BERLIN. Seitdem in immer mehr Bundesländern das neue Schuljahr begonnen hat, steigen die Inzidenzwerte an – mit deutlicher Dynamik vor allem in den Altersgruppen der Schülerinnen und Schüler. Darin sei der Beginn der vierten Corona-Welle erkennbar, erklärte das Robert-Koch-Institut (RKI). In Nordrhein-Westfalen, wo erst am Mittwoch der Unterricht nach den Sommerferien wieder startete, musste die erste Schule ihren Präsenzbetrieb schon wieder einstellen: Fünf von insgesamt sieben Klassen der Grundschule wiesen bei der Corona-Testung am ersten Schultag ein positives Pool-Ergebnis auf. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, Mann von KMK-Präsidentin Britta Ernst (SPD), forderte gleichwohl: „Die Schulen müssen offen bleiben.“
„Der von Ende April 2021 bis Ende Juni 2021 zu beobachtende Rückgang der 7-Tage-Inzidenz setzt sich nicht weiter fort. Die Fallzahlen nehmen bereits seit Anfang Juli 2021 wieder zu und steigen damit wesentlich früher und schneller als im vergangenen Jahr, als vergleichbare Inzidenzen erst im Oktober erreicht wurden“, so heißt es im aktuellen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts.
Und: „Auch der Anteil der positiv getesteten Proben unter den in den Laboren durchgeführten PCR-Tests steigt weiter an und lag in der 32. Kalenderwoche (KW) 2021 bei 6 % (31. KW: 4 %). Es sind vor allem jüngere Altersgruppen von Infektionen betroffen. In diesen Altersgruppen sind auch die Positivenanteile mit Abstand am höchsten. Damit zeigt sich nun deutlich der Beginn der vierten Welle, die insbesondere durch Infektionen innerhalb der jungen erwachsenen Bevölkerung an Fahrt aufnimmt.“
In den USA ist die Zahl der Kinder mit Covid in Kliniken sogar höher als im letzten Winter, dabei steht der Winter erst bevor. Die Delta Variante ist für Kinder gefährlich. Impfangebote in Impfbussen in den Schulen wären sinnvoll. https://t.co/lA2pxfSDfX
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) August 17, 2021
Die größte Dynamik im Infektionsgeschehen zeigt sich allerdings nicht bei den jungen Erwachsenen, den 20- bis 24-Jährigen also, bei denen die Inzidenz absolut derzeit am höchsten liegt (94), sondern bei den Schülerinnen und Schülern: Bei den Fünf-bis Neunjährigen stieg der Wert binnen vier Wochen (seit der 29. Kalenderwoche vom 19. bis 25. Juli) von 13 auf 49, vervierfachte sich also fast, bei den 10- bis 14-Jährigen von 21 auf 69, eine Verdreifachung, und bei den 15- bis 19-Jährigen von 41 auf 87 – mehr als eine Verdoppelung des Wertes. Am 1. August hat das neue Schuljahr im ersten Bundesland, Mecklenburg-Vorpommern, begonnen.
„Die Gesundheitsämter können nicht mehr alle Infektionsketten nachvollziehen“
„Nach den langen Schulschließungen, nach Wechsel- und Fernunterricht, bin ich ein klarer Verfechter von Präsenzunterricht an Schulen“, erklärte Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Scholz in der „Rheinischen Post“. „Mit den Impfungen, mit dem Schutz durch Masken in Innenräumen, aber auch mit den regelmäßigen Tests an den Schulen können wir das Infektionsgeschehen kontrollieren“, sagte er.
Im aktuellen RKI-Bericht heißt es allerdings: „Die Gesundheitsämter können nicht mehr alle Infektionsketten nachvollziehen.“ Die deutlich aggressivere Virusvariante Delta bestimmt mittlerweile das Infektionsgeschehen. „In Deutschland, wie auch im europäischen Ausland, werden die meisten Infektionen durch besorgniserregende Varianten (VOC) verursacht. Der Anteil von Delta (B.1.617.2) lag in einer zufällig für die Sequenzierung ausgewählten Stichprobe, und damit repräsentativ für Deutschland, bei 99 %, der Anteil von Alpha (B.1.1.7) betrug um 1 %. Die Meldedaten zeigen einen ähnlichen Anteil von Delta von 98 % und Alpha von weniger als 1 %.“
Trotz dieser Lage schloss auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) Corona-bedingte Schulschließungen bis nach den Herbstferien aus. „Ich werde alles dafür tun, dass wir das mit umfangreichen Tests der Schülerinnen und Schüler verhindern können“, sagte der Minister im Gespräch mit dem «Mannheimer Morgen». Außerdem habe man jetzt zusätzlichen Rückenwind durch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, dass es keine Bedenken mehr gebe, auch die Zwölf- bis 17-Jährigen zu impfen, so der Grünen-Politiker. Bislang ist von der Altersgruppe der Schülerinnen und Schüler allerdings erst ein Bruchteil geimpft.
Das Robert-Koch-Institut warnt denn auch mit Blick auf die Schulen vor der „Verbreitung deutlich stärker übertragbarer Virusvarianten (..), die möglicherweise mit einem schwereren Krankheitsverlauf assoziiert sind. Gerade für das Kindes- und Jugendalter ist hier die Datenlage noch unsicher. Auch aufgrund dieser Entwicklung ist weiterhin die konsequente Umsetzung der bewährten infektionspräventiven Maßnahmen im Schulsetting sehr wichtig, um eine Verbreitung der Infektionen in diesen weitgehend ungeimpften und daher suszeptiblen Altersgruppen zu verhindern.“
Das NRW-Schulministerium hat allerdings bereits in einer Mail an alle Schulen mitgeteilt, dass Inzidenzwerte für den Schulbetrieb nicht mehr maßgeblich sind, wie News4teachers berichtet. Schulschließungen verhindert das aber offenbar nicht: In Gütersloh musste nach dem ersten Schultag bereits wieder eine Grundschule ihren Präsenzbetrieb weitgehend einstellen, weil bei Pool-Tests Corona-Infektionen in fünf von sieben Klassen nachgewiesen worden waren, wie die „Neue Westfälische“ berichtet. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum RKI-Wochenbericht vom 19. August 2021.
