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DKLK-Studie: Personalmangel wächst Kita-Leitungen über den Kopf – VBE: “Katastrophe”

DÜSSELDORF. Der Personalmangel in deutschen Kindertagesstätten steigt einer Umfrage zufolge weiter an. «Schätzungsweise 9000 Kitas haben in Deutschland im zurückliegenden Jahr in über der Hälfte der Zeit in aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckung gearbeitet. Das sind mehr als doppelt so viele Kitas wie ein Jahr zuvor», sagte Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) am Mittwoch zum Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) in Düsseldorf.

Die Probleme in Kitas nehmen überhand. Foto: Shutterstock

«Übersetzt heißt das: Diese Einrichtungen konnten den Betrieb im Durchschnitt an mehr als jedem zweiten Tag nur unter Gefährdung der Sicherheit der zu betreuenden Kinder aufrechterhalten», so Beckmann. Eine weitere Herausforderung seien auch die Kinder, die aus der Ukraine nach Deutschland flüchteten. Diesen besonders zuwendungsbedürftigen Kindern müsse alles gegeben werden, was nötig sei, so Beckmann. Das System Kita stehe jedoch vor dem Kollaps und brauche nun dringender denn je mehr Ressourcen.

„Am anderen Ende der Skala waren es nicht einmal 7 Prozent der Kitas, die in den zurückliegenden 12 Monaten mit einer durchgehend ausreichenden Personalausstattung arbeiten konnten. Vor einem Jahr konnten dies zumindest noch annähernd doppelt so viele Einrichtungen“, erklärte Beckmann – und nannte die Ergebnisse der Studie „mit Blick auf die enorme Bedeutung des frühkindlichen Bildungsbereichs für die gesamte Bildungsbiografie von Kindern eine Katastrophe“.

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Unter dem Personalmangel litten neben den Kindern auch die Erwachsenen, denn dieser führe zu einer erheblichen Belastung des pädagogischen Personals. So gaben 82 Prozent der bundesweit 4827 befragten Kitaleitungen in der repräsentativen Studie an, sich durch ihre Tätigkeit psychisch belastet zu fühlen, wie der Verband berichtete. Jede vierte Kita-Leitung berichtete demnach, in den letzten zwölf Monaten bis zu 20 Tage zur Arbeit gegangen zu sein, obwohl sie sich aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeitsfähig gefühlt habe.

Weitere Ergebnisse:

Der Personalmangel an Kitas trifft dabei Fachkräfte und Kinder gleichermaßen. Bei mindestens 57 Prozent (U3-Bereich) und mindestens 74 Prozent (Ü3-Bereich) der Kitaleitungen ist die angegebene tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation laut DKLK-Studie 2022 schlechter als wissenschaftlich empfohlen (U3-Bereich: 1:3; Ü3-Bereich: 1:7,5). Im U3-Bereich hat sich das Verhältnis seit 2020 weiter verschlechtert. Ein weiterhin existenter Missstand bei Kitaleitungen: Trotz leichter Verbessrungen geben immer noch 45 Prozent der Befragten an, dass ihre tatsächliche Leitungszeit über der vertraglichen Leitungszeit liegt.

„Das, was wir an Kitas nicht erst seit gestern erleben, ist ein sich selbst verstärkender Teufelskreis. Der Personalmangel führt zu zusätzlichen Belastungen bei den Erzieherinnen und Erziehern, die im System sind. Höhere Krankenstände sind zwangsläufig die Folge, wenn Menschen sich über ihre Belastungsgrenze hinaus aufopfern. Das erhöht wiederum zusätzlich die Arbeitsbelastung der verbleibenden Fachkräfte und gefährdet deren Gesundheit zusätzlich. Auf der anderen Seite brauchen Kinder für ihre Entwicklung – gerade in den ersten drei Lebensjahren – eine verlässlich verfügbare Bezugsperson“, so Beckmann.

„Neben der akuten Überlastung der engagierten Fachkräfte an Kitas ist die zu verzeichnende Entwicklung auch ein verheerendes Signal an den dringend benötigten Nachwuchs. Es ist alarmierend, wenn sich gerade jüngere Leitungskräfte in ihrer Tätigkeit nochmals weniger wertschätzt erleben, als es Kitaleitungen ohnehin insgesamt tun. Mehr als 4 von 5 der unter 30-jährigen Kitaleitungen stimmen der folgenden Aussage zu: Das Vorurteil ‚Wir spielen, basteln und betreuen die Kinder nur‘ hält sich hartnäckig in den Köpfen der Gesellschaft. In den kommenden Jahren ist ein großer Teil der Leitungspositionen in Deutschland neu zu besetzen, der Ganztagsanspruch verstärkt den Personalbedarf zusätzlich. Entschiedene Maßnahmen der Politik zur Personalgewinnung und -bindung sind deshalb alternativlos“, folgert Beckmann. News4teachers / mit Material der dpa

Im Wortlaut

Der VBE fordert angesichts der Ergebnisse des DKLK-Studie:

  1. “Aufeinander abgestimmte, flächendeckende Investitionen im Rahmen einer bundesweit abgestimmten Fachkräfteoffensive, ergänzt um regional angepasste Maßnahmen. Diese müssen die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten an Fach- und Hochschulen, das Angebot adäquater Entwicklungsperspektiven für ausgebildete Fachkräfte und die leichtere Anerkennung europäischer Abschlüsse einbeziehen. Die Ausbildung im frühpädagogischen Bereich darf dabei qualitativ nicht ausgedünnt werden.
  2. Unmittelbare Maßnahmen zur Beseitigung aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckungen.
  3. Nachhaltige Investitionen in eine wahrnehmbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf mehreren Ebenen, vor allem bei Personalausstattung, Bezahlung, Einführung einer grundsätzlich vergüteten Ausbildung, Fort- und Weiterbildungen sowie räumlicher und sächlicher Ausstattung, um die Attraktivität des Berufsbildes dauerhaft zu stärken. Vor dem Hintergrund dieser zwingend notwendigen Anpassungen ist die Verweigerungshaltung der kommunalen Arbeitgeber in den aktuellen Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst indiskutabel und ein verheerendes Signal.
  4. Eine Anpassung der vertraglich fixierten Leitungszeit an den tatsächlichen Bedarf.
  5. Eine Entlastung von Kitaleitungen bei Verwaltungsaufgaben durch eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur.
  6. Den unterstützenden Aufbau multiprofessioneller Teams (Therapeut:innen, Psycholog:innen, med. Fachpersonal, Sozialpädagog:innen), um Inklusion, Integration, Partizipation und insgesamt immer höhere Anforderungen an das System Kita bewältigen zu können. Zur Entlastung bei nicht-pädagogischen Ausgaben sind zudem Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte einzubeziehen.
  7. Systematischer Aufbau und Zugang zu Angeboten der Gesundheitsprävention und -förderung.”

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