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Institut für Menschenrechte wappnet Lehrkräfte für die Auseinandersetzung mit der AfD

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BERLIN. Die AfD vertritt nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) ein national-völkisches Menschenbild, das der im Grundgesetz verankerten Achtung der Würde des Menschen zuwiderläuft. Dies ist Ergebnis einer Analyse mit dem Titel „Nicht auf dem Boden des Grundgesetzes“, die insbesondere Lehrkräften helfen soll, rechtsextreme Positionen zu erkennen, wie es heißt. In der Studie wird auch festgestellt, dass die Partei Schulen und Lehrkräfte, die Rassismus und Rechtsextremismus thematisieren, unter Druck setze.

Die Thüringer AfD unter ihrem Chef Höcke wird seit März vom Landesverfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft. Foto: knipsdesign / Shutterstock

Das Institut ist Deutschlands unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution. Es wird vom Bundestag finanziert. Ein Kuratorium legt die Richtlinien für die inhaltliche Arbeit des Instituts fest, das sich aus Vertretern von Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Medien und Politik zusammensetzt. Die jüngste Publikation, die sich an Akteure in der schulischen und außerschulischen Bildung sowie an staatliche, politische und gesellschaftliche Akteure richtet, diene dem Zweck, „sie darin zu unterstützen, rassistische und rechtsextreme Positionen zu erkennen“, erläutert die Leitung des DIMR. Und der Befund ist eindeutig: Die AfD sei eine Partei, die „rassistische und rechtsextreme Positionen“ vertrete.

In der Studie wird ausgeführt, in der AfD seien „rassistische Positionierungen Bestandteil ihres Programms, ihrer Strategie sowie von Positionierungen durch Führungspersonen und Mandatsträger“ der Partei – „bis hin zu offen ausgesprochenen Drohungen, in denen sie der Gewalt zur Erreichung ihrer politischen Ziele das Wort reden“.

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Mit “Meldeportalen” fordert die AfD Eltern und Schüler dazu auf, ihr parteikritische Lehrerinnen und Lehrer zu melden

Zielscheiben sind auch Schulen und Lehrkräfte: „Die Partei ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) setzt Akteure, die Rassismus und Rechtsextremismus beziehungsweise die AfD kritisch thematisieren, mit unterschiedlichen Mitteln unter Druck. Hierzu gehören Schulen und Lehrer_innen wie auch Akteure in der außerschulischen Bildung, soziale Organisationen, Einrichtungen in der Jugendarbeit oder etwa Projekte zivilgesellschaftlicher Akteure, die im Rahmen der Demokratieförderung des Bundes und der Länder Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu Rassismus und Rechtsextremismus leisten.“

Tatsächlich hatten AfD-Landtagsfraktionen mit „Meldeportalen“ Eltern und Schüler dazu aufgefordert, ihnen – auch anonym – Lehrkräfte namentlich zu melden, die sich kritisch zur Partei äußerten, wie News4teachers berichtete.

Das Institut für Menschenrechte hatte dazu bereits eine Handreichung herausgegeben, die Lehrerinnen und Lehrern das Neutralitätsgebot im Unterricht erklärt – und deutlich macht, dass „die Grund- und Menschenrechte einen zentralen rechtlichen Maßstab für die schulische und außerschulische Bildung bilden“. Heißt konkret: „Der aus den Menschenrechten abzuleitende und rechtsverbindliche Bildungsauftrag würde leerlaufen, wenn das Gebot der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 GG) so interpretiert würde, dass rassistische und rechtsextreme Positionierungen von Parteien nicht als solche thematisiert werden könnten. Das Gebot der Chancengleichheit der Parteien kann daher nicht so verstanden werden, dass Schulen ihren Bildungsauftrag nicht wahrnehmen können.“

Rechtsextreme Positionen, so stellt der Autor der Publikation, der Rechtswissenschaftler Dr. Hendrik Cremer, nun fest, zeichneten sich „durch einen politischen Autoritarismus“ aus, der auf eine Ablösung der freiheitlich demokratischen Grundordnung abziele. National-völkische Positionen zielten darauf ab, den Grundsatz der Gleichberechtigung aller zum Staatsvolk gehörenden Menschen zu durchbrechen. So fokussiere die AfD in ihrem Grundsatzprogramm von 2016 „auf ein Bevölkerungsideal in Deutschland, das eine kulturelle Homogenität aufweist, die es gegen ‚importierte kulturelle Strömungen‘ zu verteidigen gilt“.

Im Unterschied zum Rassismus im frühen 20. Jahrhundert werde er heutzutage nicht allein biologistisch und unter Bezug auf physische Merkmale begründet, sondern vor allem unter Bezugnahme auf „die Kultur“ oder die Religionszugehörigkeit. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 habe die Partei behauptet, die bloße Präsenz von Muslimen in Deutschland sei eine „große Gefahr“.

Wörtlich heißt es in der Studie: „Rassismus setzt (..) kein Gedankengut voraus, das auf biologistischen Theorien von Abstammung und Vererbung basiert und auf biologistische Begründungsmuster zurückgreift. So treten häufig weitere Begründungsmuster hinzu, etwa beim Antisemitismus. Im Fall des antimuslimischen Rassismus wird oft neben der Religionszugehörigkeit auch auf ‚die Kultur‘ von Menschen Bezug genommen, um sie auf dieser Grundlage mit pauschalen Zuschreibungen zu kategorisieren und abzuwerten.“

Die AfD versuche, die “Grenzen des Sagbaren” zu verschieben – um eine Gewöhnung an rassistische Positionen zu erreichen

Dass die AfD Menschen nicht als Individuen anerkenne, sondern in Gruppen unterteile, die sie in einer bestimmten Hierarchie sehe, zeige auch das Programm der Partei für die nächste Bundestagswahl. Dort heißt es unter anderem: „Die gemeinschaftsstiftende Wirkung der deutschen Kultur ist Fundament unseres Grundgesetzes und kann nicht durch einen Verfassungspatriotismus ersetzt werden.“ Die AfD versuche bewusst, die „Grenzen des Sagbaren“ zu verschieben, sodass eine „Gewöhnung an ihre rassistischen, national-völkischen Positionen – auch im öffentlichen und politischen Raum – erfolgt“, heißt es in der Publikation des Instituts. Sie verunglimpfe Deutschland als „Quasi-Diktatur“, um sich selbst als rettende Kraft zu inszenieren.

Um die Grundlagen der Verfassungsordnung wirksam zu verteidigen, sollten sich Parteien, die auf dem Boden des Grundgesetzes stünden, von Parteien, die rassistische und rechtsextreme Positionen verträten, “abgrenzen und verhindern, dass diese direkt oder indirekt politische Gestaltungsspielräume erlangen”, stellt das DIMR fest. Die Radikalisierung der AfD in den vergangenen Jahren lasse sich auch an der Position von Björn Höcke ablesen, heißt es in der Analyse. Dieser sei längst zu einer “zentralen Figur innerhalb der Gesamtpartei geworden”. Die Thüringer AfD unter ihrem Chef Höcke wird seit März vom Landesverfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft.

In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen werden die jeweiligen Landesverbände vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet.

„Gerade die deutsche Geschichte hat gezeigt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung eines Staates zerstört werden kann, wenn rassistische Grundhaltungen nicht rechtzeitig auf energischen Widerstand stoßen und sich so verbreiten und durchsetzen können. Der Nationalsozialismus ist daher nicht nur als historisches und abgeschlossenes Ereignis zu begreifen. Vielmehr geht es stets auch darum, gegenwärtige Erscheinungsformen von Rassismus und die damit verbundenen Auswirkungen und Gefahren für Betroffene und die gesamte Gesellschaft zu erkennen und aufzuzeigen. Darin besteht eine elementare Aufgabe politischer und gesellschaftlicher Akteure etwa im Bereich der Bildung, der Wissenschaft und auch der Medien“, so heißt es in der Studie.

Und: „Wird der Grundsatz der gleichen Menschenwürde und der Rechtsgleichheit eines jeden Individuums in Frage gestellt, wird eine absolute Grenze überschritten. Solche Positionen sind daher auch nicht als gleichberechtigte legitime politische Positionen zu behandeln.“ News4teachers / mit Material der dpa

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