STUTTGART. Statt ganzer Klassen könnten künftig nur noch einzelne Schüler bei einem Corona-Fall in Quarantäne geschickt werden. Das schlägt zumindest das baden-württembergische Sozialministerium vor – unter Berufung auf das Robert-Koch-Institut. Das allerdings empfiehlt keineswegs, die Quarantäne-Maßnahmen in Schulen einzuschränken.
Angesichts der Maskenpflicht im Unterricht sieht es das baden-württembergische Sozialministerium nicht mehr als zwingend notwendig an, ganze Klassen bei einem Corona-Fall in Quarantäne zu schicken. Stattdessen könnten nur noch direkte Kontaktpersonen wie Sitznachbarn isoliert werden, sagte ein Ministeriumssprecher. Ziel sei es, ein landesweit einheitliches Vorgehen zu erreichen. An entsprechenden Handlungshinweisen werde im Ministerium bereits gearbeitet. Darin folge man aktualisierten Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI).
Das RKI benennt Schulklassen im Infektionsfall ausdrücklich als Kontaktpersonen der Kategorie I
Auf welche Empfehlungen sich das baden-württembergische Sozialministerium beruft, ist unklar. Das RKI empfiehlt auf seiner Homepage nach wie vor, bei einem Infektionsfall in einer Klasse alle Schüler in Quarantäne zu nehmen.
So benennt die Bundesbehörde in ihren aktualisierten Hinweisen zur „Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei Infektionen durch SARS-CoV-2“ (Stand: 19. Oktober) unter dem Punkt „Beispielhafte Konstellationen für Kontaktpersonen der Kategorie I“ ausdrücklich „Personen in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation mit dem bestätigten COVID-19-Fall (z.B. Schulklassen, Gruppenveranstaltungen), unabhängig von der individuellen Risikoermittlung.“
Und konkret wird für den Umgang mit diesen Kontaktpersonen der Kategorie 1, also Menschen mit höherem Infektionsrisiko, empfohlen:
- “Ermittlung der persönlichen Daten der Kontaktpersonen und bei Veranstaltungen zusätzlich des Namens und der Telefonnummer des Ansprechpartners durch das Gesundheitsamt.
- Information der Kontaktpersonen zu Übertragungsrisiken und über das COVID-19-Krankheitsbild sowie mögliche Krankheitsverläufe.
- Häusliche Absonderung für 14 Tage (Quarantäne)
- Im Haushalt nach Möglichkeit zeitliche und räumliche Trennung der Kontaktperson von anderen Haushaltsmitgliedern. Eine „zeitliche Trennung“ kann z.B. dadurch erfolgen, dass die Mahlzeiten nicht gemeinsam, sondern nacheinander eingenommen werden. Eine räumliche Trennung kann z.B. dadurch erfolgen, dass sich die Kontaktperson in einem anderen Raum als die anderen Haushaltsmitglieder aufhält.”
Ob einzelne Schüler oder ganze Klassen in Quarantäne geschickt werden, entscheiden dem Sozialministeriums-Sprecher zufolge aber nach wie vor die zuständigen Gesundheitsämter. Das Kultusministerium sieht das unterschiedliche Vorgehen kritisch und fordert Einheitlichkeit. Derzeit befinden sich im Land knapp 350 Klassen nicht im Präsenzbetrieb – heißt: Geschätzt 10.000 Schüler plus eine unbestimmte Zahl von Lehrern sitzen aktuell in Baden-Württemberg in Quarantäne fest.
Maskentragen in der Schule hat laut RKI keinen Einfluss auf die Quarantäne
In Baden-Württemberg müssen Schüler weiterführender Schulen ab Klasse fünf einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Auch Berufsschüler sind zum Tragen der Masken im Unterricht verpflichtet. Auf die Quarantäne hat das laut RKI aber keinen Einfluss: „Die Exposition einer Einzelperson zu im Raum hochkonzentriert schwebenden infektiösen Partikeln kann durch MNS/MNB kaum gemindert werden, da die Aerosole an der Maske vorbei eingeatmet werden.“
Die Bildungsgewerkschaft GEW hat deshalb auch kein Verständnis für eine Lockerung der Quarantäneregelungen – und kritisiert, dass Schulleitungen die Arbeit überlasteter Gesundheitsämter übernehmen und über die Quarantäne der Schüler entscheiden müssen. «Das Krisenmanagement des Kultus- und Sozialministeriums ist für die Schulen eine Zumutung, sorgt für Chaos und zu einer weiteren Belastung für die Schulleitungen», betonte die Landesvorsitzende Doro Moritz. Es werde der falsche Eindruck erweckt, dass Covid-19 im Klassenzimmer harmlos sei. Die Schutzmaßnahmen in Kitas und Schulen müssten verbessert und mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. News4teachers / mit Material der dpa
