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Schüler kritisieren: Prüfungszwang nicht mit Grundgesetz vereinbar – und fordern Wahlfreiheit

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DÜSSELDORF. Die diesjährigen Abschlussprüfungen sorgen weiterhin für Diskussion. Nicht nur die Bundesländer sind sich uneins, wie sie aufgrund der Corona-Pandemie verfahren wollen, auch die Schülerinnen und Schüler vertreten unterschiedliche Ansichten. Nachdem zwei Hamburger Abiturienten bereits Mitte März eine Online-Petition gestartet haben, um ein Durchschnittsabitur durchzusetzen, und ein weiterer Schüler per Online-Petition zumindest für Hamburg eine weitere Verschiebung aller Prüfungen fordert, gibt es seit Anfang April eine dritte Kampagne. Ihr Ziel ist es, für alle Schülerinnen und Schüler eine Wahlfreiheit zu erreichen. 

Abschlussprüfungen schreiben oder nicht schreiben? Das sollen die Schülerinnen und Schüler in Deutschland selbst entscheiden dürfen, so die Forderung der Petition. Foto: Shutterstock

Hessen und Rheinland-Pfalz haben die schriftlichen Abiturprüfungen trotz des Coronavirus bereits abgenommen, viele andere Bundesländer wie Bayern und Berlin haben den Beginn nach hinten verschoben und wieder andere – wie Nordrhein-Westfalen – schwanken zwischen Durchführen und Absagen (News4teachers berichtete). Grundsätzlich hatten sich die Kultusministerien der Länder im Zuge einer Schaltkonferenz darauf verständigt, die Schulabschlussprüfungen stattfinden zu lassen „soweit dies aus Infektionsschutzgründen zulässig ist“, wie die Kultusministerkonferenz (KMK) nach dem Gespräch mitteilte.

Harsche Kritik am Vorgehen der Länder

Auf die gewohnte Vorgehensweise zu beharren, sei „über alle Maße verantwortungslos“, urteilen nun Thekla Koranashvili und Colin Wilke, Schülerin und Schüler eines Herforder Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen. Mit ihrer Online-Petition fordern sie ein „Selbstbestimmungsrecht für Schüler*innen“. Demnach sollen die Abiturientinnen und Abiturienten in Deutschland selbst entscheiden dürfen, ob sie an den Abschlussprüfungen teilnehmen oder ein Durchschnittsabitur anfordern wollen. Dafür hatte sich zuletzt auch die Landesvertretung der Schülerinnen und Schüler in NRW eingesetzt (News4teachers berichtete).

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Gegen einen Zwang zur Teilnahme spricht aus Sicht der beiden Jugendlichen das Grundgesetz Art.2, Satz II: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ Für Thekla und Colin steht fest: „Die Abiturpflicht ist alles andere als ein legitimer Grund um dieses Grundrecht kurzerhand außer Kraft zu setzen.“ Einen ganzen Abiturjahrgang bewusst dem Risiko einer Infektion auszusetzen, grenze an einem Skandal.

Große mentale Belastung

Sie verweisen unter anderem auf die gesundheitliche Gefahr, die vom Coronavirus ausgeht. Zwar seien vor allem ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen besonders gefährdet, doch es existierten eben auch Fälle, in denen jüngere Personen an der durch das Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben sind. Darüber hinaus gebe es Schülerinnen und Schüler, die Teil der Risikogruppe sind, oder mit Personen zusammenleben, auf die das zutrifft. „Das Ausmaß an psychischer Last, die daraus folgt, ist kaum auszumalen“, schreiben die beiden Jugendlichen. Zudem sei nicht auszuschließen, dass durch die Abschlussprüfungen „eine desaströse Infektionswelle“ ausgelöst werden könnte, „die für das Gesundheitssystem absolut untragbar wäre“.

Des Weiteren kritisieren die Schülerin und der Schüler aus NRW eine fehlende Chancengerechtigkeit, da die Vorbereitungsphase von vielen Einschränkungen geprägt sei: fehlender Unterricht, keine Möglichkeit, Nachhilfe zu bekommen oder in Gruppen zu lernen.

Das Ziel: Selbstbestimmung

In ihrer Argumentation gegen einen Prüfungszwang ähnelt die Petition der Kampagne aus Hamburg, die sich für eine Absage aller Abschlussprüfungen einsetzt und mittlerweile fast 140.000 Unterschriften gesammelt hat (News4teachers berichtete). Im Gegensatz zu dieser wollen sie jedoch eine Wahlmöglichkeit erreichen. Diese würde „die individuelle Ausgangslage aller Schülerinnen und Schüler in dieser so einzigartigen Krisensituation“ berücksichtigen. Und damit auch denjenigen entgegenkommen, die ihren Notendurchschnitt durch die Prüfungen verbessern wollen. „Wir fordern lediglich das uns zustehende Grundrecht der Selbstbestimmung ein und bitten die Kultusminister*Innen, die Entscheidungen eines jeden von uns zu respektieren und endlich anzufangen, uns wie selbstbestimmte Menschen zu behandeln“, so Thekla und Colin. Bislang unterstützen ihr Anliegen rund 1.250 Personen. Anna Hückelheim / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zur Petition von Thekla Koranashvili und Colin Wilke.

Corona-Regeln: Welche Auflagen für Abiturprüfungen gelten

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