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Geht das Corona-Chaos im nächsten Schuljahr weiter? Wirksamer Infektionsschutz in Schulen ist nach wie vor nicht in Sicht  

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BERLIN. Dass Corona nach diesem Schuljahr verschwunden sein wird, ist ein frommer Wunsch. Um zu verhindern, dass im kommenden Herbst das Chaos nahtlos weitergeht, müsste jetzt gehandelt werden – mit Programmen, die endlich flächendeckend für einen wirksamen Gesundheitsschutz in den Klassenräumen sorgen, mittels Luftfiltern zum Beispiel. Doch abgesehen von regionalen Initiativen (wie in Berlin) ist davon nichts zu sehen.

Wird uns Corona noch im Frühjahr 2022 beschäftigen? Foto: Shutterstock

Die gute Nachricht: Das Forscher-Ehepaar Özlem Türeci und Ugur Sahin erwartet in der Corona-Pandemie bis zum Herbst ein Ende von Lockdown-Maßnahmen in Deutschland. Es werde weiter Mutationen geben, aber diese würden mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Schrecken verbreiten, sagte Sahin, dessen Unternehmen Biontech einen der derzeit in Deutschland eingesetzten Impfstoffe entwickelt hat. Man müsse dann den Impfstoff anpassen. „Darauf bereiten wir uns bereits heute vor“, sagte er gegenüber den “Welt”-Nachrichtensendern.

Die schlechte: Bis die Situation völlig unter Kontrolle sei, werde es mindestens ein Jahr dauern, schätzen die Forscher – und: „Jüngere Kinder spielen eine entscheidende Rolle in unserem Kampf gegen Covid-19“, so heißt es bei Biontech. Ob und wann Kinder geimpft werden können, steht allerdings in den Sternen.

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„Wird es eine Impfempfehlung für Kinder gegen Covid-19 geben? Das ist bisher noch nicht absehbar“

Biontech und Pfizer haben zwar bereits mit Studien zu Wirkung und Sicherheit eines Corona-Impfstoffs bei Kindern bis einschließlich elf Jahren begonnen. Bisher ist das Vakzin, das das Mainzer Unternehmen zusammen mit dem US-Hersteller entwickelt hat, für Jugendliche ab 16 Jahren bedingt zugelassen. Studien für die Altersgruppe 12 bis 16 laufen bereits. Nun werden auch Kinder ab sechs Monaten in die Studien einbezogen, wie Biontech erklärte.

Ob die Ständige Impfkommission (Stiko) aber eine Impfung für Kinder in Deutschland empfehlen wird, ist offen. Auf die Frage „Wird es eine Impfempfehlung für Kinder gegen Covid-19 geben?“, schreibt das Robert Koch-Institut auf seiner Webseite: „Das ist bisher noch nicht absehbar.“

Der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Mainz, Professor Fred Zepp rechnet laut „Ärzte-Zeitung“ „frühestens Ende des Jahres, eher Anfang nächsten Jahres damit“, dass Kinder in Deutschland geimpft werden könnten. „Der Prüfaufwand ist viel höher als bei Erwachsenen“, sagt Zepp, der auch Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) ist. Kinder gegen COVID-19 zu impfen, sei zunächst einmal „fremdnützig“, so Zepp. Denn diese erkrankten deutlich seltener schwer. „Wir würden Kinder also vor allem impfen, um Ältere zu schützen.“ Daher müsse hinterfragt werden, ob das abgesehen von Kindern mit besonderen Infektionsrisiken ethisch vertretbar sei. Zudem sei auch ohne Durchimpfung von Kindern vermutlich die angestrebte Herdenimmunität zu erreichen – einfach, indem sie sich infizierten.

Soll das Virus also monatelang ungebremst durch Kitas und Schulen laufen? Das wäre heikel. Kinder erkranken zwar nur selten schwer, können aber das Virus an Ungeimpfte weitergeben. Gerade mal zwei Drittel der Bürger wollen sich impfen lassen. Und: Mit steigenden Covid-19-Fallzahlen treten auch vermehrt Komplikationen bei jungen Menschen auf. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte: “Mindestens 10% Covid Infizierten entwickeln LongCovid. Die meisten sind 6 Monate später nicht symptomfrei. Jetzt wird von Reha Spezialisten auch LongCovid bei Kindern berichtet. Wäre Wahnsinn, wenn wir nach Impfung Erwachsener Kinder ungeschützt ließen”.

Betroffen sind keineswegs nur Kinder mit Vorerkrankungen und/oder Beeinträchtigungen des Immunsystems. So beobachten Kinderärzte verstärkt ein „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“, kurz PIMS, das einem Bericht von tagesschau.de zufolge vier bis sechs Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftritt und plötzlich schwere Symptome bei zuvor kerngesunden Kindern verursacht. Immerhin 245 Kinder in Deutschland – Tendenz: steigend – waren davon bislang betroffen, nicht selten so stark, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Die Folgeschäden der Erkrankung sind nicht absehbar.

Absehbar jedoch ist, dass ein ungestörter Präsenzunterricht wie vor der Corona-Krise im kommenden Schuljahr kaum zu erreichen sein wird – jedenfalls dann nicht, wenn die meisten verantwortlichen Politiker sich weiterhin dem Thema Infektionsschutz in Kitas und Schulen verschließen.

„Luftreiniger können einen sinnvollen Beitrag leisten, um die Partikel- und Virenkonzentration in einem Raum zu reduzieren“

Dabei gäbe es durchaus technische Lösungen, um zumindest die Gefahr durch virenbelastete Aerosole in Klassenräumen zu minimieren: Luftfilter, ob nun in mobilen Geräten oder verbaut in Lüftungsanlagen. „Luftreiniger können einen sinnvollen Beitrag leisten, um die Partikel- und Virenkonzentration in einem Raum zu reduzieren“, so heißt es bei der Gesellschaft für Aerosolforschung. „Fest verbaute Lüftungsanlagen können ebenso sinnvoll sein, sofern sie die Luft filtern, um die Partikel- und Virenlast in einem Raum zu verringern.“ Das betrifft nicht nur Coronaviren, sondern auch zum Beispiel Grippeviren und andere Krankheitserreger. Das Problem: Ein ausreichend leistungsstarker mobiler Luftfilter kostet mindestens 3.000 Euro, eine komplette Lüftungsanlage für einen Klassenraum das Dreifache.

Und solche Investitionen werden von den meisten Kommunen für die Schulen gescheut. „Von einigen Eltern bekamen wir gespiegelt, dass sich die Sachaufwandsträger auf ein baldiges Ende der Pandemie berufen – unter diesem Aspekt sei der Preis für die Geräte zu hoch“, so schrieb unlängst der Bayerische Elternverband in einem Brief an Bürgermeister und Landräte. Die Eltern meinen allerdings: „Die Pandemie wird uns länger begleiten, als wir uns ausrechnen können.“ Nichts zu tun, sei grob fahrlässig – auch mit Blick aufs nächste Schuljahr.

Das allerdings ficht die Politik kaum an. Schon im vergangenen Jahr ignorierten die Kultusminister lange die Gefahr von Corona-Infektionen über Aerosole, kleinste Teilchen in der Atemluft also. Das Thema beschäftigte die KMK erst Ende September, als es bereits zu kalt zum Dauerlüften wurde und der öffentliche Druck stieg, im Rahmen einer Expertenanhörung. Das Ergebnis ist bekannt: Heraus kam lediglich ein vierseitiges Merkblatt, mit dem Lehrkräften erklärt wurde, wie sie die Fenster zu öffnen hätten. Hunderte Ausbrüche in Schulen – und in der Folge dann: Schulschließungen – konnten so nicht verhindert werden.

Einzelne Landeregierungen haben zwar Programme aufgelegt, mit denen sich Kommunen Investitionen für Luftfilter in Schulen fördern lassen können, die bayerische beispielsweise. Aber trotz Appellen von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler), zeitnah noch mehr mobile Luftreinigungsgeräte zu besorgen, sind die Kommunen im Freistaat zögerlich. Der nach wie vor hohe Eigenanteil schreckt ab. In Nordrhein-Westfalen wurde ein entsprechendes Programm sowohl finanziell wie auch durch bürokratische Vorgaben so eng begrenzt, dass die bereitgestellten Mittel ungenutzt blieben. Berlin hingegen ist dabei, massiv in Luftfilter für Schulen zu investieren: Dort wurden bereits fast 4.000 Geräte angeschafft; weitere 3.500 sollen zügig folgen.

„Um Schulen verlässlich offen halten zu können, muss jetzt gehandelt werden“

Geht das Corona-Chaos andernorts im nächsten Schuljahr nahtlos weiter? „Um Schulen verlässlich offen halten zu können, muss jetzt gehandelt werden“, fordert der Bayerische Elternverband. Wenn zum nächsten Schuljahr im Herbst die mehr als 32.000 Schulen in Deutschland technisch so aufgerüstet sein sollen, dass ein wirksamer Infektionsschutz greift, müsste in allen Bundesländern mit Hochdruck an entsprechenden Programmen gearbeitet werden. Womöglich wäre das auch ein Fall für den Bund, schließlich darf der Gesundheitsschutz in Schulen nicht vom Wohnort abhängen. Tatsächlich kann von einer konzertierten Aktion diesbezüglich keine Rede sein. Die Kultusminister sind abgetaucht.

Andere sind da weiter: Der kommunale Busbetreiber Delbus im niedersächsischen Delmenhorst beispielsweise meldet aktuell, dass alle seine Busse ab der kommenden Woche mit Luftfiltern nachgerüstet sind. News4teachers / mit Material der dpa

Der Luftfilter-Skandal: Wie das Umweltbundesamt den Einsatz der Geräte in Schulen schlechtredet – und was dahintersteckt

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