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Pandemie-Folgen bei Jugendlichen: Erwachsenwerden wurde verschoben

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BERLIN. Die Folgen der Pandemie belasten Jugendliche und junge Erwachsene in fast allen Lebensbereichen weiterhin stark. Das zeigen erste Ergebnisse einer bislang unveröffentlichten Untersuchung im Rahmen des Surveys des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Deutlich wird, dass es bei den Problemen um weit mehr als um offene Bildungseinrichtungen geht – das Erwachsenwerden wurde verschoben.

Vieles von dem, was Jugend ausmacht, konnte in der Pandemie nicht stattfinden. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

In der DJI-Langzeitstudie werden regelmäßig etwa 1.500 junge Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren befragt. Viele sehen demnach eine der größten Herausforderungen in Schule, Studium und Beruf: Lediglich 55 Prozent der Befragten waren im Herbst 2021 – also lange nach den Phasen der strikten Lockdowns und des Homeschoolings – mit ihrer (Aus-)Bildungssituation zufrieden. Das sind 16 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2019 vor der Pandemie.

„Beim Bildungsthema wird oftmals zu wenig beachtet, dass durch Schulschließungen und das damit verbundene Homeschooling die Schule als Lebensort junger Menschen und die dort möglichen Handlungs-, Erprobungs- und Mitbestimmungsspielräume (beispielsweise bei der Klassenraum- und Schulhofgestaltung, bei Ausflügen oder Schulfesten) zeitweise weggefallen sind. Durch die Zentrierung auf den (Online-)Unterricht wurde Schule zunehmend wieder zu einem reinen Lernort. Dies hat vermutlich ebenso zur Unzufriedenheit der Jugendlichen beigetragen“, so heißt es in der Studie.  „Dabei dürfte auch folgender Befund eine Rolle spielen: 45 Prozent der Befragten gaben an, dass ein Praktikum, ein Engagement in einem Freiwilligendienst oder ein Auslandsaufenthalt wegen Corona zumindest verschoben werden mussten.“

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“Peerbeziehungen sind für die soziale Verselbstständigung junger Menschen essenziell”

Auch die Freundschaftsbeziehungen litten in diesem Zeitraum stark: Zwar messen die 15- bis 25-Jährigen ihren Freund:innen nach wie vor hohe Bedeutung zu, doch der Anteil, der mit dem eigenen Freundeskreis zufrieden ist, reduzierte sich gegenüber 2019 um fast 20 Prozentpunkte.

„Die Peerbeziehungen sind für die soziale Verselbstständigung junger Menschen essenziell, da sie vielfältige Funktionen für Jugendliche übernehmen. Freundschaften bieten die Möglichkeit, gemeinsam über gesellschaftliche Themen zu diskutieren, Pläne für die eigene Zukunft zu schmieden, Anforderungen in Schule, Ausbildung oder Studium zu bewältigen, Spaß zu haben und zu feiern, Erfahrungen von Körperlichkeit und Intimität zu machen. Gerade in dieser Lebensphase haben Freundschaftsbeziehungen somit einen besonders hohen Stellenwert. Unter den Bedingungen der Pandemie waren allerdings unmittelbare, persönliche Kontakte zeitweise deutlich eingeschränkt (‚social distancing‘).“

Auch im politisch-gesellschaftlichen Raum – zum Beispiel die Beteiligung an Demonstrationen oder das ehrenamtliche Engagement in Vereinen, in der Jugendarbeit oder in Freiwilligendiensten – hat die Pandemie deutliche Konsequenzen. „Manche Formen von Engagement waren phasenweise nicht mehr möglich, weil die betreffenden Orte nicht oder nur beschränkt zugänglich waren, sei es die Jugendgruppe oder der Sportverein. Gleichzeitig sind neue Formen der sozialen Unterstützung entstanden. Gerade zu Beginn des sogenannten ersten Lockdowns sind junge Menschen beispielsweise für ältere Nachbar:innen einkaufen gegangen oder haben Großeltern in die Welt der Videokonferenzen und des Streamings eingeführt.“

„Die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt in vielerlei Hinsicht massiv beeinträchtigt“

Die Coronapandemie hat für einige junge Menschen sogar einen Anlass dargestellt, den Auszug von zu Hause zeitlich hinauszuschieben oder temporär sogar wieder ins Elternhaus zurückzuziehen. Wenn Jobs neben dem Studium wegfallen, könne diese Möglichkeit ein wichtiges „Sicherheitsnetz“ darstellen, so heißt es. Zehn Prozent der befragten 15- bis 25-Jährigen gaben an, dass sie wegen Corona nicht wie geplant aus dem Elternhaus ausziehen konnten. Für weitere sieben Prozent gilt, dass sie wegen Corona zu ihren Eltern zurückgekehrt sind. Auch Prozent haben angegeben, dass sie wegen Corona nicht mit Freundin oder Freund zusammenziehen konnten.

„Die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt in vielerlei Hinsicht massiv beeinträchtigt“, bilanziert DJI-Direktorin Prof. Sabine Walper die Ergebnisse. Zwar sei Corona wegen weiterer aktueller Krisen medial in den Hintergrund gerückt, doch der Bedarf an Unterstützung sei nach wie vor hoch. „Gerade junge Menschen mussten aufgrund der Pandemie auf vieles verzichten, was Jugend ausmacht“, betont Walper: Der über lange Zeit eingeschränkte Aktionsradius, die ins Digitale verlagerten Beziehungen zu Gleichaltrigen, die veränderten Lernbedingungen, die Hürden beim Auszug aus dem Elternhaus und beim Einstieg in Ausbildung, Studium und Beruf – all dies wirke sich immer noch negativ auf das Wohlbefinden der Altersgruppe aus. Besonders betroffen seien junge Menschen aus finanziell benachteiligten Familien.

Hier lässt sich die neue Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse herunterladen, in der die Ergebnisse vollständig dargestellt werden.

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