BERLIN. Die GEW hat Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz, Vorstandsvorsitzender der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD) dazu aufgefordert, mit ihr Tarifverhandlungen über einen „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ aufzunehmen. Das Tarifvorhaben hat zum Ziel, die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in einem Tarifvertrag zu regeln. „Kleinere Klassen sind das Ziel unseres Tarifprojekts Gesundheitsschutz“, erklärte Tom Erdmann, Landesvorsitzender der GEW, auf einer Pressekonferenz.
Eine umfangreiche Befragung der GEW unter angestellten Lehrkräften an Berliner Schulen zeigt, dass die Klassengröße aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer die wirksamste Stellschraube bei der Senkung der Arbeitsbelastung ist. „Weniger Lärm, weniger Vor- und Nachbereitung, weniger Korrekturaufwand – Entlastung entsteht durch kleinere Lerngruppen, das sagt die Praxiserfahrung der Kolleg*innen“, erklärte Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik in der Berliner GEW. „In kleineren Klassen bleibt mehr Zeit für die Kernaufgaben von Lehrer*innen: Unterricht, Beziehungsarbeit, individualisierte Förderung“, unterstrich Albers.
Die von der GEW im Januar 2021 durchgeführt Befragung, an der mehr als 2.000 Lehrkräfte teilgenommen haben, belegt: Lehrkräfte nehmen „große Lerngruppen“ mit 67,9 Prozent Zustimmung als wichtigsten Belastungsfaktor wahr, weit vor Personalmangel (46,6 Prozent), schlechter technischer Ausstattung (45,5 Prozent) oder Lärm (45,1 Prozent).
„Lehrer*innen wollen die Entlastung durch kleinere Klassen, um ihren Job gut machen zu können“
Als wichtigste Potenziale kleiner Klassen nennen die Lehrkräfte „mehr Zeit für Beziehungsarbeit für jede*n Schüler*in«“ (87,1 Prozent), „mehr Zeit für individuelle Förderung“ (85,6 Prozent), „mehr Zeit für Differenzierung“ (73,2 Prozent), dann erst folgt „weniger Korrekturaufwand“ (61,8 Prozent). „Dieses sind auch zentrale Merkmale eines guten, binnendifferenzierten Unterrichts in der inklusiven Schule und einer zeitgemäßen schüler*innenorientierten Didaktik“, betonte Albers.
Sie fasste die Ergebnisse der Untersuchung so zusammen: „Lehrer*innen wollen die Entlastung durch kleinere Klassen, um ihren Job gut machen zu können. Am besten geht das in kleineren Lerngruppen, die für mehr Arbeitszufriedenheit sorgen und mit weniger Lärm und geringerer psychischer Belastung einhergehen. Sie leisten einen großen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz von Lehrer*innen“.
Udo Mertens, zusammen mit Albers Leiter des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik, betonte: „Ein Tarifvertrag, mit dem wir das Verhältnis von Schüler*innen zu Lehrkräften regeln, wäre ein bundesweites Novum und ein grundlegender Paradigmenwechsel.“
„Durch bessere Lernbedingungen würden alle profitieren: Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern“
Bisher wird das Verhältnis von Schüler*innen zu Lehrkräften in Verwaltungsvorschriften einseitig vom Arbeitgeber festgelegt. „Gewerkschaften sind aber bei Tarifbeschäftigten anders als bei Beamt*innen nicht darauf beschränkt, nur die Folgen einer verfehlten Bildungspolitik zu kritisieren, sie können auch vorbeugend Arbeitsentlastungen in Tarifverträgen regeln. Genau das wollen wir hier erreichen.“ Mertens unterstrich: „Unser Tarifprojekt fordert, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Gute Arbeitsbedingungen in Tarifverträgen festzuschreiben. Durch bessere Lernbedingungen würden alle profitieren: Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern.“
Die GEW wartet nun auf die Rückmeldung des Finanzsenators auf die Verhandlungsaufforderung. „Spätestens nach den Sommerferien werden wir sehen, wie die Antwort ausgefallen ist. Falls notwendig, werden wir dann zu ersten Aktionen kommen. Dann könnten die Kolleg*innen sich auch mit Streiks für bessere Bedingungen einsetzen“, sagte Mertens. Die meisten Lehrkräfte in Berlin sind angestellt; die Bundeshauptstadt verbeamtet Lehrerinnen und Lehrer seit 2004 nicht mehr. News4teachers
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