DÜSSELDORF. Die Schulleitungsvereinigung NRW wirft dem Schulministerium mangelndes Vertrauen in die Schulen vor Ort in der Corona-Pandemie vor. Der Verband reagierte damit auf Ankündigungen von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vom Montag. Gebauer hatte drei Szenarien für den Schulbeginn im neuen Jahr skizziert. Abhängig von den Infektionszahlen könne es Einschränkungen geben, die aber konkret erst am 5. Januar 2021 bei der Sitzung der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin getroffen werden.
In einem Schreiben an die Schulen hatte das Schulministerium ein Stufenmodell für den Schulunterricht im neuen Kalenderjahr skizziert. Im günstigsten Fall («Stufe 1») werde es landesweiten Präsenzunterricht für alle unter Berücksichtigung der Vorgaben für Hygiene und Infektionsschutz geben. Nur in Einzelfällen, etwa bei konkreten Quarantäne-Maßnahmen, werde auf Distanzunterricht ausgewichen.
Als «Stufe 1+» bezeichnete das Ministerium das zweite Szenario: Einen angepassten Schulbetrieb in Hotspots. In Kreisen oder kreisfreien Städten mit einer 7-Tages-Inzidenz oberhalb von 200 können die Behörden Einschränkungen des Schulbetriebs anordnen, die zum Beispiel zu einer Teilung von Klassen oder Kursen führen können «und damit in der Regel parallel bzw. im Wechsel Präsenz- und Distanzunterricht erforderlich machen.»
Dabei gelten allerdings Einschränkungen, die das Modell in der Praxis weitgehend verhindern werden: Die Maßnahme soll nicht für die Klassen 1 bis 7 und Abschlussklassen gelten. Und sie darf nicht für alle Schulen einer von hohen Infektionszahlen betroffenen Stadt oder eines betroffenen Landkreises gelten. Ausdrücklich ist beim Schulministerium von „Einzelschulen“ die Rede – und davon dass Distanzunterricht nur „schulscharf für einzelne Lerngruppen oder Teile von Lerngruppen“ erfolgen dürfe. Und: Die Landesregierung muss die Maßnahme genehmigen. Ein drittes Szenario «Stufe 2» beinhaltet einen landesweit eingeschränkten Schulbetrieb.
Eine zentrale Forderung: “Die Schulleitungen müssen vor Ort entscheiden”
Es werde deutlich, dass das Ministerium «offensichtlich kein Vertrauen in die Schulen und die Schulleitungen vor Ort» habe, erklärte Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung NRW. Dabei seien gerade die Schulleiterinnen und Schulleiter diejenigen, die alle Rahmenbedingungen ihrer Schule kennen, nämlich die Inzidenzwerte, die wirksamen Infektionsmaßnahmen im ihrem System, die räumlichen, sächlichen und personellen Bedingungen, die digitale Ausstattung und Infrastruktur, die Schülerschaft und damit auch die angemessenen Unterrichtsformen sowie die geeignete Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus.
„Für die Schulleitungsvereinigung ergibt sich daraus eine zentrale Forderung“, so heißt es in dem Papier: „Die Schulleitungen müssen zum Schulbeginn 2021 unter den dann aktuellen, lokalen Bedingungen vor Ort entscheiden, wie der Unterrichtsbetrieb organisiert und aufrechterhalten wird.“
Zudem kritisiert die Schulleitungsvereinigung, dass das Ministerium ihre Fürsorgepflicht nicht wahrnehme, weil es den Arbeitsschutz nicht gewährleiste. Willert: „Der Inzidenzwert von 200 als Grenzwert ist eine willkürliche Setzung und beinhaltet eine bewusste Inkaufnahme der Gesundheitsgefährdung für die Schülerschaft und die Kollegien. Um den Schulbetrieb mittelfristig aufrecht zu erhalten, fordern wir endlich den Einsatz von wirksamen Luftfiltern in allen Klassenräumen, angemessene Handdesinfektionsanlagen für alle Schulen und die rechtliche Absicherung dieses Schuljahres in Bezug auf Lerninhalte, Notengebung und Versetzungen.“
Staatssekretär: “Schulleitungen spielen die zentrale Rolle bei der Einrichtung sowie der Organisation des Distanzunterrichts”
Das Ministerium wehrte sich entschieden gegen die Kritik. «Das Ministerium für Schule und Bildung hat bereits zu Beginn des Schuljahres eine Verordnung zum Distanzunterricht erlassen, darin spielen die Schulleitungen die zentrale Rolle bei der Einrichtung sowie der Organisation des Distanzunterrichts», erklärte Staatssekretär Mathias Richter. Keiner außer ihnen kenne die Situation vor Ort so gut und könne passgenaue Konzepte und Lösungen erarbeiten. Dabei hätten die Schulleiter «viele Freiräume».
«Die Kritik der Schulleitervereinigung zielt daher ins Leere und zeugt von fehlendem Praxisbezug sowie mangelnder Kenntnis über die bereits seit Monaten geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und deren Anwendung in den Schulen», erklärte Richter. News4teachers / mit Material der dpa
