeportal“ wirke. Eine Bombendrohung mit erkennbar rechtsradikalem Hintergrund erreichte daraufhin die Schule.
Die AfD geht juristisch gewieft gegen die Schulen vor
Die Untätigkeit der Schulministerien gegenüber dem wachsenden Druck von Rechtsaußen auf die Schulen irritiert. Einzuräumen ist: Die AfD geht juristisch gewieft gegen die Schulen vor. Dass die „Meldeportale“ formal bei den jeweiligen Landtagsfraktionen der Partei angesiedelt sind, ist kein Zufall: Die parlamentarische Arbeit ist in Deutschland rechtlich besonders geschützt. „Trotzdem ist hier sehr zweifelhaft, dass es sich hier wirklich noch um eine parlamentarische Arbeit speziell der Fraktionen handelt“, so meint etwa der Rechtsanwalt Christian Solmecke.
Die „Denunziationsportale“ verstießen klar gegen den geltenden Datenschutz. Solmecke: „Sobald Eltern oder Schüler einen Lehrer wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die politische Neutralitätspflicht auf dem AfD-Meldeportal anzeigen, werden über das Portal personenbezogene Daten der Lehrer erhoben und verarbeitet. Dies geschieht unabhängig davon, ob diese Daten auch veröffentlicht werden oder nicht. Überdies handelt es sich in diesem Fall sogar um solche Informationen, aus denen die politische Meinung bzw. weltanschauliche Überzeugungen des Lehrers hervorgehen. Solche sensiblen Daten werden im Datenschutzrecht als besondere Kategorie personenbezogener Daten besonders stark und umfassend geschützt. Eine Verarbeitung solcher Daten ist gem. Art. 9 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) grundsätzlich verboten und nur in ganz engen Ausnahmen zulässig.“
Selbst wenn vielleicht eine Niederlage gegenüber der Rechtsaußen-Partei vor Gericht droht – „man kann ja auch mal Haltung zeigen“, meint der Geschäftsführer der Lernzeit Schulpersonal-Service GmbH, Wolfhard Westphal, der für Hamburger Ganztagsgrundschulen Personal rekrutiert. Ihm hat die Hamburger Schulbehörde eine Klausel verboten, die AfD-Mitglieder von der Position eines Kursleiters ausschloss. In dieser Funktion sei es notwendig, meint Westphal, dass Bewerber empathisch und vorurteilsfrei allen Schülern – gleich welcher Nationalität, Hautfarbe oder kulturellem Hintergrund – zugewandt auftreten. Angesichts der politischen Ausrichtung der AfD hält er deshalb einen Ausschluss von AfD-Mitgliedern durch den in Paragraf 8 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes formulierten Ausnahmetatbestand gedeckt. Die Schulbehörde nicht. Ergebnis: Die AfD frohlockt erneut. „Einmal mehr zeigt sich, dass unser Info-Portal ‚Neutrale Schulen Hamburg‘ dazu beiträgt, grobe Missstände aufzudecken“, behauptet sie.
Persönliche Daten der Schulleiterin veröffentlicht
Ins Bild passt, dass nicht einmal dann eine Schulbehörde schützend einschreitet, wenn eine Schulleiterin von Rechtsradikalen mit vollem Namen und (offensichtlich widerrechtlich von der Schulhomepage herausgeschnittenen) Foto öffentlich zur Jagd freigegeben wird. Der Fall: Ihre Grundschule hatte sich im Januar an einem Umweltschutzprojekt beteiligt, woraufhin ein rechtsextremer Blog seine Leserschaft gegen die „linksgrüne Klimahysterie“ des Kollegiums aufstachelte und in diesem Zusammenhang die Adresse der Schule – samt der persönlichen Daten der Schulleiterin – veröffentlichte. Die bekam dann prompt eine Flut von Hassmails bis hin zur Morddrohung.
Foto und die Daten der Schulleiterin sind bis heute auf der Seite zu finden. Und in Bremen hat die AfD unlängst ein weiteres „Meldeportal“ gestartet – wegen des „großen Erfolgs“ in anderen Bundesländern wie Hamburg, so heißt es. News4teachers
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