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Darf Höcke jemals wieder als Geschichtslehrer arbeiten? Pistorius will Beamte entlassen, die dem völkischen “Flügel” angehören

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HANNOVER. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) möchte Beamte, die sich offen zum völkischen „Flügel“ der AfD bekennen, aus dem öffentlichen Dienst entfernen. Dies gilt vor allem für den thüringischen AfD-Spitzenkandidaten und für seine Abgeordnetentätigkeit im Thüringer Landtag beurlaubten Geschichtslehrer Björn Höcke. „Dieser Mann darf nie wieder als Lehrer arbeiten“, sagte Pistorius der „Bild am Sonntag“.

Fordert – mit Blick auf den Holocaust – eine “erinnerungspolitische Wende um 180 Grad”, auch in Schulen: der AfD-Funktionär und frühere Lehrer Björn Höcke. Foto: Alexander Dalbert / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Ein wehrhaft-demokratischer Staat müsse ein rechtsstaatliches Verfahren einleiten, um Höcke den Beamtenstatus abzuerkennen, forderte der SPD-Politiker. Wer das Gedankengut des Flügels teile, widerspreche dem Bild, das das Grundgesetz von Richtern, Staatsanwälten, Lehrern, Polizisten und Finanzbeamten habe. „Wer sich offen zum Flügel bekennt, dem sollte der Beamtenstatus aberkannt werden“, unterstrich Pistorius. „Solche Leute haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“

Höcke, Geschichtslehrer von Beruf, hat immer wieder Kritik am Holocaust-Gedenken der Deutschen – und insbesondere der Schulen in Deutschland – geübt und eine “erinnnungspolitische Wende um 180 Grad” gefordert. In den Schulen werde die deutsche Geschichte “mies und lächerlich” gemacht. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin nannte er ein “Denkmal der Schande”. Darüber hinaus verglich er die Bundesregierung mit dem Regime der DDR.

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Höcke zurück im Landesdienst? “Auf keinen Fall unterrichten”

Bereits 2016 hatte es in Hessen, wo Höcke nach wie vor als Landesbeamter geführt wird – er war vor seiner Beurlaubung Lehrer an einer Gesamtschule in Bad Sooden-Allendorf – eine ähnliche Diskussion geben. „Sollte Herr Höcke jemals in den Landesdienst zurückkehren, kann er auf keinen Fall unterrichten“, sagt seinerzeit der damalige Chef der SPD im hessischen Landtag und zeitweilige kommissarische SPD-Vorsitzende, Thorsten Schäfer-Gümbel.

Auch die hessischen Grünen lehnten eine mögliche Rückkehr Höckes in den Schuldienst ab. „Kultusminister Lorz hat angekündigt, unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen alles dafür tun zu wollen, dass Herr Höcke keinen Unterricht an einer hessischen Schule mehr erteilen wird“, sagten die beiden Landesvorsitzenden, Kai Klose und Daniela Wagner. „Darin hat der Minister unsere volle Unterstützung. Niemand kann wollen, dass ein Lehrer Schüler unterrichtet, der die wichtigsten Grundwerte unserer Verfassung in Zweifel zieht.“ Die hessische FDP hielt laut Bericht auch ein Disziplinarverfahren gegen Höcke für denkbar, an dessen Ende sogar seine Entlassung als Beamter stehen könnte.

Meidinger: Zweifel daran, dass Höcke eine Rückkehr verwehrt werden könnte

Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, hatte allerdings zuvor Zweifel daran angemeldet, ob  Höcke eine etwaige Rückkehr an eine Schule des Landes verbaut werden könne. „Ich habe nicht die geringste Sympathie für die Ansichten von Herrn Höcke; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel“, sagte Meidinger. „Ich bin allerdings auch der Auffassung, dass man hier einen rechtsstaatlich sauberen Weg gehen muss. Denn man muss zwei Dinge sehen: Die AfD ist noch keine verbotene verfassungsfeindliche Partei. Außerdem unterliegt Herr Höcke als Parlamentarier nicht dem Mäßigungsgebot, dem ein Beamter im Dienst unterliegt.“ Der Verbandsvorsitzende fügte hinzu, er würde es im Prinzip begrüßen, „wenn es eine Möglichkeit gäbe, dass Herr Höcke nicht mehr unterrichtet. Ich bin aber sehr skeptisch, ob das, was dazu vorliegt, juristisch ausreicht.“

Tatsächlich sind die Hürden, Lehrer aufgrund von politischen Aussagen aus dem Schuldienst zu entfernen, hoch. Unmöglich aber ist es nicht, wie der aktuelle Fall eines Berliner Grundschullehrers zeigt, der sich auf Youtube als „Volkslehrer“ mit rechtsradikalen Botschaften präsentierte (News4teachers berichtete). Die Berliner Bildungsverwaltung kündigte ihm fristlos – der Lehrer klagte gegen seine Entlassung. Vergebens. Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück und fand in seiner Urteilsbegründung sehr deutliche Worte.

Grundschullehrer produzierte Propaganda gegen den Rechtsstaat

Der Lehrer habe seine Videos im Internet gezielt als Propagandamittel genutzt, um den Rechtsstaat anzugreifen, zu verunglimpfen und verächtlich zu machen. Das sei für einen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unangemessen und nicht tolerabel – auch wenn es kein Fehlverhalten im Unterricht gab. Der Staat müsse sich gegen diejenigen wehren, die sich mit einem anderen Deutschland identifizierten. Die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik stehe unter Druck, so betonte der Richter. „Dem müssen wir entschlossen entgegentreten.“ News4teachers / mit Material der dpa

Was der Verfassungsschutz zu Höcke und Co meint

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat den AfD-“Flügel” zum “Verdachtsfall” erklärt. Zur Begründung heißt es:

“Hinsichtlich der Sammlungsbewegung der AfD ‘Der Flügel’ um den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke liegen dem BfV stark verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei ihr um eine extremistische Bestrebung handelt. Das durch den ‘Flügel’ propagierte Politikkonzept ist primär auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, insbesondere Muslimen, und politisch Andersdenkenden gerichtet. Es verletzt alle Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die Menschenwürdegarantie sowie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Die Relativierung des historischen Nationalsozialismus ist zudem prägend für die Aussagen der ‘Flügel’-Vertreter.

Gibt gerne den Einpeitscher: AfD-Funktionär Björn Höcke. Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

Der Fortbestand eines organisch-einheitlichen Volkes wird vom ‘Flügel’ als höchster Wert angesehen. Der einzelne Deutsche wird nur als Träger des Deutschtums wertgeschätzt. ‘Kulturfremde’ Nicht-Deutsche gelten als nicht integrierbar. Ihnen soll eine Bleibeperspektive konsequent verwehrt werden. Ziel des ‘Flügels’ ist ein ethnisch homogenes Volk, welches keiner ‘Vermischung’ ausgesetzt sein soll.

Dies wird durch flüchtlings- und muslimfeindliche Positionen untermauert. Die Staatsbürgerschaft von muslimischen Deutschen wird in Frage gestellt. Ihnen drohen bei konsequenter Umsetzung der ‘Flügel’-Positionen Massenabschiebungen. Mittels einer aggressiven Wortwahl wird die von Migranten ausgehende Kriminalität krass überzeichnet. Befürworter einer liberalen Migrationspolitik werden zudem massiv entwürdigend beschimpft. Ihre politische Haltung wird etwa mit einer Geisteskrankheit gleichgesetzt.

‘Flügel’-Vertreter wenden sich auch gegen das Demokratie- und das Rechtstaatsprinzip. Demokratische Entscheidungen werden nur akzeptiert, wenn diese zu einer Regierungsübernahme durch die AfD führen. Im Falle des Scheiterns der AfD gelte: ‘Danach kommt nur noch: Helm auf.’

Einzelne Mitglieder des ‘Flügels’ weisen nach Informationen des BfV zudem Bezüge zu bereits als extremistisch eingestuften Organisationen auf.”

Quelle: www.verfassungsschutz.de/de/aktuelles/zur-sache/zs-2019-002-fachinformation-zu-teilorganisationen-der-partei-alternative-fuer-deutschland-afd

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

„Lehrer denken sozialistisch“: AfD will die Schulen auf Parteilinie bringen – und erhöht dafür den Druck („Auge um Auge“)

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