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Ministerium bestellt Schulen mit hohem Unterrichtsausfall “zum Rapport” ein

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STUTTGART. Die Schulaufsicht in Baden-Württemberg soll 80 Schulleitungen wegen überdurchschnittlichen Unterrichtsausfalls in den Blick nehmen. Es gehe um «strukturierte Gespräche über Ursache und Wirkung des jeweiligen Unterrichtsausfalls», teilte das Kultusministerium am Montag in Stuttgart mit. Gerade angesichts der angespannten Lehrerversorgung im Land sei es wichtiger denn je, die Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen. Man gehe nicht mit «erhobenem Zeigefinger» vor. Der VBE zeigt sich trotzdem empört.

Wohin geht der Blick der Schulaufsicht? Foto: Shutterstock

Seit Juni 2018 führt die Schulverwaltung regelmäßig Vollerhebungen des Unterrichtsausfalls an den öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg durch, aktuell geschieht dies dreimal pro Schuljahr. Auf dieser Grundlage liegen der Schulaufsicht zwischenzeitlich belastbare Daten zur Unterrichtssituation in den Stichwochen und im Längsschnitt vor. „Diese Daten sind kein Selbstzweck“, erklärt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hervor. „Sie liefern uns Steuerungswissen, mit dem wir im Ergebnis die Unterrichtsversorgung verbessern wollen.“

Handlungskonzept für Schulen mit besonders hohem Unterrichtsausfall

Deshalb habe das Ministerium ein Handlungskonzept entwickelt, das diejenigen Schulen gesondert in den Blick nehme, an denen der in den Vollerhebungen festgestellte Unterrichtsausfall mehrfach besonders hoch war und deutlich über dem Landesschnitt lag. Insgesamt seien Anfang Oktober 80 Schulen aller Schularten angeschrieben worden. Die zuständige Schulaufsicht sei aufgefordert worden, mit den Schulleitungen “strukturierte Gespräche über Ursache und Wirkung des jeweiligen Unterrichtsausfalls” zu führen.

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„Wir wollen gemeinsam mit den Schulen prüfen, welche Vertretungskonzepte im Einzelfall hilfreich sein können“, betont Eisenmann. Angesichts erheblicher Unterschiede zwischen den Schulen im Land, was den Unterrichtsausfall anbelangt, sei es wichtig, Best-Practice-Beispiele herauszustellen. „Wir wissen, dass die Schulleitungen den Einsatz ihrer Lehrkräfte überall mit hohem Verantwortungsbewusstsein steuern und gehen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor“, unterstreicht Eisenmann und fügt hinzu: „Das Gespräch ist ausdrücklich als ein Unterstützungsangebot zu verstehen. Es geht uns nicht darum, Defizite aufzuzeigen, sondern darum, gemeinsam nach geeigneten Maßnahmen zu suchen, um drohende Ausfälle wo immer möglich zu kompensieren.“

VBE: Unterrichtsausfall wird vom Land verursacht – nicht von Schulleitern

Die Ursachen für den Unterrichtsausfall sieht der VBE Baden-Württemberg aber nicht in Fehlentscheidungen von Schulleitungen – sondern in Fehlplanungen von Seiten des Landes. Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE, kritisiert daher das aktuelle Vorgehen von  Eisenmann scharf. „Die Schulleitungen im Land leisten ihr Bestes, um unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen den Unterricht zu sichern. Das Kultusministerium wäre gut beraten, diese Bemühungen zu unterstützen, anstatt die Schulleitungen von oben unter Druck zu setzen. Wer den Lehrerberuf attraktiv gestalten will, handelt kontraproduktiv, wenn er die Schulleitungen öffentlich an den Pranger stellt. Ebenso kontraproduktiv ist es, Schulleitungen, die bereits an der Grenze der Belastbarkeit agieren, mit weiteren Aufgaben zu überfrachten“, so Brand.

Dirk Lederle, stellvertretender Landesvorsitzender des VBE und Fachmann für Schulleitung, fordert vom Land gezielte Maßnahmen, um den Unterricht zu sichern. „Die Schulleitungen zu gängeln ist sicher nicht der richtige Weg, um den Unterricht im Land zu sichern. Hierfür bedarf es vielmehr die richtigen bildungspolitischen Weichenstellungen.”

Der VBE fordere seit Jahren eine Lehrerversorgung von 110 Prozent. Die zusätzlichen 10 Prozent seien notwendig, um kurzfristig auftretende Ausfälle an den Schulen ohne großes bürokratisches Hickhack kompensieren zu können. “Dringend erforderlich ist außerdem die weitere Erhöhung der Studienplatzkapazitäten. Wir fordern zudem, dass Studierende sowie Lehramtsanwärterinnen und -anwärter besser begleitet werden, um mögliche Motivationslücken in der Ausbildung aufzufangen”, meint Lederle. “Im Anschluss an das Referendariat sollte das Kultusministerium alle Referendarinnen und Referendare, die sich durch ihre Lehramtsausbildung qualifiziert haben, dann auch unverzüglich einstellen und nicht wie bisher in die Ungewissheit entlassen. Weiterhin benötigen Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen bessere Rahmenbedingungen. Dies beinhaltet eine Reduzierung des Deputats, eine Erhöhung der Anrechnungsstunden und eine Besoldung nach A13.“

“Schulleitungen werden zum Sündenbock gemacht”

Auch die SPD im Landtag empörte sich darüber, dass Schulleiter besonders gebeutelter Schulen nun zum «Rapport» einbestellt werden sollen. Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei sagte: «Die Schulleitungen dürfen nicht zum Sündenbock für grün-schwarze Fehlentscheidungen gemacht werden.» Eisenmann habe weder die Krankheitsreserve noch die Entlastungskontingente für Lehrer mit besonderen Aufgaben angemessen ausgebaut. Nach einer Erhebung des Ministeriums im Juni dieses Jahres fanden elf Prozent des Pflichtunterrichts über alle öffentlichen Schulen hinweg nicht wie geplant statt. News4teachers / mit Material der dpa

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