MÜNSTER. Schulleitungen werden von der nordrhein-westfälischen Landesregierung offenbar unter Druck gesetzt, Probleme mit Corona-Infektionen und Quarantänemaßnahmen zu verschweigen – und stattdessen zu vertreten: Die Schule ist sicher. Das geht jedenfalls aus einem Schreiben der Pressestelle der Bezirksregierung Münster an die dortigen Schulleiterinnen und Schulleiter hervor, das News4teachers vorliegt. „Eltern, die in Sorge um ihre Kinder sind, Lokalpolitiker/innen unter Druck und nicht zuletzt Ihre Kolleginnen/en wollen nicht hören, dass Sie Zweifel haben“, so heißt es in dem Schreiben wörtlich.
„In der aktuellen Phase der zweiten Corona-Welle nimmt das Interesse der für Schulen relevanten weiteren Öffentlichkeit (Lokalpresse, Lokalpolitik, Familien der SuS etc.) am Infektionsgeschehen und dem schulischen Umgang damit deutlich zu. Uns ist bewusst, dass dies für Sie eine herausfordernde Situation ist. Bitte betrachten Sie dieses Papier daher nicht als Kritik, sondern als Hilfestellung“, so heißt es einleitend in dem „Handout” an die Schulleiterinnen und Schulleiter. Die Pressestelle der Bezirksregierung Münster beobachte aktuell verstärkte Medien- und Bevölkerungs-Anfragen an die Schulleitungen im Regierungsbezirk. Dabei richte sich der Fokus vor allem auf Quarantäne-Anordnungen, Teilschließungen und Infektionen.
“Eltern und Kollegen wollen nicht hören, dass Sie Zweifel haben – sondern, dass Ihre Schule ein sicherer Ort ist”
Was Schulleitungen nach außen mitteilen sollen, macht der Absender – der Leiter der Pressestelle – unzweifelhaft klar: „Unsere Empfehlungen für Ihre Kommunikation in der derzeitigen Lage: Beschränken Sie sich in aktiver Kommunikation und Kommentierung auf Ihr spezifisches Handeln. Bei allem, was Sie gegenüber Medien äußern, sollten Sie Ihre beabsichtigte Äußerung aus der Perspektive der Leser/innen, Zuhörer/innen und Zuschauer/innen betrachten: Eltern, die in Sorge um ihre Kinder sind, Lokalpolitiker/innen unter Druck und nicht zuletzt Ihre Kolleginnen/en wollen nicht hören, dass Sie Zweifel haben – sondern, dass Ihre Schule ein sicherer Ort ist! Entsprechend sollten Sie diese Botschaft verstärken.“ In der Bezirksregierung ist auch die Schulaufsicht angesiedelt.
Weiter heißt es (kursive Schrift im Original): „Sollten Sie sich im Falle von Infektionen- und Quarantäne-Fällen veranlasst sehen, die daraus resultierenden Folgen zu kommunizieren, empfehlen wir zunächst die kommunikative Herstellung einer eindeutigen Rollenklarheit:
a) Über Quarantänen entscheiden die Gesundheitsämter – und daher ist die Kommunikation von Quarantäne-Anordnungen Aufgabe der Kommunen. Sie können jederzeit betonen, dass die Schule und die Gesundheitsämter eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
b) Die Schulen entscheiden in Absprache mit der Bezirksregierung über die Durchführung von Distanzunterricht – darauf sollte sich entsprechend Ihre Kommunikation konzentrieren. Dies können Sie in der folgenden Form zu tun (beispielhaft):
‚Zur Sicherstellung des Infektionsschutzes während der Corona-Pandemie sind ab (Datum) XX Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe YY der ZZ-Schule zunächst bis zum (Datum) im Distanzunterricht. Das hat die Schulleitung in Absprache mit der Bezirksregierung entschieden.‘
Wenn Sie es für angezeigt halten, begründen Sie kurz Ihr Vorgehen (aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ohne Details):
‚Damit reagiert die Schulleitung vorsorglich auf (einen Verdachtsfall/eine positive Testung/eine Quarantäne-Anordnung) im Umfeld der nun in Distanz unterrichteten Schülerinnen und Schüler.‘
Sie müssen sich nicht dazu erklären, ob eine/n Lehrer/in oder ein/e Schüler/in Auslöser der Maßnahme ist. Wichtig ist: Sie schützen die Übrigen! – Machen Sie möglichst gar keine identifizierenden Angaben zu Verdachts- oder Infektionsfällen!
Wenn Sie den vorrübergehenden Distanzunterricht kommunizieren, ist dies zugleich Ihre Gelegenheit, gegenüber den Zielgruppen darzustellen, was Ihre Schule alles unternimmt, um einen für alle sichereren Präsenzunterricht zu gewährleisten.“
‚An der ZZ-Schule gilt seit Sommer 2020 ein strenges Corona-Hygienekonzept, um durchgängig den Präsenzunterricht für die meisten Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Dazu wurden (hier können Sie einige organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen aufführen).‘
Damit zeigen Sie: Sie handeln!“, so heißt es wörtlich in dem Brief.
„Dank unserer engagierten Lehrer findet der Präsenzunterricht in der gewohnt hohen Qualität statt.“
Und weiter: „Mit diesen Informationen haben Sie die für Sie relevante weitere Öffentlichkeit (Lokalpresse, Lokalpolitik, Familien der SuS etc.) ausreichend informiert. Rechnen Sie trotzdem mit Nachfragen lokaler Medien. Beantworten können Sie: – Wie viele Lehrerinnen und Lehrer können im Präsenzunterricht nicht eingesetzt werden? – Wie viele Schülerinnen und Schüler werden aktuell insgesamt im Distanzunterricht beschult?“
Welche „Wahrheiten“ die Landesregierung, die von der Bezirksregierung vor Ort vertreten wird, in den Medien über den Schulbetrieb lesen möchte, wird abschließend noch einmal unterstrichen: „Nachfragen sind für Sie eine gute Gelegenheit, Ihre Schule positiv darzustellen. Positive Aussagen können sein:
- „Unsere Schülerinnen und Schüler haben Verständnis für die Maßnahmen und halten sich sehr diszipliniert an die Regeln.“
- „Dank unserer engagierten Lehrerinnen und Lehrer findet der Präsenzunterricht auch unter Corona-Bedingungen in der gewohnt hohen Qualität statt.“
- „Die enge Absprache zwischen Schule, Schulträger, Gesundheitsamt und Bezirksregierung hat sich zum Schutz aller Beteiligten bewährt.“
- „Eltern können sich darauf verlassen, dass die Sicherheit ihrer Kinder für uns höchste Priorität hat.“
- „Das Distanzlernen eröffnet uns neue Möglichkeiten, die wir auch nach der Corona-Pandemie weiterentwickeln wollen.“
Wenn Sie zur Corona-Kommunikation weiteren Beratungsbedarf haben, rufen Sie uns gerne an oder senden Sie uns eine Mail.” News4teachers hat sich von der Pressestelle der Bezirksregierung Münster die Authentizität des Schreibens bestätigen lassen. News4teachers
Schulen sind sicher? Wie wäre es mal mit der Wahrheit, Kultusminister?
