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Überfordert? Stiko-Chef sorgt (wieder) für Verwirrung: Er würde sein eigenes Kind nicht impfen lassen

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BERLIN. Die Ständige Impfkommission (Stiko) stiftet schon wieder Verwirrung. Vergangene Woche hieß es noch: Sie will bis spätestens Jahresende darüber entscheiden, ob sie eine generelle Corona-Impfung für Kinder von fünf bis elf Jahren empfiehlt – oder nicht. In dieser Woche preschte Stiko-Chef Prof. em. Mertens schon mal vor: Auf die Frage, ob er sein eigenes, siebenjähriges Kind derzeit gegen Corona impfen lassen würde (wenn er denn eines hätte), sagte er in einem Podcast der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ich würde es wahrscheinlich jetzt nicht impfen lassen.“ Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisiert Mertens dafür deutlich.

In wenigen Tagen wird wohl ein zugelassener Impfstoff für fünf- bis 12-jährige Kinder verfügbar sein – den die Stiko wohl nicht empfiehlt. Foto: Shutterstock

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), der emeritierte Ulmer Virologe Thomas Mertens, ist derzeit auf vielen Kanälen zu hören. In der vergangenen Woche stellte er eine Einschätzung der Stiko bis Jahresende in Aussicht. „Unser Ziel ist es, diese Empfehlung bis Ende Dezember, möglichst bis zum Start der Auslieferung des Kinder-Impfstoffs an die Länder, fertigzustellen“, sagte er gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe – missverständlich, wie so vieles, was in den vergangenen Monaten von der Stiko kam. Denn mit „Empfehlung“ ist keineswegs gemeint, dass die Kommission die Nutzung des Impfstoffs tatsächlich empfiehlt. Es kann auch das Gegenteil dabei herauskommen: Dass von einer Impfung der Kinder abgeraten wird.

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„Falsche politische Entscheidungen können nicht durch eine Impfung korrigiert werden“

Gerade weil Corona-Infektionen bei Kindern in der Regel harmlos verliefen, müsse man umso sicherer sein, dass die Impfung auf Dauer gut verträglich sei, meint aber Mertens. Vor dieser Abwägung stehe die Stiko. Die wechselnde Stimmung in der Öffentlichkeit und auch bei Politikern könne nicht das Maß für die Entscheidung der Kommission sein, ob eine Impfung von Kindern empfohlen werde. „Falsche politische Entscheidungen können nicht durch eine Impfung korrigiert werden“, sagt er. Zudem kritisiert der Mediziner, dass die fehlende Impfbereitschaft der Erwachsenen nun durch eine Impfung der Kinder ausgeglichen werden soll.

In der „Rheinischen Post“ äußerte er sich am Wochenende ähnlich. Auf die Frage, ob er die Not der Eltern verstehe, die ihre Kinder schützen und ihnen den Schulbesuch ermöglichen wollen, antwortete Mertens: „Ja, die verstehe ich schon. Die Motive der Eltern sind vielfältig. Manchmal geht es neben dem Schutz der Kinder auch darum, den Schulbesuch, den Besuch bei der Oma oder das Flötenspiel in der Kita absichern. Ich verstehe das. Doch für die Stiko-Empfehlung können solche Argumente nicht die Hauptrolle spielen. Da ist die Politik gefragt.“ Offenbar versteht Mertens das Problem nicht: Viele Eltern treibt die Sorge vor einer Durchseuchung der Kinder und Jugendlichen und möglichen Gesundheitsfolgen um – nicht das „Flötenspiel in der Kita“.

„Das ist schwierige Aussage“, meint denn auch der SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf Twitter (mit Blick auf Mertens‘ Aussage, er würde sein Kind nicht impfen lassen). „Viele Wissenschaftler sehen das anders, weil es in Studien keine Nebenwirkungen gab für Kinder. Zum anderen muss Stiko ja noch entscheiden. Es wirkt unglücklich, wenn noch vor der Stiko-Entscheidung ihr Chef die Impfung für eigene Kinder schon mal ablehnt“, so schreibt er.

Unglücklich agiert die Stiko nicht zum ersten Mal, wenn’s um Kinder und Jugendliche geht. Im Juli zweifelte Mertens an der Sinnhaftigkeit von Massentests für Schüler in Schulen. «Ich frage mich, wie wichtig es tatsächlich ist, jedes symptomlos infizierte Kind durch Testung zu entdecken», sagte er. «Würde es möglicherweise reichen, jedes Kind mit Symptomen frühzeitig zu identifizieren und zu isolieren? Das mag zwar ketzerisch klingen, aber man sollte darüber nachdenken.» Lauterbach warf Mertens seinerzeit vor, damit eine Durchseuchung der Kinder in Kauf zu nehmen.

“Für schnelle Entscheidungsbedürfnisse ist die Stiko schlichtweg nicht gemacht”

Im August hatte dann schließlich auch die deutsche Stiko genügend Informationen gesammelt, um dann doch die allgemeine Impfung der Jugendlichen zu empfehlen. Leider hat das Hin und Her offensichtlich viel Vertrauen bei Eltern gekostet: Bis heute sind erst gut die Hälfte (53 Prozent) der zwölf- bis 17-jährigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland geimpft. Die Inzidenzen in der Altersgruppe explodieren.

Ist die Stiko überfordert? Der Eindruck drängt sich auf. Die insgesamt 18 Mitglieder umfassende Kommission sei lediglich ein ehrenamtliches Gremium, welches neben den Haupttätigkeiten der Expertinnen und Experten in deren Freizeit zusammenkomme, erklärte Stiko-Mitglied Dr. med. Marin Terhardt, Facharzt aus Berlin, in der Sendung „Markus Lanz“.

Da lediglich drei Stellen der Stiko-Geschäftsstelle beim RKI hauptamtlich besetzt wären, sei der derzeitige Aufbau „für Pandemien nur begrenzt geeignet“, erläuterte der Mediziner. Normalerweise dauere es im Schnitt zwei Jahre, bis die Stiko eine Impfempfehlung ausspreche. „Wir haben das jetzt auf mehrere Wochen eingedampft, weil wir für sehr viel verschiedene Impfstoffe Entscheidungen treffen mussten.“ Das habe angesichts der Notlage auch funktioniert, doch kurzfristigere Empfehlungen seien allein aufgrund der „Ressourcenknappheit“ kaum möglich. Terhardt: Für „schnelle Entscheidungsbedürfnisse“ sei die Stiko schlichtweg nicht gemacht.

Das Problem: Viele Ärztinnen und Ärzte handeln auf der Grundlage ihres Votums – und impfen dann eben nicht. News4teachers / mit Material der dpa

Ehemaliges Stiko-Mitglied fordert: Weg mit Maskenpflicht in Schulen – um Schüler schnell zu durchseuchen!

 

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