DÜSSELDORF. Die Coronakrise führe in vielen Familien zu einer Rückkehr zu traditioneller Arbeitsteilung. Erwerbstätige Mütter tragen so die Hauptlast zusätzlicher Sorgearbeit in Corona-Zeiten. Forscherinnen warnen vor langfristigen Nachteilen.
Die Coronakrise stellt eine enorme Belastung dar für das Gesundheitswesen, die Volkswirtschaft, den Sozialstaat – und für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern. Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nehmen momentan zu, Fortschritte bei der Aufteilung von Erwerbs- und unbezahlter Sorgearbeit werden in vielen Familien zumindest zeitweilig zurückgenommen. Das sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Online-Befragung, für die im April im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung 7.677 Erwerbstätige interviewt wurden.
Diese Tendenz zeigte sich in Haushalten mit niedrigeren oder mittleren Einkommen stärker ausgeprägt als bei höheren Einkommen, auch weil Personen mit höheren Einkommen generell während der Pandemie seltener ihre Erwerbsarbeit einschränken müssen. Generell erleben Erwerbstätige ihre Lage angesichts der Pandemie noch deutlich häufiger als belastend, wenn sie Kinder unter 14 Jahren haben. 48 Prozent der Eltern in Paarbeziehungen bewerteten ihre Gesamtsituation als „äußerst“ oder „sehr belastend“. Unter den Alleinerziehenden waren es knapp 52 Prozent – gegenüber knapp 39 Prozent unter den Befragten ohne Kinder bis maximal 14 Jahren.
Wenn Eltern in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen einspringen müssen, tragen Mütter die Hauptlast: Der Auswertung zufolge haben in Haushalten mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren 27 Prozent der Frauen, aber nur 16 Prozent der Männer ihre Arbeitszeit reduziert, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten – ein Unterschied von 11 Prozentpunkten, wie Bettina Kohlrausch und Aline Zuccoest herausstreichen, die die Befragung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet haben. Bei Haushalten mit geringerem oder mittlerem Einkommen fällt die Diskrepanz mit rund 12 bzw. 14 Prozentpunkten noch größer aus. Das spreche dafür, dass finanzielle Überlegungen bei der Entscheidung, wer von den Eltern Arbeitszeit reduziert, eine wesentliche Rolle spielten, so Kohlrausch und Zuccoest. Familien mit wenig Geld könnten es sich häufig nicht leisten, auf das – meist höhere – Gehalt des Mannes zu verzichten.
„Paare, die sich so verhalten, handeln individuell unter dem Druck der Krisensituation kurzfristig oft rational. Sie sehen ja derzeit keine Alternative“, so Kohlrausch. Die Forscherinnen warnen vor langfristigen Gefahren für die Erwerbsverläufe von Frauen. Da die ökonomischen Folgen der Krise noch länger spürbar sein werden, könnte eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit unter Umständen nicht möglich sein. Somit drohten auf längere Sicht drastische Folgen für das Erwerbseinkommen von Frauen: Die bestehende Lohnlücke zwischen den Geschlechtern dürfte sich dann durch die Coronakrise noch weiter vergrößern.
Hinzu komme, dass in der Krise insbesondere jene Haushalte finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, die davor schon am unteren Ende der Einkommensverteilung lagen. Die Ausfälle von Schulen und Kitas könnten somit bestehende Einkommensungleichheiten weiter verstärken.
Bei der Arbeitsteilung innerhalb von Partnerschaften komme es oft tendenziell zu einer „Retraditionalisierung“, fassen Kohlrausch und Zucco zusammen. Aus der Umfrage werde deutlich, dass die zusätzlich anfallende Sorgearbeit auch in Familien mit einer vormals gleichberechtigten Verteilung unbezahlter Arbeit nun vor allem die Frauen übernähmen. Nur rund 60 Prozent derjenigen Paare mit Kindern unter 14 Jahren, die sich die Sorgearbeit vor der Coronakrise fair geteilt haben, tun dies auch während der Krise. Bei den übrigen übernehmen in knapp 30 Prozent der Fälle die Frauen und in gut 10 Prozent der Fälle die Männer den Hauptteil der Sorgearbeit.
„Ich mache die Weinflaschen auf“: Beim Haushalt hört die Gleichberechtigung auf
Bei Paaren mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 2000 Euro und zuvor ausgeglichener Arbeitsteilung hielten aktuell sogar nur 48 Prozent weiterhin diese Arbeitsteilung aufrecht. Das zeige, dass Eltern, die finanziell stark unter Druck stehen, weniger Spielräume für eine faire Arbeitsteilung blieben.
Als Fazit halten die Sozialwissenschaftlerinnen fest, dass die zusätzlich anfallende Sorgearbeit durch die Schließung von Kitas und Schulen Familien enorm unter Druck setzt und dabei Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verfestigen kann. Um dem entgegenzuwirken, brauche es zumindest für die unteren Einkommensgruppen mehr finanzielle Unterstützung, wenn wegen Kinderbetreuung Arbeitszeit reduziert werden muss, und eine generelle Entlastung bei der Sorgearbeit. Deshalb sollte aus Sicht der Familien – insbesondere der Kinder und der Frauen – eine schrittweise Öffnung der Kitas Priorität haben. Zudem gelte es, die Möglichkeiten für digitalen Unterricht auszubauen, wozu gehöre, auch ärmere Haushalte mit der nötigen Technik auszustatten, und über innovative Betreuungsmodelle nachzudenken. (zab, pm)
